Rezensionen Ausgabe 179

Von Sascha Schmidt, Kai Budler, Felix M. Steiner
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 179 - Juli / August 2019

Antisemitismus und Fußball
von Sascha Schmidt

antifa Magazin der rechte rand
Florian Schubert Antisemitismus im Fußball Tradition und Tabubruch


»Wir bauen eine U-Bahn von XY nach Auschwitz…«-Gesänge und »Juden, Juden«-Rufe, mit denen der Gegner abgewertet werden soll, sind traurige Klassiker in puncto Antisemitismus in deutschen Fußballstadien. Zwar sind diese seit einigen Jahren größtenteils aus den Arenen der durchkommerzialisierten Männer-Fußball-Bundesligisten verschwunden. Auf den Anreisewegen zu den Stadien sowie in den Amateurligen werden solche Rufe jedoch immer wieder angestimmt – und dies keineswegs nur von Personen, die der extremen Rechten zuzuordnen sind.
Wie stark ist der Antisemitismus in deutschen Fußballstadien verbreitet? Inwiefern werden antisemitische Ausdrucksformen dabei bewusst artikuliert? Welche Funktion erfüllt eine solche Ausdrucksform im Stadion und wie wird damit von Seiten der Fans, der Vereine und der Verbände umgegangen? Diesen und vielen weiteren Fragen widmet sich der Politik-, Sport- und Geschichtswissenschaftler Florian Schubert im Rahmen seiner Dissertation, die nun als Buch mit dem Titel »Antisemitismus und Fußball« vorliegt. Schubert, der die bundesweit beachtete Ausstellung »Tatort Stadion« – des »Bündnis aktiver Fußballfans« (BAFF) – mit konzipierte, legt mit seinem Buch eine Auseinandersetzung zu dieser Thematik vor, die in diesem Umfang (mit fast 500 Seiten) wohl ihresgleichen sucht.
Darin zeichnet der Autor unter anderem die Geschichte antisemitisch einzustufender Ausdrucksformen im deutschen Männerfußball von den 1980er bis in die 2000er für beide deutschen Staaten nach. Sein Fazit: »In den Kurven gehörten antisemitische Kommunikationsformen und Präsentationen zum Alltag«. Vor allem extrem rechte Gruppierungen haben sich damit wiederholt versucht in Szene zu setzen. Auch in zahlreichen ausgewerteten Fußball-Fanzines und Fußball-Internetforen weist Schubert Antisemitismus nach. Besonders betroffen von solchen verbalen Angriffen sind linke Fangruppen, Vereine, die von Juden historisch (mit-)geprägt wurden, als auch die jüdischen Turn- und Sportvereine von Makkabi. Der Deutsche Fußballbund, so Schubert, habe es vielfach verpasst, »durch aktive Fanarbeit einzugreifen und gegenzusteuern.«
Der Autor hat im Rahmen seiner Arbeit zu diesem Buch zahlreiche qualitativ-strukturierte Expert*innen-Interviews mit aktiven »Schlüsselpersonen« der pädagogischen Fanarbeit aus Fanklubs, Vereins- und Verbandsinstitutionen und der Wissenschaft geführt. Diese geben einen interessanten Einblick in die unterschiedlichen Facetten der Thematik.

Fabian Schubert: Antisemitismus und Fußball – Tradition und Tabubruch. Wallstein Verlag Göttingen, 2019, 488 Seiten,
39,90 Euro

Wider die
Rückkehr des Nationalismus
von Kai Budler

antifa Magazin der rechte rand
Zur rechten Zeit Norbert Frei, Franka Maubach, Christina Morina, Maik Tändler Wider die Rückkehr des Nationalismus

Es könne doch nicht sein, dass die Zeithistoriker zur aktuellen Situation nichts zu sagen hätten, schrieb der Ullstein-Verlag dem Historiker Norbert Frei und gab die Initialzündung zum Buch »Zur rechten Zeit«, das Frei mit seinen Kolleg*innen Franka Maubach, Christina Morina und Maik Tändler verfasst hat. Wenn schon ein Verlag ein Buch zum Thema anstoßen muss, sollte das der gesamten Historiker*innen-Zunft eigentlich zu denken geben. Es sei der Versuch, so die Autor*innen, »die Geschichte der beiden deutschen Staaten nach 1945 (…) unter dem Eindruck der gegenwärtigen rechten Konjunktur anders denn als gängige Erfolgsgeschichte zu erzählen«. In acht Kapiteln durchstreifen die Autor*innen die deutsch-deutsche Geschichte nach 1945. Sie beleuchten dabei die Kontinuitäten extrem rechter Strömungen und skizzieren Entwicklungen in Ost und West, die heute in Erfolgen für die »Alternative für Deutschland« und aggressivem Rassismus kulminieren. Dabei zeigen sie an konkreten Beispielen, dass viele Methoden und Themen der extremen Rechten eine lange Tradition haben und keinesfalls ein bloßes Produkt unserer Zeit sind. Der Weg führt unter anderem über personelle NS-Kontinuitäten in der frühen Bundesrepublik, Gründung und Erfolge der NPD, Rassismus in der sich konstituierenden Migrationsgesellschaft der 1960er Jahre und den Historikerstreit. Besonders sticht hier die Betrachtung der Migration in der DDR und deren Umgang mit dem Nachleben des Nationalsozialismus hervor, obwohl dem Text etwas mehr Länge gutgetan hätte. Ebenfalls sehr lesenswert ist das Kapitel über »Rassismus und Rechtsterrorismus in den Neunzigern« und dem von den Auror*innen genannten »Vereinigungsrassismus« und seinen Pogromen. Besonders aber hier zeigen sich die Schwächen des Buchs, wenn die Autor*innen behaupten, Erkenntnisse zu den rassistischen 1990er Jahren würden nicht zur Analyse der rassistischen Mobilisierung seit 2015 einbezogen. Offenbar fehlt den vier Historiker*innen der Einblick in die Erkenntnisse und Analysen der antifaschistischen Recherche, die genau diese Bezüge immer wieder hergestellt hat. Obwohl das Buch einem Fachpublikum wenig neue Erkenntnisse bringt, bietet es Interessierten einen guten Einstieg und einen guten Überblick über die extreme Rechte in der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte. Sein Erfolg wäre, wenn ihm weitere ausführlichere Studien zur geschichtswissenschaftlichen Erforschung folgten.

Norbert Frei, Franka Maubach, Christina Morina, Maik Tändler: Zur rechten Zeit. Wider die Rückkehr des Nationalismus. Berlin 2019, Ullstein-Verlag, 256 Seiten, 20 Euro

RechtsRock in
Brandenburg.
Und darüber hinaus.
von Felix M. Steiner

antifa Magazin der rechte rand
Gideon Botsch (Hg.), Jan Raabe (Hg.), Christoph Schulze (Hg.) Rechtsrock Aufstieg und Wandel neonazistischer Jugendkultur am Beispiel Brandenburgs

In den letzten Jahren ist RechtsRock wieder eines der zentralen Aktions- und Mobilisierungsfelder der extremen Rechten geworden. 2017 reisten beispielsweise rund 6.000 Neonazis in den kleinen Ort Themar in Thüringen. Sie kamen aus ganz Europa. Diese Bedeutung hat sich allerdings nicht in der Fachliteratur wiedergespiegelt, die einer dringenden Aktualisierung bedurfte. Mit dem Sammelband »RechtsRock. Aufstieg und Wandel neonazistischer Jugendkultur am Beispiel Brandenburg« ist diese nun erfolgt. Die Herausgeber versammeln zahlreiche Autor*innen, die das Phänomen RechtsRock auf unterschiedlichen Ebenen beleuchten. Es finden sich sowohl Einordnungen zur Entwicklung der RechtsRock-Szene seit ihren Anfängen in den 1970er-Jahren, als auch Ausführungen zu den damit verbundenen Netzwerken der »Hammerskins« und von »Blood&Honour« über Analysen zu Frauen- und Männerbildern und Antisemitismus. Diese Vielfältigkeit ist die Stärke des vorgelegten Sammelbandes, der damit eine umfassende Einordnung ermöglicht. Ziel sei es, »Materialien für die Praxis« bereitzustellen und Informationen zu versammeln, »die in der Zivilgesellschaft, in der pädagogischen und sozialarbeiterischen Praxis, in der Verwaltung und Behörden genutzt werden können«, schreiben die Herausgeber. Dies gelingt ausnahmslos: Egal ob die Beschreibung als »Einstiegsdroge« in die extrem rechte Szene kritisch betrachtet wird oder eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Kleidungsmarke »Thor Steinar« stattfindet, die Beiträge haben vielfältige praktische Bezüge. Dass sich der Sammelband auf Brandenburg bezieht soll nicht täuschen, er besitzt bundesweite Relevanz. Nicht nur, dass die Szene ohnehin bundesweit beziehungsweise international agiert, ist Teil der Analyse, vielmehr ist Brandenburg hier als Beispiel zu sehen, an dem die Analysen durchdekliniert werden. Die Publikation endet mit der Betrachtung von Gegenstrategien, die am Beispiel Finowfurt anschaulich erläutert werden. »Eine dritte Voraussetzung für die erfolgreiche Intervention gegen RechtsRock-Konzerte ist das kooperative Vorgehen von Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung«, heißt es resümierend. Damit ist der vorgelegte Sammelband eine wichtige Aktualisierung der älteren Literatur zum Themenfeld und gleichzeitig auch für alle empfehlenswert, die sich mit RechtsRock auch außerhalb von Brandenburg beschäftigen.

Gideon Botsch / Jan Raabe / Christoph Jan Schulze (Hg.): Rechtsrock. Aufstieg und Wandel neonazistischer Jugendkultur am Beispiel Brandenburgs. Berlin-Brandenburg 2019, be.bra wissenschaftverlag, 400 Seiten, 22 Euro.

ABO
Das Antifa Magazin

alle zwei Monate
nach Hause
oder ins Büro.