Rezensionen Ausgabe 183
Von Yvonne Weyrauch, Sascha Schmidt
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020
Antifeminismus und Antifaschismus zusammendenken
von Yvonne Weyrauch
Antifeministische Ressentiments sind in den letzten Jahren sichtbarer geworden. Insbesondere aus konservativen Kreisen bis hin zur extremen Rechten kommen jene Äußerungen, die feministische Forderungen und Errungenschaften wie beispielsweise Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und LGBTIQ* verspotten, aufhalten und rückgängig machen wollen. Antifeminismus als eine historisch tiefsitzende gesamtgesellschaftliche Ideologie und Praxis zu begreifen, die von antiquierten Geschlechtervorstellungen geprägt ist und vehement patriarchale Strukturen und damit verbundene Privilegien verteidigt, ist zentrales Anliegen des Buches »Frauen*rechte und Frauen*hass« des Autor*innenkollektivs Feministische Intervention. Das Buch liefert einen guten Überblick darüber, wie sich der moderne Antifeminismus äußert und als Brückenbauer zwischen der extremen Rechten, bürgerlichen Kreisen und christlichen Fundamentalist*innen fungiert. Die Autor*innen zeigen auf, wie Antifeminismus sich zum Teil verschwörungsideologisch an einer negativen Vorstellung von Feminismus abarbeitet und dabei »toxische Männlichkeit«, als eine Geschlechterkonstruktion dem Männer und Frauen gemeinsam anhängen, verteidigt.
Die Verfasser*innen des Buches, Eike Sanders, Anna O. Berg und Judith Goetz, plädieren dafür, dem Antifeminismus in antifaschistischen beziehungsweise gesamtgesellschaftlichen Analysen deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Nicht nur die Attentate von Halle und Hanau zeigen, dass extrem rechte Gewalttaten häufig eine antifeministische Komponente haben. Genauer hinzusehen und zu analysieren, wie ideologische Versatzstücke zusammenhängen, ist ein zentrales Anliegen der Autor*innen: »Wir können Rassismus und Antisemitismus als potentiell tödlich erkennen. Wir können auch die einzelnen ideologischen Bestandteile des Rechtsextremismus als potentiell tödlich erkennen. Aber wir können nicht die Zusammenhänge zwischen antifeministischen, misogynen, rassistischen und anderen menschenverachtenden Ideologmen als in sich schlüssig und sich gegenseitig verstärkend erkennen, die Bestandteile derselben Ideologie sind.« Dem eigenen Anspruch, einen Beitrag zu einer »feministisch-antifaschistischen Analyse des herrschenden Antifeminismus in seiner Komplexität und Widersprüchlichkeit« zu leisten, wird das Buch allemal gerecht.
Autor*innenkollektiv Fe.In: Frauen*rechte und Frauen*hass. Antifeminismus und die Ethnisierung von Gewalt. Berlin 2019, Verbrecher Verlag, 199 Seiten, 15 Eurohttps://www.verbrecherverlag.de/book/detail/1004
»Umvolkung« und »Volkstod«
von Sascha Schmidt
Bereits seit längerem hat die »Alternative für Deutschland« (AfD) die vermeintlich geplante »Umvolkung« und den drohenden »Volkstod« für sich als Propagandainstrument entdeckt. Wenn der thüringische Landes- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke vom »Selbstauslöschungswahn«, oder der Bundesvorsitzende Tino Chrupalla von der »Umvolkung« sprechen, kann von einem ideologischen Brückenschlag nicht nur zu den »Identitären«, sondern auch zu neonazistischen Kameradschaften oder der Partei »Der III. Weg« gesprochen werden. Ohne sich explizit aufeinander zu beziehen, teilt man die Vorstellung von einer biologistischen Abstammungsgemeinschaft samt der damit verbundenen wahnhaften Verschwörungsfantasien. Diese Verschwörungsfantasien von »Volkstod« und »Umvolkung« sind so alt wie die völkische Ideologie selbst.
Darauf weisen die Politikwissenschaftler Christoph Kopke und Gideon Botsch in ihrem Büchlein »›Umvolkung‹ und ›Volkstod‹ – Zur Kontinuität einer extrem rechten Paranoia« hin. Mit Verweis auf klassische Texte der Weimarer Republik arbeiten die Autoren heraus, dass die »Angst vor dem Aussterben des Volkes, dem Untergang der ›Rasse‹, die Paranoia vom ›Volkstod‹ seit jeher zum Kernarsenal völkischer Degenerations- und Untergangsszenarien« gehört. Die Autoren machen zudem deutlich, dass die Warnung vor dem »Volkstod« schon immer auch eine antifeministische Komponente hatte: Die Emanzipation der Frau von der ihr zugeschriebenen Rolle als Mutter, die zentraler Bestandteil völkischer Ideologie ist, bedrohe aus Sicht völkischer Paranoiker, wie beispielsweise dem Bevölkerungswissenschaftler und Autor des Buches »Volk ohne Jugend«, Friedrich Burgdörfer, die »Fortpflanzungsfrage« von »Volk und Rasse«.
In der Nachkriegszeit setzte spätestens mit der Zuwanderung von Arbeitsmigrant*innen die Renaissance der Propaganda vom »Aussterben des deutschen Volkes« ein. Erneut argumentierte die völkische Rechte bei der Verbreitung dieser These mit antifeministischen Positionen. Nun wandte man sich gegen Schwangerschaftsabbruch und sexuelle Freizügigkeit, weil dadurch der Fortbestand »des Volkes« gefährdet, beziehungsweise der Geschlechtsakt von der Fortpflanzung getrennt sei.
Ein höchst lesenswertes Büchlein, das für den Diskurs über die ideologischen Verbindungen zwischen der AfD und der klassisch-völkischen Rechten historisch-substanzielle Argumente liefert.