Raum für RechtsRock

von Jan Raabe
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 179 - Juli / August 2019

#Konzerte

Konzerte, Festivals und Liederabende sind wichtige Momente der Ideologievermittlung, der Vergemeinschaftung und der Finanzierung der extremen Rechten. Da Aktivist*innen der Szene sich den Zugriff auf eine Reihe von Immobilien sichern konnten, steigt die Zahl der extrem rechten Musikveranstaltungen in den letzten Jahren. Immobilien sind jedoch auch Rückzugsorte: um unkontrolliert Tonträger aufnehmen zu können oder als Proberäume.

Schon in den 1990er Jahren versuchten Neonazis, eigene Immobilien zu etablieren. So zum Beispiel ab 1996 den »Club 88« in Neumünster, in dem regelmäßig auch Livemusik gespielt wurde. Vor allem jedoch mieteten die Aktivist*innen der extremen Rechten sich unter falschen Angaben die Locations für ihre Konzerte oder Liederabende. Mal sollte ein Nachwuchsband-Festival stattfinden, oft ein Geburtstag, aber auch Hochzeiten oder anderes wurden als Gründe für die Anmietung von Räumen benannt. Wurde den Vermieter*innen bewusst, wem sie ihre Räume gegeben hatten, kam es immer wieder zu kurzfristigen Kündigungen des Mietvertrags, was rechtlich relativ problemlos möglich ist, da von den Organisator*innen in der Regel falsche Angaben zum Charakter der Veranstaltung gemacht wurden. Die Besucher*innen und die manchmal von weit her angereisten Bands samt der gemieteten Soundanlage mussten auf einen Ersatzort ausweichen oder das Konzert fiel ganz aus. Durch antifaschistische Recherche und Aufklärungsarbeit sowie durch eine gestiegene Sensibilität der lokalen Verwaltungen, die genauer prüften, wer denn die Gemeindehalle für eine »Geburtstagsparty mit Livemusik« angemietet hat, wurde es immer schwieriger und finanziell riskanter, neonazistische Rockkonzerte durchzuführen. Diese Probleme sind inzwischen in vielen Regionen gelöst. Dort finden sich Vermieter*innen, die der rechten Szene nahe stehen, ihre Räume regelmäßig für extrem rechte Veranstaltungen öffnen und von den Erträgen der Neonazi-Events – durch Mieteinnahmen und Getränkeverkauf – einen erheblichen Teil ihres Lebensunterhaltes bestreiten können.


In der jüngeren Vergangenheit hat sich für Akteure des RechtsRock eine weitere Möglichkeit ergeben: Clubhäuser diverser Rocker-Gruppen beziehungsweise rockerähnlicher Gruppierungen wie die »Brigade 8« oder die »Road Crew« standen oder stehen für Konzerte oder Liederabende zur Verfügung. Das können größere Gebäude sein, in die mehrere Hundert Leute reinpassen (ehemals »Road Crew «, Lage). Manchmal sind es bessere Gartenhütten, in denen sich 30 Personen um den Liedermacher drängeln (»Brigade 8«, Weißwasser), Die ungestörten Treffen sind keine reinen Freizeitveranstaltungen, sondern dienen auch der Vernetzung. So zum Beispiel am 23. März 2019 auf dem Waldgrundstück mit Clubhaus der »Brigade 8« im sächsischen Mücka. Zu dem RechtsRock-Konzert kamen 200 Neonazis. Am Rande trafen sich die Gruppen »Brigade 8« und »Combat 18«.

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Veranstaltungsort in Thüringen: Kirchheim

Geld verdienen mit RechtsRock
Ein Beispiel für das Geldverdienen mit dem RechtsRock ist das »Veranstaltungszentrum Erfurter Kreuz«, ehemals »Erlebnisscheune« – einer der bundesweit wichtigsten Veranstaltungsorte für neonazistische Konzerte – im thüringischen Kirchheim. Sechs neonazistische Konzerte fanden hier 2018 statt, seit 2009 waren es insgesamt mindestens 70. Die Veranstalter*innen kommen nicht nur aus Thüringen, hier finden auch Konzerte der fränkischen und hessischen »Hammerskins« statt. Auch führten hier neonazistische Gruppen, beispielsweise die »Gesellschaft für freie Publizistik«, Treffen und Tagungen durch. Der Besitzer der Immobilie kann zwar der (extremen) Rechten zugerechnet werden, doch das Geldverdienen dürfte für ihn im Vordergrund stehen. Auch beim Besitzer der ehemaligen Gaststätte »Staupitz« im sächsischen Thorgau dürfte das der Fall sein. Über den Besitzer der Gaststätte ist allerdings nicht bekannt, ob er zur extremen Rechten gehört. Es ist daher naheliegend, dass er an den Konzerten Geld verdienen will. Mindestens 76 RechtsRock-Konzerte haben hier seit 2010 stattgefunden. In der Immobilie finden ausschließlich RechtsRock-Konzerte und keine Musikveranstaltungen außerhalb dieser Szene statt. Dies mag daran liegen, dass das Ordnungsamt wegen der Belästigung der Nachbarschaft maximal zehn Konzerte im Jahr genehmigt und die Neonazis diesen Rahmen voll ausschöpfen.


Ein immer noch weit verbreitetes Vorurteil ist, eine neonazistische Raumnahme sei nur im Osten möglich. Das Beispiel Hamm widerlegt das. Seit fast sechs Jahren haben Neonazis aus dem Bereich der »Freien Kameradschaften« und der Kleinstpartei »Die Rechte« eine ehemalige Kneipe am Kentroper Weg 18 gemietet, sie selbst bezeichnen ihren Treff als »Zuchthaus«. Das Gebäude wird für Treffen, Vortragsveranstaltungen, Liederabende und Konzerte genutzt. Bisher fanden dort mindestens 25 Veranstaltungen mit Musik statt. Ähnlich ist die Situation im hessischen Leun, hier wurde Ende 2013 eine Kneipe von NPDlern übernommen und wird gerade zum Konzertort um- und ausgebaut. Im saarländischen Dillingen betreiben die »Hammerskins« seit mindestens 2015 ihre »HateBar«.

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Kloster Veßra mit Besitzer Tommy Frenck auf einem Wahlplakat. © Henrik Merker


Verankerung in der Region und Eigentum
Unter anderem mit den Gewinnen aus den Konzerten, die bei mehreren hundert Besucher*innen schnell im fünfstelligen Bereich sind, konnten einige RechtsRock-Unternehmer Immobilien oder Grundstücke erwerben und zu Konzertorten ausbauen. Die Besucher*innen »ihrer« Konzerte können sich nahezu sicher sein, dass das angekündigte Event auch tatsächlich stattfindet, was wiederum die Motivation erhöht, sich auf den Weg zu machen. Mit dieser Planungssicherheit lassen sich vor allem Konzerte mit internationalen Bands und deren langen und kostspieligen Anreisen mit geringerem Risiko durchführen. Markantestes Beispiel ist die Gaststätte »Goldener Löwe« im südthüringischen Kloster Veßra. Hier veranstaltet Tommy Frenck regelmäßig Konzerte und Liederabende. Seit er 2015 die Gaststätte übernahm, waren es mindestens 49, allein 2018 waren es 11. Das Alleinstellungsmerkmal des »Goldenen Löwen« ist, dass die Gaststätte, deren Innenraum mit nationalsozialistischen Devotionalien ausstaffiert ist, regelmäßig geöffnet hat und ein ständiger Anlaufpunkt ist. Hier findet Gemeinschaftsbildung nicht nur ein oder zweimal im Monat im Rahmen eines Events statt, sondern auch im Alltag.

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Rückzugsort
Noch in den 2000er Jahren war es ein kompliziertes und bisweilen riskantes Unternehmen, illegale CDs zu produzieren. Die Berliner Neonaziband »Landser« reiste beispielsweise nach Schweden, England und Kanada, um dort in Tonstudios ihre Lieder einzuspielen. Auch das ist Vergangenheit. Neonazis verfügen heute nahezu über alles, was für die Produktion und Aufführung erforderlich ist: Druckereien, Licht- und Soundtechnik-Unternehmen und auch Tonstudios. Eines befindet sich im »Gelben Haus« in Ballstädt nahe dem thüringischen Gotha. Neonazis aus dem Kreis der Band »Sonderkommando Dirlewanger« (SKD) kauften das Haus im Jahr 2013 und zogen dort ein. Die Ballstädter Neonazis bilden heute den Kern der Neonazi-Gruppe »Turonen«, einem wichtigen Akteur im internationalen Netzwerk von »Combat 18« und »Blood&Honour«. Bis 2015 fanden auch Konzerte und Liederabende in Ballstädt statt, obwohl die Räumlichkeiten kaum mehr als 100 Besucher*innen zuließen. Schließlich fanden die Behörden rechtliche Möglichkeiten, diese weitgehend zu unterbinden. Dem engeren Kreis um die »Turonen« und das Haus in Ballstädt gehören einige Bands an, die große Überschneidungen in ihren Besetzungen haben: Neben SKD sind das »Treue Orden«, »Kommando S3«, »N.A.Z.I.«, die Schweizer »Combat 18«-Band »Amok« und das thüringisch-schweizerische Untergrundprojekt »Erschießungskommando«. Letzteres wurde durch vertonte Morddrohungen gegen Antifaschist*innen aus Thüringen bundesweit bekannt. Es ist sehr naheliegend, dass die Produktionen der genannten – und weiterer – Bands in einem professionell eingerichteten Tonstudio im »Gelben Haus« stattfanden, das von den Behörden bisher nicht angegangen wurde. Auch in der von den »Hammerskins« genutzten Immobilie in Dillingen, in der sich die »HateBar« befindet, sind Proberäume und ein Tonstudio untergebracht.

Platz für die dicken Dinger
Bisher waren die Möglichkeiten zur Veranstaltung größerer Konzerte beschränkt. Größere Veranstaltungen werden fast ausnahmslos als Kundgebungen angemeldet und finden im öffentlichen Raum statt. So zum Beispiel das »Rock für Deutschland« in Gera, das schon seit 2003 stattfindet. Diese Veranstaltungen haben aber engere Spielräume, da sie von den Ordnungsbehörden leichter reglementiert werden können. Daher suchen die Akteure des Spektrums nach anderen Gelegenheiten. Diese bieten sich aktuell im thüringischen Themar und im sächsischen Ostritz. In Themar ist es eine Wiese, die Tommy Frenck langfristig gepachtet hat. Im Juli 2017 fand dort das »Rock gegen Überfremdung II« mit über 6.000 Teilnehmenden statt. Seitdem gibt es dort regelmäßig größere Events. 2018 fanden dort erstmals die von der NPD veranstalteten »Tage der nationalen Bewegung« statt, die auch für 2019 wieder angekündigt sind. Im sächsischen Ostritz, nahe der Grenze zu Polen und zur Tschechischen Republik sind es das Gelände und die Räumlichkeiten des Hotels Neißeblick. Dessen Besitzer ist zwar ehemaliges NPD-Mitglied, betont aber, wegen des Geldes zu vermieten. Seit 2018 fanden hier zum Beispiel die von Thorsten Heise organisierten »Schild und Schwert«- Festivals statt, die nicht nur Musik, sondern auch Kampfsport, Tattoo-Convention und Vortragsveranstaltungen boten und bis zu 1.300 Besucher*innen anzogen.


Manchen ist Ostritz jedoch offensichtlich zu weit weg. Die Ausrichter des neonazistischen Kampfsport-Events »Kampf der Nibelungen« (KdN), das im letzten Jahr im Rahmen des »Schild und Schwert«-Festivals in Ostritz stattgefunden hat, suchten »eine Halle für den KDN 2019. Es kann eine Eventhalle, Disco oder Stadthalle sein. Voraussetzung wäre Platz für ca. 1000 Zuschauer«, so schrieben sie. Gefunden haben sie scheinbar nichts Passendes, auch 2019 sollte der KdN wieder in Ostritz stattfinden. Kurz vor dem Festivalwochenende am 21. bis 22. Juni 2019 wurde in Ermangelung der »passenden Anpaarungen« der »Kampf der Nibelungen« abgesagt.