»Überrascht haben mich die Berichte nicht.«

von Sascha Schmidt

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 178 - Mai / Juni 2019

#Interview

In jüngster Zeit sind zahlreiche extrem rechte Vorkommnisse innerhalb verschiedener Polizeibehörden der Öffentlichkeit bekannt geworden. Hierüber sprach Sascha Schmidt für »der rechte rand« mit Alexander Bosch von der Themenkoordinationsgruppe Polizei und Menschenrechte von »amnesty international«.

AntifaMagzin der rechte rand
Darf ein Polizist einen jungen Mann auf einer Demonstration am Hals würgen?
© Mark Mühlhaus / attenzione

drr: Herr Bosch, Sie sind aktiv in der Themenkoordinationsgruppe Polizei und Menschenrechte von »amnesty international«. Aus welcher Motivation heraus hat sich die Gruppe gegründet und was sind ihre Hauptthemengebiete?
Alexander Bosch: Die Gruppe wurde in den 1990ern gegründet, um auf menschenrechtswidriges Polizeiverhalten aufmerksam zu machen und dieses zu reduzieren. Am Anfang vor allem im Ausland, schnell hat sich der Fokus jedoch auf die Situation in Deutschland verschoben. Aktuell arbeiten wir zu den Polizeirechtsverschärfungen in verschiedenen Bundesländern, Racial Profiling und rechtswidriger Polizeigewalt. Des Weiteren fordern wir die Umsetzung der individuellen Kennzeichnungspflicht in ganz Deutschland sowie die Einrichtung unabhängiger Kontrollmechanismen für die Polizei.

Sie berichten im Rahmen ihrer Arbeit wiederkehrend von Racial Profiling. Diese Form der Kontroll- und Ermittlungsmaßnahmen durch PolizeibeamtInnen gilt KritikerInnen als Ausdruck eines institutionellen Rassismus innerhalb der Polizei. Wie stark ist Ihrer Meinung nach Rassismus als einerseits unbewusstes, andererseits auch bewusstes Phänomen in der Polizei verbreitet?
Eine schwierige Frage, weil es leider immer noch an unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu Einstellungen von deutschen PolizistInnen fehlt und Rassismus in der deutschen Polizei auch immer noch falsch verstanden wird. Rassismus wird vorrangig als individuelles Phänomen begriffen und nicht als allgemeine strukturelle Logik des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dies führt dazu, dass viele PolizistInnen nicht verstehen, dass Rassismus nicht-intentional reproduziert werden kann und man auch unbewusst rassistisch handeln kann. Dadurch versetzt man sich in die Lage das Problem klein zu reden oder gar zu negieren. Dies führt wiederum dazu, dass innerhalb der deutschen Polizeibehörden tägliches rassistisches Handeln nicht wirklich reflektiert und reduziert werden kann. Ich nehme PolizistInnen durchaus ab, dass sie nicht rassistisch handeln wollen, aber die beschriebenen Mechanismen bedingen ein solches Verhalten. Daher sollten zwingend die Erkenntnisse der ideologiekritischen Rassismusforschung in die Polizei-Aus- und Fortbildung integriert werden.

Haben Sie die Berichte über Chat-Guppen, in denen Hakenkreuzbilder versendet wurden, oder über extrem rechte Verbindungen innerhalb der Polizei überrascht? Wie häufig sind Sie mit solchen Ereignissen konfrontiert und wie würden Sie rückblickend auf die letzten Jahre das Problem quantitativ bewerten?
Überrascht haben mich persönlich die Berichte nicht. Schon zu Zeiten der extrem rechten Partei »Die Republikaner« waren leider viele PolizistInnen anfällig für die rechten, autoritären und rassistischen Positionen dieser Partei. Aktuell sind die Grenzen zwischen den Positionen von CSU/CDU, dem Vorsitzenden der »Deutschen Polizeigewerkschaft« (DPolG), Rainer Wendt, und der extrem rechten AfD teilweise fließend. Insgesamt hat sich das Klima in Deutschland ja verschärft. Rassistische Positionen sind bis ins linksliberale Bildungsbürgertum wieder salonfähig geworden. Warum sollten PolizistInnen davon verschont bleiben? Uns wurde eigentlich seit Beginn unserer Arbeit rassistisches Polizeiverhalten gemeldet. Für uns ist das also ein kontinuierliches Problem, das jetzt qualitativ noch mal, durch die bekannt gewordenen rechten Netzwerke in Polizei, Bundeswehr und Verfassungsschutz, eine neue Dimension bekommen hat.

Welche Erfahrungen gibt es diesbezüglich mit Reaktionen seitens der jeweiligen Dienstbehörden oder der obersten Dienstbehörde in den Innenministerien?
Gemischt: Während der Kampagne zu rassistischer Gewalt in Deutschland 2016 habe ich durchaus Beamte und PolitikerInnen kennen gelernt, die sehr sensibilisiert waren, aber auch viele, die das Ausmaß und die Struktur des Problems nicht erkennen konnten oder wollten. Aktuell beobachte ich, dass trotz täglicher »Einzelfälle« Politik, Polizei und Polizeigewerkschaften weiterhin diese Fälle runterspielen und sich dem Problem nicht wirklich stellen wollen. Ein fatales Signal für alle Opfer rassistischer Gewalt in Deutschland!

Welche Empfehlungen zum Umgang mit Rassismus in den Behörden oder extrem rechts orientierten Personen formuliert Ihre Gruppe?
Wir fordern eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zu rassistischen und extrem rechten Einstellungen in der Polizei. Des Weiteren fordern wir die Vermittlung von Erkenntnissen aus der Rassismusforschung in der Aus- und Fortbildung sowie unabhängige Kontrollinstanzen für die Polizei. Letztere würden die Chance bieten, dass sich PolizistInnen selbst an diese Institutionen wenden könnten, wenn sie rassistisches Verhalten beobachten oder extrem rechte KollegInnen wahrnehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!