Rechte in der Polizei
von Benno Pfahl
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 178 - Mai / Juni 2019
#Uniformierte
Die aktuellen Polizeiskandale sind keine Einzelfälle. Doch öffentliche Debatten und Konsequenzen sind selten.
Am 1. Mai 2019 wurde in einem Auto der Duisburger Polizei ein Aufkleber der »Identitären Bewegung« hinter einer Sonnenblende entdeckt. In Berlin traf sich ein Beamter des Landeskriminalamtes in einer Kneipe mit einem Neonazi, der verdächtigt wird, an Brandanschlägen gegen politische GegnerInnen beteiligt gewesen zu sein. Eine Anwältin aus Frankfurt/Main wurde offenbar aus Kreisen der Polizei mit rassistischen Schreiben (»NSU 2.0«) terrorisiert, gegen 17 BeamtInnen wird in Hessen zur Zeit wegen »Rechtsextremismusverdachts« ermittelt. Bayern feuerte jüngst zwei Polizisten wegen ihrer Nähe zu den »Reichsbürgern« und auf der Landtagsliste der Thüringer AfD kandidieren mehrere Polizisten. Zuletzt kam eine Reihe solcher Fälle ans Licht – alles nur »Einzelfälle«, wie die Zuständigen betonten.
Wer überrascht ist, dass sich unter PolizistInnen auch Rechte finden, muss die Augen fest verschlossen haben. Die Polizei sei bloß, so heißt es gerne, ein Spiegelbild der Gesellschaft, wenn wieder einmal »Einzelfälle« bagatellisiert werden sollen. Das ist einerseits richtig: Eine Gesellschaft, in der Rassismus und andere rechte Einstellungen weit verbreitet sind, bekommt auch eine Polizei mit entsprechenden Positionen. Andererseits sind die Sicherheitsbehörden aber gerade eben kein Spiegelbild der modernen Gesellschaft. Denn in Institutionen wie der Polizei finden sich bestimmte Menschen häufiger als andere: Linke finden sich selten, Libertäre oder gar streng Gewaltfreie dürften hier ExotInnen sein. Frauen sind weiterhin deutlich unterrepräsentiert, ebenso Menschen mit Migrationshintergrund – und Personen ohne deutschen Pass schaffen es gleich gar nicht in den BeamtInnenapparat. Ein Spiegel der Gesellschaft ist das nicht. Der Zugang ist ausschließend – auch wenn er völlig anders sortiert als der Zugang zu den ökonomischen oder politischen Eliten. Bei der Polizei dürfte eine gewisse autoritäre Orientierung ebenso Konsens sein wie ein Korpsgeist gegenüber Kritik von außen und gegen »Störenfriede« in den eigenen Reihen. In diesem Milieu können antidemokratische Einstellungen und Praktiken gedeihen – sie müssen in der Institution nicht einmal übermäßig verbreitet sein. Um dennoch fatale Folgen zu erzeugen und sich zu verselbstständigen, werden sie nicht konsequent eingedämmt. Denn – und das sind entscheidende Unterschiede – sie werden hier dank des Zusammenhalts seltener sanktioniert und sie entfalten vor allem eine ganz andere Wirkmächtigkeit, sind sie doch mit Knüppel, Pistole, gesellschaftlicher Glaubwürdigkeit und hoher juristischer Unantastbarkeit ausgestattet.
Rechte in der deutschen Polizei, das ist keine neue Erkenntnis. Die Geschichte der Polizei im NS ist ausreichend gut aufgearbeitet, um zu wissen: Sie war willfähige Helferin der faschistischen Mordmaschine. Dass sich Denkweisen fortsetzten und auch teils das gleiche Personal nach 1945 weiter im Apparat war, auch das ist belegt. Antikommunismus als Staatsdoktrin, der Einsatz gegen Linke und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik, aufgeflogene Neonazis in der Polizei oder rücksichtsvolle Ermittlungen gegen Rechts – niemand kann es bestreiten: Hier ein rechter Waffenhändler in der Berliner Polizeireserve, dort überproportionale Wähleranteile für die Rechtspartei »Die Republikaner« Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre oder rassistische Karikaturen in einem Kalender einer Polizeigewerkschaft. Nach den rassistischen und neonazistischen Ausschreitungen in Chemnitz und dem teils skandalösen Agieren der dortigen Polizei kommentierte Hajo Funke, Professor für Politikwissenschaft: »Ich gehe davon aus, dass die Polizei und andere Sicherheitsbehörden in Chemnitz und in Sachsen in Teilen von rechts unterwandert sind.« Einzelfälle über Einzelfälle.
Die organisierte Abwehr gegen Kritik ist hoch. Als Ende 2018 zum Beispiel in einer Anhörung der »Enquete-Kommission Rassismus« des Thüringer Landtages Diskriminierung durch die Polizei kritisiert und mit Beispielen belegt wurde, war die Empörung bei Polizeigewerkschaften, CDU und AfD groß. Medial wurde ihrer Position – wieder einmal – mehr Aufmerksamkeit und Glauben geschenkt als den Erfahrungen der Opfer von »Racial Profiling«. Dabei stehen auch PolizistInnen in der Bundesrepublik immer wieder im Visier von Rechten – bis hin zum Mord: 2016 erschoss ein »Reichsbürger« in Georgensgmünd einen Polizisten, 2007 tötete der »Nationalsozialistische Untergrund« Michèle Kiesewetter in Heilbronn, 2000 ermordete Neonazi Michael Berger drei Beamten und 1997 erschoss Neonazi Kay Diesner einen Polizisten.
http://Bürgerrechte & Polizei/CILIP/
Aber auch die Wissenschaft und antifaschistische Recherche zeigten Leerstellen. Nicht nur große Medien meiden das Thema, wenn es nicht gerade dank eines Skandals unumgänglich wird oder Auflage verspricht. Studien zu »Racial Profiling« oder rassistischer Polizeigewalt gibt es inzwischen eine Reihe; doch zum allgemeinen Verhältnis von Polizei und der extremen Rechten oder zu politischen Einstellungen von PolizistInnen liegen kaum aktuelle Studien oder fundierte journalistische Arbeiten vor. Zuletzt wurden in den 1990er Jahren empirische Daten über rechte Einstellungen in der Polizei erhoben. Es ehrt, dass einzelne Zeitschriften (»Bürgerrechte & Polizei/CILIP«) und antifaschistische Blätter das Thema immer wieder aufgreifen. Doch selbst in diesem Spektrum – inklusive »der rechte rand« – scheint es schwierig zu sein, den Braunlicht-Komplex systematisch und kontinuierlich zu dokumentieren und zu analysieren.