Kulturkampf in der Bildungspolitik

von Florian Schubert

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 179 - Juli / August 2019

#Schule

Auf Drängen der »Alternative für Deutschland« ließ die Hamburger Schulbehörde antifaschistische Aufkleber in der Ida Ehre Schule entfernen. Der Konflikt steht sinnbildlich für die Ausweitung des Kulturkampfes der Rechten auf den Bereich Schule.

Antifa Magazin der rechte rand
Antifa © Mark Mühlhaus

Seit dem Einzug der »Alternative für Deutschland« (AfD) in die Hamburgische Bürgerschaft im Jahr 2015 versucht die Partei, sich in die Bildungspolitik der Hansestadt einzumischen. Regelmäßig stellt sie in der Bürgerschaft Anfragen zu Themen im Bildungsbereich, die jedoch von der Öffentlichkeit lange kaum wahrgenommen wurden ­(s. @derrechterand 175).

Erst die Einrichtung des bundesweit ersten AfD-Online-Portals zur Meldung von AfD-kritischen Lehrer*innen im September 2018 sorgte für bundesweite Aufmerksamkeit. Das Portal ruft Schüler*innen dazu auf, vermutete Verstöße gegen eine von der AfD definierte politische Neutralität anonym zu melden. Des Weiteren sollen Schulen und Lehrer*innen gemeldet, beziehungsweise denunziert werden, die sich kritisch mit der Rechtspartei auseinandersetzen. Große Enthüllungen oder Denunziationen von Lehrkräften blieben bisher jedoch aus. Als im Dezember 2018 in Hamburg gegen das AfD-Portal demonstriert wurde, stellte die Partei im Nachgang eine Anfrage unter dem Titel »Gemeinsame Anti-AfD-Demonstration Hamburger Lehrer mit Linksextremisten«. Darin wollte die Partei wissen, ob das »wiederholte Skandieren der Parole ‹Ganz Hamburg hasst die AfD› einzelner Lehrer auf der Demonstration« mit dem Beamtenstatusgesetz vereinbar wäre.

Viele Anfragen – wenig Bildungspolitik
Die AfD Hamburg hat seit ihrem Einzug in die Bürgerschaft eine hohe zweistellige Zahl an Kleinen und Großen bildungspolitischen Anfragen gestellt. Unter anderem, ob das Schulessen an einer Grundschule aus religiösen Gründen Schweinefleisch-frei sei (Juni 2019). Einige der Anfragen zielten auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Lehrkräfte ab. Vor allem Veranstaltungen, in denen sich kritisch oder gar ablehnend mit AfD-Positionen beschäftigt wird, sind der Partei ein Dorn im Auge. Diese versucht sie mit dem Vorwurf der Verletzung der politischen Neutralität zu diskreditieren. Ihr Eigeninteresse bei diesem Vorgehen tarnt die AfD indem sie vorgibt, lediglich am Wohle der Schüler*innen interessiert zu sein. Wirkliche bildungspolitische Fragen stellt sie jedoch nicht. Vielmehr nutzt sie Anfragen, um sich zu inszenieren und Aufmerksamkeit zu erhalten.
Seitdem das »Melde-Portal« Online gegangen ist, haben sich Kollegien von rund 15 Schulen gegen seine Einrichtung ausgesprochen. In zum Teil sehr deutlichen Stellungnahmen wurde das AfD-Portal angegriffen und in dem Zusammenhang eine rassistische und menschenverachtende Politik als gesellschaftliches Problem kritisiert. Schulen, die solche Erklärungen auf ihrer Schulhomepage veröffentlichen, werden im Gegenzug durch Anfragen zum Gegenstand der Bürgerschaft gemacht. Neben der stets wiederkehrenden Frage nach einem Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, will die AfD zudem wissen, wer für die Veröffentlichung des Briefes verantwortlich ist und ob Lehrkräfte unter Druck gesetzt würden, die Briefe zu unterzeichnen.

Schulbehörde hält Druck nicht stand
Wurden die bisherigen Anfragen der AfD von der Schulbehörde meist zurückgewiesen, änderte sich diese Praxis bei den offenen Briefen der Kollegien zumindest an einem Punkt: Die Schulbehörde antwortete im Februar 2019 auf eine AfD-Anfrage und betonte, dass zwar die Briefe durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien, jedoch »die Veröffentlichung eines Briefes, der die Meinung des Lehrerkollegiums widerspiegelt« auf der Schulhomepage nicht zulässig sei. Die Schulaufsicht wies daher die Schulleitung an, den offenen Brief von der Homepage zu entfernen.
Noch stärker griff die Schulbehörde, im Sinne der AfD, im März 2019 ein, nachdem die Partei eine Anfrage unter dem Titel »Verfassungsfeindliche linksextremistische Aktivitäten an der Ida Ehre Schule unter Duldung des Lehrerkollegiums und der Schulleitung« stellte. Zwar verwies die Schulbehörde auf die Meinungsfreiheit der Schüler*innen im Unterricht, betonte jedoch, dass politische Werbung an Schulen unzulässig sei. Aus diesem Grund habe die Schulbehörde eine Begehung des Schulgebäudes vorgenommen und antifaschistische Aufkleber entfernen lassen. Außerdem sollte sich das Kollegium der Schule mit der Thematik befassen. Breites Unverständnis rief vor allem hervor, dass die Schulbehörde in den Hamburger Frühjahrsferien aktiv wurde, so dass Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern erst nach den Ferien von dem Vorgehen erfuhren und entsprechend darauf reagieren konnten. Das Verhalten der Behörde nutzte die AfD wiederum, um einen Tag nach Schulbeginn zu erklären, ein »linksextremistisches Netzwerk an (der) Stadtteilschule« aufgedeckt zu haben.

Abendblatt befeuert AfD-Thesen
Hatte es die Partei bisher, mit Ausnahme der aus ihrer Sicht kritischen Berichterstattung über das »Melde-Portal«, schwer, mit ihren bildungspolitischen Anfragen und Forderungen wahrgenommen zu werden, titelte das Hamburger Abendblatt am 19. März 2019: »Linksextremisten agieren ungestört an Schule«. Die Zeitung bezeichnete die Schüler*innen als gewaltverherrlichend und Lehrkräfte als naiv oder als ‹Extremismus›-Befürworter*innen – alles ohne mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen. Mehrere Tage lang beherrschte die AfD-Sicht die mediale Debatte und setzte damit die Schule, Lehrer*innen und Schüler*innen massiv unter Druck. Besonders auffallend hierbei: Während die Schulbehörde in den Ferien noch tatkräftig agierte, schwieg sie gegenüber der denunziatorischen Berichterstattung. Zwei Tage später, am 21. März 2019, bezog die Schulleitung der Ida Ehre Schule mit einer deutlichen Stellungnahme Position. Scharf wurden die Medien für ihre fahrlässige Übernahme der AfD-Darstellungen kritisiert und der vermeintlich offiziellen Version widersprochen. Die Beseitigung der Aufkleber durch die Schulbehörde wurde als Eingriff in die Unterrichtsgestaltung bezeichnet, da die monierten Aufkleber im Rahmen eines Projektvorhabens »Kunst als kulturelle Kompetenz« gezeigt wurden und nicht öffentlich zugänglich waren. Ein Foto, welches als »politische Werbung für eine gewaltverherrlichende Gruppe« dargestellt wurde, war im Rahmen eines von der Stadt ausgeschriebenen Wettbewerbs entstanden. In der Stellungnahme kritisierte die Schule, »dass im aktuellen Diskurs eine Verschiebung in die Richtung stattfindet, dass Antifaschismus an Schulen nicht gewünscht sei oder der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung widerspreche.« Vielmehr, so die Schule, gelte das Gegenteil: »Ohne einen konsequenten Antifaschismus ist dies nicht möglich.« Man werde weiterhin »dazu beitragen, Schüler*innen zu befähigen, die Geschicke der Welt als mündige Bürger*innen im Rahmen einer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung zu einem Besseren zu entwickeln.«

Welle der Solidarität
Kurz nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe wurde die Schule durch Solidaritäts-Bekundungen ehemaliger Schüler*innen, Eltern, anderer Schulen und ihrer Kollegien, Gewerkschaften so wie vieler weiterer Menschen unterstützt. Schließlich fand am 24. März eine große Solidaritätsdemonstration mit 3.000 Teilnehmenden statt. Offenbar als Reaktion darauf änderte das Abendblatt den Tenor seiner Berichterstattung. Auffallend still verhielten sich bis heute der Schulsenator Ties Rabe (SPD) und die Schulbehörde. Die AfD setzte ihrerseits weiter auf Denunziation und behauptete, die Demonstration sei »nachweislich von gewaltorientierten Linksextremisten beworben« worden. Auf die in der Bürgerschaft gestellte Frage nach der Beteiligung von Lehrkräften verwies die Schulbehörde lediglich darauf, »keine Kenntnisse über das Freizeitverhalten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter« zu haben. Vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) wollte die AfD wissen, wie hoch die Anzahl der Schüler*innen an der Ida Ehre Schule eingeschätzt werde, die aktive »Anhänger der linksextremistischen Gruppierung ‹Antifa Altona Ost›« seien? Nach Angabe des LfV lägen diesbezüglich keine Informationen dazu vor. Letztlich kann festgehalten werden, dass die Angriffe auf die Ida Ehre Schule durch die breite Solidarität weitgehend zurückgedrängt werden konnten.

Hamburg als Blaupause für bundesweite Strategie?
Für kurze Zeit sah es so aus, dass die AfD ihr Ziel erreichen und eine Schule für ihr antifaschistisches Engagement bestraft werden könne. Die Strategie dazu ist offensichtlich und hinlänglich bekannt: Die Partei versucht mit ihren Positionen und Grenzüberschreitungen das diskursive Klima weiter nach rechts zu verschieben, jammert dabei fortwährend über ein angebliches gesellschaftliches Meinungsverbot, will ihrerseits dieses jedoch an den Schulen stark einschränken. Mit Hilfe Kleiner und Großer Anfragen versucht sie Einfluss auf den Unterricht und die politische Meinungsbildung an Schulen zu nehmen. Diese Strategie scheint die AfD mittlerweile auch bundesweit als erfolgversprechender zu erachten als ihre Meldeportale. Bei einem Treffen aller Landtagsfraktionen im September 2018, wurde beschlossen, dieses Vorgehen in Zukunft verstärkt anzuwenden. Vorreiter sollen Sachsen-Anhalt und Brandenburg sein. Im Zentrum der Argumentation soll weiterhin die vermeintliche Verletzung politischer Neutralität durch Schulen und Lehrkräfte stehen. Dabei setzt die AfD auf Drohungen und Unterlassungsforderungen, scheut aber die politische Auseinandersetzung zur Sache selbst. Es geht ihr dabei um nicht weniger als einen Kulturkampf von rechts. Im Fokus stehen jedoch nicht nur Schulen und Bildungseinrichtungen, sondern auch Theater, Kulturschaffende und Initiativen, die sich gegen Rassismus und für eine offene Gesellschaft engagieren. Ihnen allen wird – in unterschiedlichen Akzentuierungen – neben dem vermeintlichen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht eine vermeintliche Nähe zum »Linksextremismus« und zu »politischen Gewalttätern« vorgeworfen. Es gilt diesem Kulturkampf von rechts eine Kultur der antifaschistischen Solidarität entgegen zu stellen.