Die Polizei im demokratischen Rechtsstaat

von Maximilian Pichl

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 178 - Mai / Juni 2019

#Apparat

Magazin der rechte rand
© Mark Mühlhaus / attenzione

Eine Kaskade von Skandalen hat in den vergangenen Monaten in breiten Teilen der Öffentlichkeit die Frage aufgeworfen, ob es in der Polizei extrem rechte Netzwerke gebe oder der Apparat ein strukturelles Problem mit Rassismus habe. Dass es überhaupt zu dieser Debatte kam, ist auf die Arbeit von investigativen JournalistInnen, kritischen AnwältInnen und antifaschistischen Initiativen zurückzuführen, die einige der Fälle zum Teil überhaupt erst publik gemacht haben. Unabhängig von einer Bewertung dieser Vorfälle im Einzelnen stellt sich allerdings die Frage, welcher immanente Anspruch eigentlich an einen Apparat wie die Polizei in einem demokratischen Rechtsstaat zu stellen ist. Dabei müssen meines Erachtens zwei Ebenen der Kritik und der normativen Erwartungen an die Polizei unterschieden werden: eine Bewertung der Polizei anhand ihrer eigenen rechtsstaatlichen Maßstäbe und eine grundsätzliche Kritik der Polizei.

Maximilian Pichl
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“Racial Profiling” und Bodycams
Schon auf der ersten Ebene der Kritik lässt sich konstatieren, dass die Polizei als Vollzugsorgan in einem demokratischen Gemeinwesen ein genuines Eigeninteresse daran haben sollte, extrem rechtes Gedankengut oder rassistische Maßnahmen innerhalb des eigenen Apparates zu unterbinden. Die Polizei ist im Rahmen der Gewaltenteilung dazu verpflichtet, ihre Einsätze auf eine Art und Weise durchzuführen, welche die subjektiven Grundrechte jedes Einzelnen schützt, das heißt sie muss zugleich die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes wahren. Maßnahmen wie Racial Profiling, bei dem die Polizei gerade aufgrund äußerer Merkmale Menschen ungleich behandelt, widersprechen diesem normativen Auftrag an die Exekutive. Doch selbst Gerichtsurteile, die festgestellt haben, dass es bei Polizeieinsätzen zu rassistischen Kontrollexzessen gekommen ist, führen in der Regel nicht zu einer selbstkritischen Einsicht im Polizeiapparat. Vor allem die deutschen Polizeigewerkschaften streiten vehement den Vorwurf ab, die Polizei wende mitunter rassistische Maßnahmen an. Auf diese Weise werden problematische Strukturen in der Polizei verteidigt und zugleich eine rechtsstaatliche Selbstbeschränkung unterbunden, die der Polizei aus sich selbst heraus Handlungsoptionen eröffnen könnte, um ihre Arbeit auf Verfassungskonformität hin zu überprüfen.


Ein anderes Beispiel, das zeigt, dass die Polizei den Anspruch an eine transparente und rechtsstaatliche Kontrolle konterkariert, sind die neu eingeführten Body-Cams. Solche am Körper befestigten Kameras sollen demnächst die rund 20.000 BeamtInnen der Bundespolizei erhalten. Doch während die Einführung von Body-Cams in den USA ursprünglich aus einem bürgerrechtlichen Impetus erfolgte, um rechtswidriges Verhalten von PolizeibeamtInnen zu dokumentieren, sollen die Aufnahmen laut einer internen Dienstvereinbarung aus dem Bundesinnenministerium eben nur zur polizeilichen Beweissicherung dienen, aber nicht um Vorwürfe von BürgerInnen zu überprüfen. Eine solche Vereinbarung schützt den Apparat, nicht die BürgerInnen.

Kein Widerspruch zu extrem rechtem Gedankengut
Doch gesetzt den Fall, die wenigen rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen würden angewendet werden, so lässt sich dennoch auf einer grundsätzlichen Ebene der Einwand erheben, dass sich auf diese Weise nicht die strukturellen Probleme im Polizeiapparat lösen lassen. Denn ob Personen mit einem extrem rechten Gedankengut in der Polizei beschäftigt sind und möglicherweise entsprechende Netzwerke knüpfen, ist keine Frage, die sich auf der gesetzgeberischen Ebene lösen lässt. Personen mit extrem rechtem Gedankengut sehen mitunter keinen Widerspruch darin, für einen Apparat wie die Polizei zu arbeiten, der formal im Dienst des demokratischen Rechtsstaats stehen sollte. Autoritäre Charaktere werden vielmehr durch die eigentliche Funktion der Polizei angelockt, die darin besteht, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Die extreme Rechte wendet sich ja nicht gegen die staatliche Gewalt, sondern sie will das Machtpotential der Exekutive auf eine andere Art und Weise einsetzen, zum Beispiel um die eigene rassistische Ideologie durchzusetzen. Ohnehin gibt es das Problem, dass sich die Exekutivgewalt im bürgerlichen Staat von ihren eigenen rechtsstaatlichen Bindungen lösen und verselbstständigen kann.

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Eine Kritik an der Polizei muss also auf zwei Ebenen ansetzen: Sie muss erstens die rechtsstaatlichen Maßstäbe verteidigen und gegenüber polizeilichen Exzessen Schranken ihrer Betätigung mobilisieren. Sie muss aber zweitens auch eine Kritik des staatlichen Gewaltmonopols formulieren, das der extremen Rechten Zugänge in den Staat ebnet.