Rezensionen Ausgabe 178
Von Sascha Schmidt, Paul Wellsow
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 178 - Mai / Juni 2019
Rechte in den Kommunen
von Paul Wellsow
Ihren Machtanspruch formulieren sie deutlich: »Wir werden die Macht bekommen – und dann werden wir das durchsetzen (…), was notwendig ist, damit wir auch in Zukunft noch unser freies Leben leben können«, sagte der faschistische Politiker der »Alternative für Deutschland« (AfD) Björn Höcke im Januar 2018. Dafür sei es nötig, in der Gesellschaft verankert zu sein. Ausdrücklich forderte er daher: »Jetzt müssen wir die kommunalpolitische Ebene in Angriff nehmen«.
Ende Mai 2019 finden in zehn Bundesländern Kommunalwahlen statt. Etwa 125.000 Sitze in gut 12.700 Gremien werden neu vergeben. Für die Rosa-Luxemburg-Stiftung haben Tilo Giesbers und Anika Taschke die Studie »Rät*innen gegen Rechts« vorgelegt, ein aktueller Einstieg ins Thema. In ihrem einführenden Überblick zeigen sie, dass Parteien der radikalen Rechten in der Bundesrepublik seit Ende der 1940er Jahre immer wieder in Kommunalparlamenten saßen. Derzeit zählen die AutorInnen etwa 2.420 Kommunalmandate rechts der CDU/CSU. 1.561 Mandate entfielen bei den letzten Wahlen auf die AfD, etwa 378 auf die NPD und ihr nahestehende Listen.
Bei den kommenden Wahlen wird die AfD stärker werden – teils auf Kosten anderer Rechtsparteien, aber vor allem, weil sie inzwischen gestärkt ist und in mehr Regionen antritt. Die Zahl der rechten Mandate werde sich »deutlich mehr als verdoppeln«, warnen Giesbers und Taschke. Und sie weisen darauf hin, dass – anders als zumeist die NPD oder andere Rechtsparteien bisher – die AfD gerade auf der kommunalen Ebene Teil politischer Bündnisse werden könne. In einem schnellen Ritt durch zentrale Themenfelder – von Bildung, Demokratie, Migration, Geschichtspolitik über Soziales oder Umwelt bis hin zu Wirtschaft und weiteren kommunalrelevanten Fragen – zeigen die AutorInnen anhand von Anträgen, Reden oder anderen Aktivitäten, wie rechte Kommunalpolitik konkret aussieht. Die Publikation schließt mit Tipps zum Umgang mit Rechten in den Kommunalparlamenten.
Bei der Darstellung der Themen der Rechten und den Tipps zum Umgang mit der Rechten hätte hier und da mehr Tiefe gut getan. Doch die fundierte Publikation kommt genau zur rechten Zeit – passend zu den Wahlen und vor allem rechtzeitig zur praktischen Vorbereitung auf den künftigen Umgang mit der radikalen Rechten in Stadträten oder Kreistagen.
Herausforderungen für kritische Rechtsextremismusforschung
von Sascha Schmidt
Mit dem Aufkommen der »Alternative für Deutschland« (AfD) und anderer neuer rechter Bewegungen ging eine Verbreiterung des (extrem) rechten Feldes einher. Vielfach ließ sich zudem eine Durchmischung von vormals voneinander getrennt agierenden und heterogenen Milieus beobachten. Diese Entwicklungen, sowie der damit häufig in Verbindung gebrachte, unterkomplexe Begriff »Rechtspopulismus« (RP), stellen für eine »sich kritisch verstehende Rechtsextremismusforschung hohe Anforderungen« dar, so die Herausgeber des Sammelbandes »Das Gesicht des völkischen Populismus« Alexander Häusler und Helmut Kellershohn. Die grundsätzliche Aufgabe einer solchen Forschung sehen die beiden Wissenschaftler darin, »aktuelle Entwicklungen auf dem rechten Feld in gesellschaftskritischer Hinsicht zu analysieren, zu kontextualisieren und deren wirkmächtigen Potenziale herauszuarbeiten«. Diesem Vorhaben widmen sich in dem vom »Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung« (DISS) herausgegebenen Band zwölf im Forschungsfeld erfahrene WissenschaftlerInnen. Gegliedert ist das Buch in zwei Teile: Der erste Teil zielt auf die »Erkundung der Lage« im Kontext RP ab. Darin analysiert beispielsweise Ralf Ptak die Entwicklungen des RP vor dem Hintergrund des in die Krise geratenen Neoliberalismus. Richard Gebhardt deutet demgegenüber den Rechtsruck als Ausdruck eines »Kulturkampfes«. Kellershohn setzt sich mit der Bedeutung des Völkischen zur Charakterisierung rechter Bewegungen auseinander. Zudem thematisiert er die Rolle der Zeitschrift »Junge Freiheit« für die AfD und die »Neue Rechte«.
Häusler erörtert die politische Verortbarkeit des Rechtsruckes in der BRD und der AfD. Im zweiten Teil sondieren die AutorInnen methodische Ansätze, Forschungsfelder und universitäre Herausforderungen für eine kritische Forschung. Beispielsweise fordert Beate Küpper einen »multidisziplinären Zugang«. Sie selber vertritt eine sozialpsychologische Sicht auf das Themenfeld. Andreas Kemper erörtert Potenziale einer internetgestützten Diskursforschung zum Antifeminismus. Fabian Virchow formuliert Anforderungen an eine gegenwartsbezogene Faschimusforschung – und Juliane Lang plädiert für eine stärkere analytische Beachtung geschlechterreflektierender Perspektiven.
Ein (nicht nur) für WissenschaftlerInnen, die im Themenfeld arbeiten, empfehlenswertes, weil anregendes und kenntnisreiches Buch.
Von Neonazis und Superhelden
von Sascha Schmidt
Im Sommer 2017 sorgte ein Konzert im thüringischen Themar für bundesweite Aufmerksamkeit.
In dem beschaulichen 2.900-Seelen-Dorf fand eines der größten RechtsRock-Konzerte in der Geschichte der Bundesrepublik statt. Mehr als 6.000 Neonazis nahmen – unter »Sieg Heil«-Rufen – an dem Konzert teil. Nachfolgend fanden in den kommenden Monaten – wenn auch in deutlich kleinerem Maßstab – weitere neonazistische Musikveranstaltungen auf der von einem ehemaligen Mitglied der »Alternative für Deutschland« (AfD) zur Verfügung gestellten Wiese am Dorfrand statt. Mittlerweile haben auch Mitglieder der neonazistischen Kleinstpartei »Der III. Weg« das Dorf, in dem die AfD mit 26,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2017 stärkste Kraft wurde, für ihre Aktionen entdeckt. Doch es regt sich seit längerer Zeit auch Widerstand – organisiert von einigen DorfbewohnerInnen.
Der Journalist und Filmemacher Adrian Oeser hat sich für eine Film-Dokumentation nach Themar begeben, um sich einen Eindruck von dem Ort und der dort vorherrschenden politischen Stimmung zu verschaffen. Dafür führte Oeser zahlreiche Interviews – sowohl mit GegnerInnen, als auch mit VerharmloserInnen oder klammheimlichen BefürworterInnen des Neonazi-Treibens – und stieß dabei auf eine polarisierte Dorfgesellschaft. Oeser beleuchtet in seiner Dokumentation auch die Neonaziaktivitäten vor Ort. Dafür begleitete er PolitikerInnen und PolizeibeamtInnen bei ihren Rundgängen auf dem Konzertareal und interviewte sowohl GegnerInnen und KennerInnen der Szene, wie die thüringische Landtagsabgeordnete der Partei »Die Linke«, Katharina König-Preuss, als auch Thommy Frenck – einen der Hauptorganisatoren der RechtsRock-Konzerte.
Der zentrale Fokus der Dokumentation liegt jedoch auf den Aktivitäten des lokalen Anti-Nazi-Bündnisses. Oeser dokumentiert, wie die Mitglieder des Bündnisses Holzkreuze, auf denen die Namen von Opfern rechter Gewalt in der BRD stehen, am Rande eines RechtsRock-Konzertes aufstellen oder lässt sich von einem Vertreter der Gruppe erklären, warum sich dieser schon mal als Superheld verkleidet. Oesers gelungene Dokumentation macht Mut. Denn sie macht deutlich: Auch in noch so neonazistisch-dominierten Regionen ist antifaschistischer Widerstand möglich. Gerade mit dieser Message eignet sich der Film sowohl für politische Bildungsarbeit, als auch als Anregung für bürgerliche Bündnisse gegen Rechts.