Anschreiben gegen die »Klimahysteriker«
von Vera Henßler
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 181 - November / Dezember 2019
#Medien
Dieselaffäre, regenerative Energien und Insektensterben – der Klimawandel dominiert derzeit die politische Debatte. In rechten Periodika wird die Frage gestellt, inwieweit Ökologie für das eigene Milieu interessant sein könnte.
Ein Blick in verschiedene Zeitungen und Zeitschriften bestätigt: Rechte Periodika greifen aktuelle umweltpolitische Diskussionen auf, mehr oder weniger dezidiert, manche sogar mit Schwerpunktausgaben. Ökologie wird dabei meist als relevantes Politikfeld anerkannt, eine eigenständige ökologische Agenda fehlt den Magazinen hingegen. Die Rechte habe sich das Thema aus der Hand nehmen lassen, schrieb schon 2013 Norbert Borrmann in der »Sezession«. Und das von einer Partei, deren Anliegen der Ökologie widerspreche: »Egalitarismus, Feminismus, Homoehe, Quotendiktatur, Zersetzung organisch gewachsener Familienstrukturen, Nationalmasochismus, Vergangenheitsbewältigung, Masseneinwanderung, Multikulturelle Gesellschaft. So halten Trittbrettfahrer mit einem naturwidrigen Menschenbild das Thema Ökologie besetzt« (56/2013). Umweltschutz, so der Tenor nicht nur in der »Sezession«, sei ein genuin rechtes Feld und mit der Wertschätzung für Tradition und dem Bekenntnis zur Heimat verknüpft. Doch was bedeutet diese Inanspruchnahme für die aktuellen Debatten?
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Die Umweltverschwörung
Es klingt schon an: Auch die Ökologie eignet sich hervorragend, um sich an den gängigen rechten Feindbildern abzuarbeiten. Das trifft zum einen »Bündnis 90/Die Grünen«, ganz aktuell aber auch die junge Umweltbewegung. Fridays for Future (FFF) und im Besonderen deren Sprachrohr Greta Thunberg, die mit aggressiver Ablehnung zugeschüttet werden. So empfiehlt etwa die »Zuerst!« den Aktivist*innen, die als »Klima-Gretins« verunglimpft werden, einfach mal lange die Luft anzuhalten, um so den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß zu mindern. In der Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) attestiert Thorsten Hinz FFF Asperger-Symptome und markiert sie als »neue Zivilreligion«, quasi als »Ergänzung zur Holocaust-Religion, die jene Aussicht auf Vergebung und Entsühnung verweigert.« In Richtung von Bündnis 90/Die Grünen poltert Hinz, die durch die Partei verkörperte »Abräumung traditioneller Strukturen – Familie, Nation, Geschlecht, Grenzen« entspreche einer »Tabula-rasa-Situation, in der grüne Nachwuchspolitiker als Rote Khmer denkbar werden.« Weitere Zitate in dem Stil ließen sich anfügen. Gerade das Gepolter von JF bis »Compact« verdeutlicht, wie das Thema Ökologie auch dazu dient, sich am gegnerischen politischen Spektrum abzuarbeiten und dabei gängige extrem rechte Narrative aufzuwärmen. In der »Sezession« und JF wird dann über die Parallelen zwischen Umweltbewegung und »Vergangenheitsbewältigung« sinniert und in der »Compact« eine Verschwörungsgeschichte mit dem Milliardär George Soros als Hintermann gestrickt.
Vom Ende des Autos
Politische Positionierungen lassen sich vermehrt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu den Themen Energiepolitik und Automobilindustrie finden. Sowohl die Energiewende als auch der Umgang mit dem Dieselskandal werden als Beleg für eine mangelnde wirtschaftliche Souveränität Deutschlands herangezogen. Deutschlands wirtschaftliche Interessen seien gefährdet, entweder durch grüne (Energie-)Politik, die EU oder die USA. Mitunter scharfzüngig fantasieren JF und »Zuerst!« von einer »Deindustrialisierung« Deutschlands und »Compact« sowie »Volk in Bewegung« wollen sogar einen »Morgenthauplan« ausgemacht haben. So schreibt der AfD-Europaparlamentarier Nicolaus Fest 2018 in der JF, die Debatte um Gesundheits- und Umweltschutz in Bezug auf das Dieselfahrverbot sei »vorgeschoben«. Es gehe darum, »das Auto kaputtzureden«, »Erziehungspolitik« zu betreiben und »gegen die wichtigste deutsche Industrie« vorzugehen. Für den verkehrspolitischen Sprecher der AfD im Bundestag, Dirk Spaniel, sind alle Maßnahmen aus Brüssel Angriffe von »Wirtschaftsfeinden« auf Deutschland. Ähnliche Akzente setzen auch »Compact« (»Auto-Aus für Deutschland?«, »Skalpjagd auf deutsche Auto-Manager«) sowie die NPD-Zeitung »Deutsche Stimme«. Die »politisch-mediale Klasse« falle, so der bayerische NPD-Funktionär Axel Michaelis, »angefeuert von der Meute der Klimahysteriker (…) der wichtigsten deutschen Wirtschaftsbranche in den Rücken und punziert sie als Betrüger, Menschenvergifter und Kriminelle«. Während die Autoindustrie hofiert wird, fällt das Urteil über die großen Chemieunternehmen mitunter kritischer aus. So benennt die »Zuerst!« den Einsatz von Pestiziden als Ursache für das Sterben von Wildbienen: »Ob die Biene und mit ihr die Insektenwelt überlebt, hängt vor allem von den Agro-Riesen wie Bayer oder BASF ab.« Ähnliche Töne lassen sich auch von der »Deutschen Stimme« vernehmen. Ein Grund für diese Diskrepanz ist sicherlich, dass das Auto im Gegensatz zur Chemieindustrie als genuin deutsches Identitätssymbol gilt.
Trump, der »Klimarealist«
Die Priorisierung regenerativer Energien wird spektrenübergreifend abgelehnt, wobei neben der wirtschaftlichen Souveränität, den Kosten oder Zweifeln an der Machbarkeit (z.B. Speicherkapazitäten) mitunter auch Aspekte wie landschaftliche Veränderungen etwa durch Windräder (»Verspargelung von Landschaften«) eine Rolle spielen. Gerade hier besteht eine Anschlussfähigkeit zu nicht-rechter Kritik an der Energiewende, wie eine Befragung unter Mitarbeiter*innen des Lausitzer Braunkohlereviers zeigt. Dass sich die Auseinandersetzungen um regenerative Energien gesellschaftlich noch verschärfen könnten, ist Anlass für einige Autoren, zumindest skizzenhaft eine Idee rechter Energiepolitik zu entwickeln. So plädiert Jonas Schick in der »Sezession« dafür, die Ökologie-Diskussion ausgehend von einer energetischen Perspektive von rechts zu besetzen. Ausgangspunkt seiner nebulösen Überlegungen ist die These, dass der in liberalen Gesellschaften erarbeitete Wohlstand bei der nun forcierten Energiewende nicht zu halten sei. Fossile Energien, so Schick, seien für die Erfolgsgeschichte des »realen Liberalismus« als »Amalgam aus marktwirtschaftlichem Kapitalismus und parlamentarischer Demokratie« grundlegend gewesen. Mit der Energiewende werde nun versucht, Fortschritt und Wachstum zu sichern, was, so Schick, zum Scheitern verurteilt sei.
In vielen Artikeln werden erhebliche Zweifel am menschlichen Einfluss auf den Klimawandel geschürt. Kompromisslos ist wie so oft die »Compact«, die mit ihrem Ende 2017 erschienenen »Compact-Spezial« die »Klimakontroverse in ihrer gesamten Komplexität« dargestellt wissen will. Dass ein Rundumblick nicht das Steckenpferd der Redaktion ist, beweist sie dabei zum wiederholten Male. Wer für die Reduktion des menschengemachten Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes plädiert, wird als »Klimahysteriker« verunglimpft. Als deren Top Fünf macht »Compact« Barack Obama, Tony Blair, Papst Franziskus, Angela Merkel und Leonardo DiCaprio aus. Demgegenüber stünden »Klimarealisten« wie Vaclav Klaus, Donald Trump, Nicolas Sarkozy, Wladimir Putin und Alice Weidel. Im Heft kommen ausschließlich Autoren zu Wort, die den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel anzweifeln beziehungsweise diesen insgesamt in Frage stellen. Die Zeitschrift »Volk in Bewegung« aus dem »Nordland Verlag« schafft es einmal mehr, die Energiewende antisemitisch aufzuladen. Das zentrale Narrativ ist die Mär von einer internationalen jüdischen Verschwörung gegen Deutschland. Diese versuche mit Hilfe der Energie- beziehungsweise Umweltpolitik und den von ihr dominierten Medien, ihre finsteren Machenschaften zu betreiben.
»Schuldkult« gegen den Westen
Das einleitende Dossier der jüngst erschienenen Ausgabe von Felix Menzels neurechtem Blatt »Recherche D« wartet mit einer historischen Perspektive auf den Klimawandel auf, wonach, zusammengefasst, Klimaerwärmungen als Grundlage unserer gewachsenen Zivilisation zu betrachten seien. Diese Entwicklung habe sich demnach in den wärmeren Zeitaltern vollzogen, weshalb eine Erwärmung zu begrüßen sei. Die »weitverbreitete Angst« vor dem Klimawandel erkläre sich auch durch die Sesshaftigkeit des Menschen, die ihn anfälliger für Umweltveränderungen mache. Während hier zumindest anerkannt wird, dass Migrationsbewegungen aufgrund von Klimaveränderungen als Herausforderung ernst genommen werden müssten – wobei die politischen Schlussfolgerungen unerwähnt bleiben –, wird in der JF die Forderung nach der Anerkennung der Klimakrise als Fluchtgrund gänzlich als »Aberglaube« abgetan. Als das »größte globale Problem« macht nicht nur »Recherche D« die Überbevölkerung im globalen Süden aus. Menzel empfiehlt daher eine »gute Regierungsführung, Anstrengungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit (…), Arbeitsmarkt und Gleichberechtigung«. Alles Allgemeinplätze, die viel Spielraum für obskure Interpretationen wie die folgende bieten. Statt die tatsächlichen Ursachen zu erkennen, werde »über einen Schuldkult der reiche Westen an den Pranger gestellt«. Dass es in Deutschland keinen erhöhten Handlungsbedarf gebe, ist in der gesamten Rechten Konsens.
Zwischen den Zeilen
Felix Riedel von der »Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz« widmet sich der Rezeption von Ökologie und Umweltschutz in der extremen Rechten. Für ihn sind ökologische Perspektiven nur über eine »Umverteilung von in den Industriestaaten akkumulierte[m] Reichtum« umsetzbar und exakt dagegen schreiben Junge Freiheit, Sezession und Co. an. Insofern lassen sich laut Riedel die in diesen Periodika kolportierten Positionen, wie Klimaskeptizismus, Migrationsfeindlichkeit und nationale wirtschaftliche Souveränität als Grundlagen für einen »äußerst aggressiven Klassenkampf von oben« begreifen, »der gegenwärtige Verteilungsmuster verteidigen« soll.
Der Text ist eine stark gekürzte und aktualisierte Fassung eines Artikels aus der Reihe »magazine« des apabiz e. V.. Die im Juni 2019 erschienene Ausgabe »Ökologie von rechts« kann auf www.apabiz.de nachgelesen werden.