»Am Katzentisch in der letzten Reihe«
von Marian Ramaswamy und Rune Wiedener
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019
#AfDNiedersachsen
So wie es die Niedersächsische Landesvorsitzende der »Alternative für Deutschland« Dana Guth nach der Europawahlversammlung der Partei Anfang Januar bitter zum Ausdruck brachte, fühlen sich des Öfteren Delegierte des Landesverbandes bei bundesweiten Versammlungen. Schuld an der parteiinternen Irrelevanz sind sowohl die vielen personellen als auch politischen Differenzen im Flächenland.
Im April 2018 wurde Dana Guth zur Landesvorsitzenden der »Alternative für Deutschland« (AfD) in Niedersachsen gewählt, nachdem ihr Vorgänger Armin-Paul Hampel aufgrund schwerwiegender Verstöße seines Amtes enthoben worden war. Diese auf dem Bundesparteitag im Juni 2018 bestätigte Entscheidung beruhte einerseits auf den von Hampel zu verantwortenden finanziellen Unregelmäßigkeiten innerhalb des Landesverbandes, andererseits auf persönlichen Machtkämpfen. Aber Hampels Amtsenthebung sorgte nicht für Ruhe, im Gegenteil: Kurz vor der Bekanntgabe wandten sich dessen AnhängerInnen direkt an den dafür verantwortlichen Bundesvorstand. In einem internen Brief wurde Hampel als unschuldiges Opfer einer von Guth und weiteren Landesvorstandsmitgliedern initiierten Denunzierungskampagne inszeniert. Die 90 UnterzeichnerInnen dieses Briefes, darunter der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Jens Kestner und der Landtagsabgeordnete Stephan Bothe, sind ausnahmslos zu Björn Höckes »Der Flügel« zu zählen.
Zerwürfnis in Südniedersachsen
Dieser Umstand mag den Eindruck erwecken, dass der im April 2018 offen ausgetragene Machtkampf um den Landesvorsitz auf politischen Differenzen zwischen »Flügel«-Getreuen und der bisher landesweit größeren Arbeitsgemeinschaft »Alternative Mitte« (AM) fußt. In der Lagerbildung spielen aber langwierige persönliche Animositäten ebenfalls eine wichtige Rolle. Beispielhaft für das Ineinandergreifen politischer und persönlicher Konfliktlinien ist das andauernde Zerwürfnis der Kreisverbände in Südniedersachsen (@derrechterand Nr. 169). So hofften Maik Schmitz, weiterhin Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Northeim, und sein Beisitzer Dirk Küpper kurz vor dem Landesparteitag in einem internen Chat, dass sie der »im AM Sumpf« angekommenen Göttingerin Guth bei der Wahl zum Landesvorsitz »die Suppe versalzen können«. Doch Hampel verlor die Stichwahl gegen Guth mit 205 zu 280 Stimmen und Dietmar Friedhoff aus Garbsen schied trotz seiner betont neutralen Position und seines Appells »für einen Neuanfang in Niedersachsen« bereits im ersten Wahlgang aus.
Nach dem Personalwechsel an der Spitze trat der AfD-Landesverband zunächst kaum öffentlich in Erscheinung und konzentrierte sich auf die Abwicklung der internen Altlasten. Lediglich vier Tage nach seinem Antritt durchsuchte er daher die nun alte Landesgeschäftsstelle in Lüneburg gründlich und verfrachtete alle Unterlagen, Festplatten und archivierten Dokumente nach Hannover. Andrea Obeck, die bis dato die Leitung der Geschäftsstelle innehatte, bezeichnete das Geschehen als »überfallartiges hektisches Ausräumen«. Statt der gesuchten AfD-Wahlunterlagen fanden die Vorstandsmitglieder nicht näher bekannte »gefälschte Behördenschreiben«, wie Guth empört in einer Mail schrieb. Zugleich rief sie in Rundmails dazu auf, »alten Groll« zu begraben und dadurch endlich »Einigkeit und gemeinsame positive Ergebnisse« zu gewinnen.
Initiativen ohne Durchschlagskraft
Inhaltliche Themen behandelte die AfD auf Landesebene kaum. Der von dem Lehrer und stellvertretenden Landesvorsitzenden Harm Rykena initiierte Versuch, mit der Freischaltung eines Online-Denunziationsportals einen parteikritischen Unterricht in den öffentlichen Schulen zu diskreditieren, schlug fehl. Viele LehrerInnen, SchülerInnen und ElternvertreterInnen protestierten gegen das als Zensurversuch bewertete Portal und bezogen öffentlich klare Stellung gegen die AfD. Das kurz vor den Weihnachtsfeiertagen 2018 freigeschaltete Portal erzielt kaum Resonanz. Selbst in ihrer Hetze gegen Muslime und Geflüchtete endeten die jüngsten Vorhaben der niedersächsischen AfD als Misserfolge. Die mit Flyern und Stickern ab September 2018 beworbene Kampagne gegen das Halal-Schlachten wurde nicht nur wegen des Hashtags »#MähToo« belächelt. Zugleich zeigte sich, dass das Thema Tierschutz keinen sonderlich großen Anklang in der rechten WählerInnenschaft findet. Auch der Mobilisierung gegen den UNO-Migrationspakt in Form einer Kundgebung im Dezember 2018 folgten kaum eigene AnhängerInnen. An der dennoch von Guth als »voller Erfolg« bezeichneten Versammlung in Hannover nahmen lediglich 120 Personen teil. Viele Kreisverbände hatten dieses Event mit Bratwurst und Glühwein nicht einmal beworben.
Wer nichts macht, macht nichts falsch?
Von einer gemeinsam getragenen Arbeit kann in der niedersächsischen AfD nicht die Rede sein und auch der zweite Landesparteitag im Oktober 2019 in Oldenburg war geprägt von Querelen zwischen den beiden verfeindeten Lagern. Im Mittelpunkt des Konflikts stand der neue Satzungsentwurf der Partei, nach dem künftig Kreis- und Landesvorstände nicht im Land- oder Bundestag beschäftigt werden dürfen. AnhängerInnen des völkischen »Flügel« kritisierten bereits frühzeitig diese vom Landesvorstand initiierten Änderungen, brachten sich im Vorfeld aber selbst nicht in der dafür zuständigen Satzungskommission ein. Gremien-Mitarbeit scheint für sie in Niedersachsen ohnehin nicht sonderlich beliebt zu sein. Beispielhaft hierfür war die Tagung des Landeskonvents am 8. Dezember 2018 in Sehnde. In der kleinen Gemeinde im Landkreis Hannover waren neun Kreisverbände, denen eine politische »Flügel«-Nähe nachgesagt wird, nicht vertreten. Auch beim gleichzeitigen Treffen des Bundeskonvents in Magdeburg fehlten mit Manfred Otto, Maik Schmitz und Armin-Paul Hampel die AnhängerInnen des völkischen Flügels unangekündigt; somit stellte Niedersachsen in Magdeburg lediglich einen anstatt vier Delegierte.
Trotz der Meidung diverser Parteigremien ist der »Flügel« in Niedersachsen dennoch aktiv. Nicht zuletzt für die Stärkung der eigenen Reihen wurden Veranstaltungen und Feste mit lokalen und bundesweiten Rednern organisiert, die in der AfD gemeinhin für offen völkische Positionen stehen. Ob es mit dieser Strategie gelingen könnte, die Oberhand in Niedersachsen zurückzugewinnen, ist noch offen. Einige Mitglieder des Kreisverbandes Göttingen mit seiner Vorsitzenden Guth besuchten in Südniedersachsen bereits derlei Veranstaltungen des Kreisverbands Northeim. Guth scheint sich um den Landkreis Göttingen ohnehin nicht zu kümmern: 2018 nahm sie nicht ein einziges Mal an einer Sitzung des Kreistages teil, dessen Mitglied sie seit 2016 ist.
Landesverband in Sorge
Die Spitze der niedersächsischen AfD beschäftigte im zweiten Halbjahr 2018 eher eine mögliche Beobachtung der Partei durch das Landesamt für Verfassungsschutz. Da ihre Jugendorganisation, die »Junge Alternative« (JA), im September zu seinem Beobachtungsobjekt erklärt wurde, entschied sich der außerordentliche JA-Bundeskongress in Barsinghausen bei Hannover für die Auflösung seines niedersächsischen Landesverbandes – jedoch nicht in eigener Regie. Schon zuvor hatte der Verantwortliche für die »Betreuung der JA«, Frank Rinck, einen Tätigkeitsbericht vorgestellt, in dem die Auflösung der JA Niedersachsen als gemeinsamer Schritt von AfD- und JA-Bundesvorständen dargestellt wurde. Gleichzeitig wurde die Neugründung der Landes- und Bezirksverbände der JA für den Beginn des Jahres 2019 angekündigt. Diese Maßnahme reichte bekanntlich nicht aus, da die JA im Januar 2019 bundesweit zum Verdachtsfall und die gesamte Partei länderübergreifend zum Prüffall erklärt wurden. Die bis dato geführten internen Veranstaltungen zu der »drohenden Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz« mit dem Ziel, den »Außenauftritt« und das »Verhalten« der niedersächsischen AfD-Mitglieder in einen vorzeigbaren Rahmen einzugliedern, waren wohl von Beginn an aussichtslos. Dies erkannte wohl auch Holger Biester, der bis zu seinem Parteiaustritt Anfang Dezember noch Wahlkampfbeauftragter im Landesvorstand war und bereits kurz vor seinem Abgang von einem »absoluten Rechtsruck in dieser Partei« sprach.
Flucht in die Opferrolle
»Man wird uns auch 2019 als ‹Rechtsradikale› und ‹Nazis› verunglimpfen«, schrieb Jens Kestner in seinen Weihnachtsgrüßen an die niedersächsischen AfD-Mitglieder. Wie er inszenieren sich die verbliebenen AmtsträgerInnen mehrheitlich als Opfer einer Verleumdungskampagne und betonen, die Partei sei fern eines jeden politischen Extremismus. Doch gerade in Kestners eigenem Kreisverband (Goslar, Northeim, Osterode) lassen sich viele extrem rechte Akteure finden (@derrechterand Nr. 169). Zu guter Letzt zeigte gerade der konfliktreiche Landesparteitag in Braunschweig die enge Verwobenheit mit der organisierten extremen Rechten, nahmen an ihm doch auch AktivistInnen der »Identitären Bewegung« wie Patrick J. und Paul S. teil. Letzterer wird von der Polizei verdächtigt, Ende 2018 mit drei weiteren Rechten auf ein vermeintlich homosexuelles Paar in Göttingen eingeschlagen zu haben, das teils schwere Verletzungen davontrug.