»Terrorcrew«, aber keine kriminelle Vereinigung

von Robert Andreasch
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019

#WeisseWölfe

Im Oktober 2015 durchsuchte die Polizei 12 Wohnungen von Neonazis der »Weisse Wölfe Terrorcrew« in Nordbayern und fand unter anderem eine scharfe Schusswaffe mit Munition sowie mehrere Kugelbomben. Drei Jahre später verhandelte das Landgericht Bamberg gegen vier Beteiligte.

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Beim Prozess gegen die »Weisse Wölfe Terrorcrew« am 13.12.2018 in Bamberg © Robert-Andreasch

Eine Hakenkreuz-Fahne, eine 9mm-Pistole, Kugelbomben, eine Schleuder, Säbel, schwarz-weiß-rote Bamberg-Banner, Schallplatten mit Märschen der Waffen-SS und RechtsRock-CDs: Am 22. Oktober 2015 gingen martialische Bilder durch die Medien. Die bayerischen Behörden präsentierten die Funde, die sie bei Razzien gegen Neonazis im Raum Bamberg sicherstellen konnten. Zeigte sich hier, vier Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU, nun ein härterer Kurs gegen die terroristische Rechte? »Die bayerischen Sicherheitsbehörden haben rechtsextreme Umtriebe sehr genau auf dem Schirm und greifen konsequent durch«, erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) noch am selben Tag. Doch was passierte nach diesem, wie es die bayerische Staatsregierung nannte, »wichtigen Schlag gegen Rechtsextremisten«? In den folgenden drei Jahren geschah in Bamberg nichts. Erst am 10. Oktober 2018 begann am dortigen Landgericht der Prozess, allerdings nur noch gegen vier der einst mindestens elf Verdächtigen. Die Staatsanwaltschaft warf Andreas Groh (Windischletten), Nadine Hofmann (Bamberg), Marcel Diller (Kemmern) und Patrick Hofmann-Kraus (Bamberg) vor, eine kriminelle Vereinigung innerhalb der »Weisse Wölfe Terrorcrew« (WWT) gebildet zu haben. Die Angeklagten hätten zudem Sprengstoff beschafft, mehrere Körperverletzungsdelikte an PassantInnen und ZivilpolizistInnen begangen sowie Angriffe auf zwei Geflüchtetenunterkünfte in Bamberg und auf den antifaschistischen Raum »Balthasar« geplant.

»Weisse Wölfe Terrorcrew«
In der am 16. März 2016 durch den Bundesinnenminister verbotenen »Weisse Wölfe Terrorcrew« hatten sich bundesweit und in den Nachbarländern Neonazis unter dem Label, Fans der RechtsRockband »Weisse Wölfe« zu sein, zusammengeschlossen. Der Prozess ergab kaum neue Erkenntnisse über die Struktur unter Sebastian »Basti« Rudow (Berlin) und Alexander Scholl (Fellbach), die ab spätestens Dezember 2014 über einen lokalen Ableger, »WWT Franken«, mit rund einem Dutzend Mitgliedern verfügte. Bundesweit kommunizierten die Mitglieder über WhatsApp-Gruppen (»One family«). In den regionalen WhatsApp-Gruppen »Fränkischer Stammtisch« und »Nationalisten Bamberg« koordinierten sich Neonazis aus Parteien, »Freien Kräften« und WWT spektrenübergreifend. Die Neonazis aus der »Terrorcrew« vernetzten sich nicht nur mit »Die Rechte« und der NPD, sondern auch mit »Der III. Weg« und anderen Neonazigruppen sowie Hooligan-Szenen in Stuttgart, Nürnberg und München.

Die Ziele der »WWT Franken« seien, so sagte es der Angeklagte Marcel Diller aus, der Kampf »mit Gewalt« gegen linke Personen und gegen die Internetplattform »indymedia« gewesen. Ab Sommer 2015 planten sie ihre militanten Aktivitäten gegen AntifaschistInnen und gegen Geflüchtete zu verstärken: Am 31. Oktober 2015 wollten sie zusammen mit angereisten Neonazis und Hooligans parallel zu einem Neonaziaufmarsch in Bamberg den dortigen linken Raum »Balthasar« stürmen, die Anwesenden und die Einrichtung attackieren. Man sprach in einem Chat von der »Vollendung« der bisherigen Aktionen gegen die kleine antifaschistische Institution. Der Angeklagte Patrick Hofmann-Kraus schrieb in einer WhatsApp-Gruppe: »Wir machen hier nach der Demo ne gute Aktion, nur die guten Hauer. Da muss die Antifa dran glauben, glaub mir, dann hört das auf«. Mit Böllern und Pyrotechnik wollten die Neonazis zudem bei zwei Geflüchtetenunterkünften »Angst und Schrecken unter den Bewohnern« verbreiten.

»Nationales Zentrum«
Andreas Groh und Dominik W. mieteten für Treffen des fränkischen Ablegers ab Ende 2014 oder Anfang 2015 eine konspirative Wohnung in Bamberg in der Andreas-Hofer-Straße 10 an. Die Hausbesitzerin, eine Sympathisantin der rechten Szene, verlangte dafür nur eine symbolische Miete von einem Euro im Monat. Die Neonazis dekorierten die Küche mit einer großen Deutschlandfahne und die restliche Wohnung mit Triskelen, Reichsadlern, »Die Rechte«- und »NS-Zone«-Aufklebern, Führerwein-Flaschen und einem großen »Bamberg wehrt sich«-Banner.

Waffen und Sprengstoff
Ab 2014 wurde innerhalb der WWT regelmäßig ein Schießtraining in Tschechien angeboten. Bei Online-Shops in Italien und Polen bestellten die Neonazis mindestens 78 Kilogramm pyrotechnische Gegenstände, darunter mindestens vier Kugelbomben mit laut Staatsanwaltschaft »tödlicher Primärwirkung«. Zudem kauften sie auf dem sogenannten »Vietnamesenmarkt« im nahen tschechischen Cheb weitere Kugelbomben. In einem Wald bei Bamberg sowie in einem alten US-Kasernengebäude führten sie Sprengversuche mit Bomben durch, die sie unter anderem in alten Waschmaschinen und Holzfässern zündeten. Die Explosionen, so sagte es die Angeklagte Nadine Hofmann bei der Polizei aus, habe man noch in zwei Kilometern Entfernung gehört.

Das Ende
In seinem Plädoyer verzichtete Staatsanwalt André Libischer auf den ursprünglichen Anklagevorwurf der Bildung einer »kriminellen Vereinigung«. Die Konkretisierung der Tatplanungen sei »im Nebel stecken geblieben« und es fehle für die »kriminelle Vereinigung« auch »an der strukturierten Vorgehensweise«. Auch bezüglich der Sprengstoffdelikte ruderte er zurück: »Dass hier konkret Absprachen erfolgt sind, dass mit der Pyrotechnik etwas anderes als Spaß und Silvester veranstaltet werden sollte, dafür gibt es keine Erkenntnisse«. Am 14. Dezember 2018 ergingen die milden Urteile, sie sind noch nicht rechtskräftig. Marcel Diller wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, Nadine Hofmann zu einer Geldstrafe von 125 Tagessätzen à 15 Euro. Bei Patrick Hofmann-Kraus, der zwischenzeitlich in einem anderen Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden war, wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet. Andreas Groh wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Der Urteilsspruch hat ihn nicht gebremst: Beim Aufmarsch des »Der III. Weg« am 16. Februar 2019 in Fulda war Groh schon wieder als Ordner tätig.

Offene Fragen
Der abgeschlossene »WWT-Prozess« hat viele Fragen offen gelassen: Allen voran erstaunt die Reduktion auf vier Angeklagte. Zu den Beschuldigten im Schlussvermerk der polizeilichen Ermittlungen und zu den Mitgliedern der WWT Franken gleichermaßen gehörten noch eine ganze Reihe weiterer Neonazis, darunter dominierende Aktivisten der Gruppe wie Manuel B. und Dan E. oder der bei den Körperverletzungsdelikten mitbeteiligte Marcel M. Es ist im Prozess nicht ersichtlich geworden, warum diese nicht mitangeklagt waren. Sowohl der für die Ermittlungen zuständige Staatsanwalt als auch der verantwortliche polizeiliche Ermittlungsleiter meldeten sich »langfristig erkrankt« und konnten dazu nicht als Zeugen vernommen werden. Ein anderes Beispiel: Mehrere PolizeibeamtInnen sagten aus, dass an den Planungen des Angriffs auf den »Balthasar« noch weitere Neonazis beteiligt gewesen waren, darunter die bekannte Münchner »Der III. Weg«-Akteurin Petra Kainz. Diese habe die Aktion überhaupt erst den Bamberger »KameradInnen« nahegelegt. Ein LKA-Beamter zeigte sich noch im Prozess deswegen überrascht: »Allerdings ist unser Ermittlungsverfahren damals nicht auf die Frau Kainz ausgedehnt worden«. Rätselhaft blieb auch die einst bei der Pressekonferenz von den ErmittlerInnen präsentierte scharfe Schusswaffe: die voll funktionsfähige, halbautomatische Mauser P 08 Kal. 9mm nebst Munition wurde nicht bei den Angeklagten sichergestellt. Es konnte von den Verfahrensbeteiligten weder mithilfe von ZeugInnen noch mit den Feststellungen in der Prozessakte nachvollzogen werden, bei wem diese Waffe eigentlich aufgefunden wurde. Diese unbekannte Person habe jedenfalls nicht der WWT angehört, so dass sie auch nicht mit angeklagt wurde. Ungeklärt blieb im Verfahren auch, wieso die Bamberger Polizei offenbar standardmäßig den linken Raum »Balthasar« mit Videokameras überwacht oder warum MitarbeiterInnen des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz regelmäßig den Angeklagten Patrick Hofmann-Kraus im Gefängnis besuchen.

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Die Abgründe
Der Prozess in Bamberg bot hingegen einige Einblicke in die polizeiliche Arbeit gegen rechts. Die örtlichen StaatsschutzbeamtInnen waren im Jahr 2014 auf die WWT durch einen antifaschistischen Artikel auf der am 25. August 2017 verbotenen Internetplattform »linksunten.indymedia« aufmerksam geworden, im Prozess lobten sie die anonymen VerfasserInnen gleich mehrfach: »die arbeiten mindestens genauso gut wie wir«. Doch es taten sich auch Abgründe auf. Sei es der örtliche Staatsschützer, der sich regelmäßig mit den lokalen Neonazis traf: »Ich hab mich mit denen in der Kneipe getroffen und ganz normal reden können. (…) Es war ein ganz offenes Miteinander, die waren ganz ehrlich«. Oder der führende Ermittlungsbeamte, der mit dem Ort »Lichtenhagen« nichts Genaues verbinden konnte. Da war der Staatsschützer, der die aktuellen neonazistischen Aktivitäten von Andreas Groh, des vielleicht wichtigsten Akteurs der Region, überhaupt nicht kannte und da war die Polizeibeamtin, die nach dem Aufmarsch am 1. Mai 2015 in Saalfeld undercover mit den Bamberger und Coburger Neonazis im Zug zurückfuhr, aber von deren Spontanaufmarsch unterwegs in Hallstadt nichts mitbekommen hat. Der WWT-Komplex macht deutlich, dass Polizei und Justiz nicht mit den derzeitigen Organisationsformen der militanten Rechten umgehen wollen oder können. Dass die massiv hochgerüsteten Neonazis sich in den Ermittlungen weniger als professionell-konspirative KämpferInnen, sondern als die mittlerweile »ganz normale« rechte Szene vor Ort entpuppten, scheint jedenfalls schnell zu Verharmlosungen und einem Ermittlungs-Schlendrian geführt zu haben.

Der bayerische Innenminister Joachim Hermann hatte im Oktober 2015 angekündigt, es gehe den Behörden vor allem darum, »die sichergestellten Beweismittel schnell auszuwerten, weitere Ermittlungsansätze zu gewinnen und mögliche Hintermänner aufzudecken«. Im WWT-Komplex ist von all dem nichts geschehen.