Extrem rechter Nachwuchs
von Marian Ramaswamy und Simeon Dettmar
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019
#JANiedersachsen
Im November 2018 beschloss die Jugendorganisation der »Alternative für Deutschland« auf ihrem Bundeskongress die Auflösung des Landesverbands Niedersachsen. Grund dafür ist die langjährige personelle Überschneidung mit AktivistInnen der »Identitären Bewegung« sowie Verstrickungen in die organisierte Neonaziszene.
Lars Steinke galt von Beginn an auch innerhalb der »Jungen Alternative« (JA) als klarer Rechtsaußen-Vertreter. Von November 2015 bis Januar 2016 meldete er wie auch sein JA-Kollege Jan Philip Jaenecke die Kundgebungen des »Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen« (FKTN) an, an dessen Aktionen sich diverse Neonazis und Hooligans beteiligten. Nachdem ein Parteiausschlussverfahren drohte und auch der AfD-Landesvorsitzende Armin Paul Hampel ein Machtwort sprach, beendete Steinke sein Engagement für den FKTN. Als sein stärkster Widersacher trat dabei der amtierende JA-Vorsitzende in Niedersachsen, Sören Haupstein, auf. Auf den Ausschluss aus dem Landesverband reagierte Steinke mit der Gründung des Bezirksverbands Braunschweig/Göttingen und ließ sich zu dessen Vorsitzendem wählen. Unterstützt wurde er maßgeblich von Patrik Jäcker aus Braunschweig und Philippe Navarre aus Göttingen, die beide im Vorstand des neu gegründeten Verbands auftraten. Schnell entwickelte sich die Neugründung zu einer Schnittstelle zwischen AktivistInnen der JA, der »Identitären Bewegung« (IB) und den niedersächsischen »Jungen Nationalisten« (JN). Wie eng die Kontakte zwischen der JA und den JN sind, zeigte sich bei einer Veranstaltung der rechten »Burschenschaft Thuringia« in Braunschweig. Zum geladenen Zeitzeugenvortrag mit einem »Veteranen des II. Weltkriegs« erschienen Mitglieder beider Jugendorganisationen gemeinsam mit Mitgliedern der IB Niedersachsen, unter anderem reiste Jäcker gemeinsam mit Philipp Losse von der IB Niedersachsen und Felix Hauschild von den JN Niedersachsen an.
“Nicht nur übliche Rechtsradikale”
Unter Steinkes Führung avancierte der JA-Bezirksverband zum Sammelbecken für extrem rechte Mitglieder und SympathisantInnen aus Niedersachsen. So organisierte Steinke im Dezember 2016 eine Kundgebung gegen antifaschistische Strukturen in der Goslarer Innenstadt, an der sich neben Mitgliedern des Bezirksverbands auch die beiden Neonazis Timo B. und Felix W. beteiligten, die gleichzeitig im Umfeld der Kameradschaft »Kollektiv Nordharz« und der JN Niedersachsen aktiv sind. Timo B. besuchte im Juli 2017 auch den Landeskongress der JA Niedersachsen und lief mit Felix W. am Fronttransparent des Rudolf-Heß-Marsches in Berlin-Spandau.
Im Juli 2017 kam es zur Machtprobe innerhalb des JA-Landesverbands. In einer Kampfabstimmung musste sich der amtierende Landesvorsitzende Haupstein gegen Steinke geschlagen geben. Nach Steinkes Wahl kam es zu einer Austrittswelle aus dem Verband, den knapp die Hälfte aller Mitglieder verließ. So schrieb ein JA-Mitglied in einer Stellungnahme: »Sind wir mal ehrlich: Da sitzen nicht nur ‹übliche Rechtsradikale›, sondern sogar Neonazis mit drin.« Ab dem Frühjahr 2018 arbeitete Steinke für die AfD-Landtagsfraktion Niedersachsen. Obwohl sich die Fraktionsvorsitzende öffentlich von Steinkes Aktivitäten distanzierte, war dieser für knapp ein halbes Jahr als freier Mitarbeiter für ihre Fraktion tätig.
Recherchen offenbaren extrem rechtes Netzwerk
Unter dem Titel »Ausgetobt – Keine Anonymität für die Göttinger Naziclique« publizierte ein Antifa-Portal im Dezember 2018 eine ausführliche Recherche und verdeutlichte die Verflechtung von Mitgliedern der JA mit dem Umfeld der »Kameradschaft Northeim« und der »Arischen Bruderschaft«. Die Recherchen legen nahe, dass sich aus Mitgliedern der JA rund um Lars Steinke sowie rechten StudentInnen aus Göttingen ein eng mit Kameradschaftsstrukturen verbundenes Netzwerk entwickelt hat. So waren die beiden damaligen JA-Mitglieder Philippe Navarre und Paul S. sowie der aus dem IB-Umfeld stammende Felix Leonhard H. im November 2018 am Ordnerdienst der »Arischen Bruderschaft« auf dem von Thorsten Heise organisierten »Schild- und Schwert«-Festival im sächsischen Ostritz beteiligt. Auch dokumentierte das Portal Bilder einer Silvesterparty in Heises Wohnsitz in Fretterode, auf denen mindestens ein JA-Mitglied zu sehen ist. Die Recherche zeigt weiterhin auf, dass die Auflösung des JA-Landesverbands und der damit verbundene Ausschluss aller Mitglieder zumindest am Beispiel Paul S. keinen Erfolg haben wird. Denn einem im Internet veröffentlichten Kontoauszug zufolge zahlt dieser seinen Mitgliedsbeitrag nicht an die JA Niedersachsen, sondern an den Landesverband Sachsen. Beim Neonaziaufmarsch zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens lief er hinter dem Transparent der »Kameradschaft Northeim«.