Viele rechte Parteien

von Lara Schultz
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Tschechien

Bis zum Ende des Jahres 2018 hatte noch keine extrem rechte Partei aus Tschechien ihre Kandidatur zur Europawahl angekündigt. Aktuellen Wahlprognosen zufolge könnten jedoch die rechtspopulistische ANO bis zu acht und die extrem rechte SPD zwei Sitze bei einem Wahlantritt erlangen.

Magazin der rechte rand
Europa Ausgabe – Die radikale Rechte vor der Wahl

8,4 Millionen TschechInnen sind aufgerufen, am 23. und 24. Mai 2019 insgesamt 21 Abgeordnete zu wählen. 2014 machten bei der Europawahl jedoch gerade mal 1,5 Millionen von ihrem Wahlrecht Gebrauch – nicht einmal 20 Prozent. Wahlsieger waren damals zwei neue Parteien, die erstmals zur Europawahl antraten. Jeweils rund 16 Prozent der Stimmenanteile bekamen sowohl die rechtspopulistische »akce nespokojených ob?an?« (»Aktion unzufriedener Bürger«, ANO) des Medienunternehmers Andrej Babiš als auch die konservative Rechtskoalition TOP09 / STAN (»Tradition, Verantwortung, Wohlstand«; 09 steht für das Gründungsjahr, STAN als Abkürzung für Bürgermeister und Unabhängige). Der zumeist als konservativ beschriebenen, rechtslastigen »Partei der freien Bürger« (SSO) gelang es unter ihrem langjährigen Vorsitzenden Petr Mach, der sich politisch zwischen David Hume und Nigel Farage verortete, gerade so die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Die extrem rechten Parteien »Usvít« (»Morgenröte«), »Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit« (DSSS), »Pravý Blok« (»Rechter Block«), »Národní Demokracie« (»Volksdemokratie«), »?eská Suverenita« (»Tschechische Souveränität«) und die MonarchistInnen der »Koruna ?eská« (»Tschechische Krone«) blieben allesamt deutlich unter fünf Prozent.

Neue extrem rechte Gruppierungen und Parteien seit 2014
Die Parteienlandschaft ist in Tschechien schnelllebig – auch innerhalb des extremen rechten Spektrums. So ist »Usvít« laut Parteibeschluss vom März 2018, keine Partei mehr, sondern ein Verein. Bereits 2015 hatte ihr Gründer, Tomio Okamura, im Zuge eines Richtungsstreits über die Zusammenarbeit mit dem rassistischen »Block gegen den Islam« (BPI) »Usvít« verlassen und die Partei »Svoboda a p?ímá demokracie« (»Freiheit und direkte Demokratie«, SPD) gegründet. Nachdem sich der »Block gegen den Islam« 2016 aufgelöst hatte, gingen zwei neue Parteien aus ihm hervor. Zum einen der »Block gegen die Islamisierung« (BPI) unter dem Vorsitzenden Martin Konvi?ka. Auf dessen Homepage wird unverhohlen zu Gewalt aufgerufen. Gegen Konvi?ka selbst hatte die Staatsanwaltschaft im Herbst 2015 Ermittlungen aufgenommen. Dem Hochschuldozenten wurde Volksverhetzung vorgeworfen, weil auf seinem Facebookprofil unter anderem angekündigt wurde, man werde Muslime nach einem Wahlsieg »zu Fleischmehl verarbeiten« oder in Konzentrationslager sperren. Das Verfahren wurde im Sommer 2018 in dubio pro reo eingestellt, da die Anklage nicht beweisen konnte, dass Konvi?ka persönlich diese Aussagen online gestellt hatte.
Zum anderen entstand aus dem BPI, analog zur »Alternative für Deutschland«, die Partei »Alternative für die Tschechische Republik« (Ap?r). Ihr Vorsitzender, Petr Hampl, ist zudem Mitbegründer des Vereins »Freunde des heterosexuellen weißen Mannes«. Zwar wurden die Aktivitäten der Ap?r nach einjähriger Existenz durch das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik wegen unvollständiger Finanzberichte vorübergehend beendet, inzwischen ist die Partei jedoch wieder aktiv und hetzt in ihrem Programm gegen Migration. Weitere extrem rechte Gruppierungen sind seit der jüngsten Europawahl entstanden und teilweise ebenso schnell wieder verschwunden. Die tschechische »Generace Identity« (»Generation Identität«), bestehend aus Neonazis, die zuvor im DSSS oder bei den »Autonomen Nationalisten« aktiv waren, erlangten nie große Bedeutung. Gleiches gilt für die nach polnischem Vorbild gegründete Gruppierung »Pro Vlast« (»Für das Vaterland«). Zudem lässt sich resümieren, dass es in den vergangenen Jahren in Tschechien keine erfolgreichen Großmobilisierungen der extremen Rechten gab. Ein Grund dafür dürfte in den ständigen Streitereien, Trennungen und Neugründungen der Parteien und Gruppierungen liegen.

Extremismusbericht vs. Einstellungserhebungen
Analog zu den deutschen Verfassungsschutzberichten veröffentlicht das tschechische Innenministerium alljährlich einen »Extremismusbericht«. Gegen die Nennung der SPD im Bericht für 2017 hatte Parteichef Okamura erfolglos geklagt. Allerdings wurde die SPD nicht unter »Rechtsextremismus« aufgeführt, sondern unter der neuen Kategorie »Antimigrantische und antimuslimische Bewegungen«, die laut Definition nicht per se »extremistisch« seien. Dort finden sich allerdings auch »Paramilitärische Gruppierungen und Bürgerwehren«. Während das Innenministerium so militante Nazis verharmlost, zeigen andererseits Einstellungserhebungen, wie weit rassistisches Gedankengut im Land verbreitet ist. Aktuelle Umfragen des Meinungsforschungsinstituts STEM ergaben, dass 71 Prozent der Befragten Angst vor Geflüchteten haben. 86 Prozent befürchten eine Islamisierung des Landes. Bei der Umfrage nach dem beliebtesten Politiker folgt dicht hinter dem ANO-Vorsitzenden und jetzigen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, auf Platz drei Tomio Okamura. Stünden zeitnah Parlamentswahlen an, könnte ANO 95 Sitze und somit 50 Prozent der Stimmen erzielen, die SPD käme auf 15 Sitze.