Frustration schüren

von Jacek Dziegielewski
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Polen

Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 in Polen waren interessant, wenn es um den Aufstieg extrem rechter Parteien geht. Die Regierungspartei »Platforma Obywatelska« (»Bürgerplattform«, PO) bekam mit 19 Sitzen die gleiche Anzahl von Mandaten wie die größte rechtskonservative Partei »Prawo i Sprawiedliwosc« (»Recht und Gerechtigkeit«, PiS). Die größte Überraschung war, dass »Kongres Nowej Prawicy« (»Kongress der neuen Rechte«, KNP) mehr Stimmen erhielt als bei den Landtagswahlen und mit vier Abgeordneten in das Europäische Parlament einzog.

Polen
2004 wurde der EU-Beitritt Polens noch gefeiert © Mark Mühlhaus / attenzione

Die KNP wurde 2011 von Janusz Korwin-Mikke gegründet. Sie möchte, dass Polen aus der EU austritt und verschreibt sich einem wirtschaftslibertären Kurs. Korwin-Mikke drückt häufig sein Verständnis für Rassismus und Gewalt gegen Frauen aus; er verwendet auch antisemitische Rhetorik und ermutigt dazu, Behinderte zu diskriminieren. Er saß nur einmal im polnischen Parlament (1991-1993) und seine Partei (die häufig ihren Namen ändert) scheitert grundsätzlich an der Fünf-Prozent-Klausel. Trotzdem hat er viele Fans und potenzielle WählerInnen unter den jungen Menschen in Polen, hauptsächlich im Schulalter. Diese Unterstützung ist vor allem im Internet deutlich zu sehen. Gemessen daran ist er ein sehr erfolgreicher Politiker – doch dieser Erfolg scheint bisher auf die Online-Communities und Social-Media-Plattformen beschränkt. Nachdem Korwin-Mikke 2015 den Vorsitz der KNP niederlegt hat – sein Mandat im EU-Parlament hat er behalten –, gründete er eine neue Partei: die »Wolno?? Janusza Korwin-Mikke« (»Freiheit von Janusz Korwin-Mikke«, Wolno??).

Vom Medienkonzern zur Partei
Es ist zu erwarten, dass die PiS die anstehende Europawahl gewinnen wird, auch gegen die vereinigte Opposition, die aus anderen polnischen Parteien besteht. Diese Wahl wird für die polnische Innenpolitik von großer Bedeutung sein, da sie die Tendenzen in der Landespolitik aufzeigen und als ein Indikator für die Wahl zum polnischen Parlament im gleichen Jahr gesehen werden kann. Allerdings hat die PiS in 2018 Konkurrenz aus dem eigenen Spektrum bekommen. Pater Tadeusz Rydzyk, Gründer rechts-klerikaler Medien wie »Radio Maryja« (»Radio Maria«), der Tageszeitung »Nasz Dziennik« (»Unsere Tägliche«) und des Fernsehsenders »Telewizja Trwam«, hat die Gründung einer Partei mit dem Namen »Ruch Prawdziwa Europa« (»Bewegung wahres Europa«) bekannt gegeben. Die zum Teil seit 1991 etablierten Medien vertreten homophobe, fremdenfeindliche und antisemitische Ansichten. Von PolitikwissenschaftlerInnen wird die Neugründung als eine Art politische Erpressung gegenüber der jetzt herrschenden PiS bewertet. Diese fördert die Geschäfte Rydzyks mit Millionen polnischer Zloty – im Gegenzug unterstützen seine Medien die Regierungspartei. Jetzt gehen die finanziellen Zuwendungen zurück, und die neue Partei kann als Instrument zur Erschließung neuer Finanzquellen dienen. Jüngste Umfragen zeigen, dass die neue Partei der etablierten PiS etliche Stimmen stehlen und sogar ihren Sieg bei den Wahlen verhindern könnte.

Gegen die EU
»Ruch Narodowy« (»Die nationale Bewegung«, RN) wird wahrscheinlich eigene KandidatInnen für die Wahl zum Europäischen Parlament aufstellen. Aktuell ist die Partei mit Delegierten auf der Liste »Kukiz’15« des Musikers Pawel Kukiz im Parlament vertreten (@derrechterand Nr. 159). RN gehört zu den OrganisatorInnen des jährlichen Unabhängigkeitsmarschs am 11. November in Warschau (@derrechterand Nr. 175) und unterhält enge Beziehungen zu neonazistischen Organisationen in Polen und ganz Europa. In Anbetracht des rapiden Anstiegs der extrem rechten Stimmung in der polnischen Gesellschaft seit Mitte 2015, kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die neue Partei von Korwin-Mikke als auch RN mit Abgeordneten im neuen Europäischen Parlament vertreten sein werden. Sie kündigten auch an, dass sie sich zu den Wahlen zusammenschließen werden. Ihr politisches Ziel ist es, »die Europäische Union zu zerstören« und Polen dazu zu bringen, die EU zu verlassen. Vorbild für den »Polexit« dürfte der »Brexit« sein.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Situation in Polen durch den Aufstieg rechter Emotionen und Rassismus bestimmt wird. Die Anzahl solcher Übergriffe steigt. Die Eskalation begann mit der Debatte über die »Migrationskrise«, von der Polen nur theoretisch betroffen war. Jetzt wird der Diskurs von rechten PolitikerInnen und Medien angeheizt. Was in Polen passiert, ist ein Prozess, in dem junge Menschen, die frustriert zu sein scheinen, hauptsächlich nach rechts abdriften. Ihr Zorn wird von der extremen Rechten geschürt. Nach den jüngsten Umfragen entscheiden sich vor allem junge Menschen für ganz rechts. Die bevorstehenden Europawahlen sind eine ernsthafte Herausforderung im Kampf für Menschenrechte und Demokratie.

Der Autor ist Mitglied von »NIGDY WIECEJ« / »NEVER AGAIN«. Der Verein dokumentiert im »Brown Book« Vorfälle wie Gewalt oder Hassreden im Zusammenhang mit Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, ­Antisemitismus.