Noch isoliert

von Anne Jessen
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Schweden

Bei der Wahl zum Europaparlament 2014 zogen die rechten »Sverigedemokraterna« (»Schwedendemokraten«, SD) mit 9,7 Prozent der Stimmen und zwei Mandaten zum ersten Mal ins Parlament – Schweden hat insgesamt 20 Sitze. Die beiden SD-Abgeordneten schlossen sich der EU-skeptischen und rechten Fraktion »Europe for Freedom and Direct Democracy« (EFD) an.
Im Juli 2018, kurz vor der schwedischen Parlamentswahl, wechselte die SD zur ebenfalls EU-skeptischen und national-konservativen Fraktion »European Conservatives and Reformatives« (ECR) über. Diese Entscheidung ist aus dem Kalkül heraus getroffen worden, dass die SD – die einen Austritt Schwedens aus der EU möchte – bei einem Wahlerfolg Einfluss auf die geführte Politik Schwedens ausüben werde und es deshalb besser wäre, in einer EU-Gruppe mit anderen größeren Parteien zu sein, die kritisch gegenüber der EU eingestellt sind.

National
Bei der Wahl im Juli stellte sich nicht der erhoffte große Erfolg ein (@derrechterand Nr. 175). Einen Stimmengewinn gab es dennoch. Im Vergleich zur letzten Wahl erhielten sie fast fünf Prozent mehr und damit 17,5 Prozent. Zudem wurden sie die drittstärkste Partei. Im Gegensatz zu Dänemark, wo die »Dansk Folkeparti« (»Dänische Volkspartei«) bei der letzten Wahl die meisten Mandate im bürgerlichen Lager gewann, aber trotzdem nicht an der Regierung beteiligt sein möchte, hat die SD eine Regierungsbeteiligung zum Ziel. In Schweden jedoch ist für die im Riksdag vertretenen Parteien die Zusammenarbeit mit einer Partei mit faschistischen Wurzeln noch immer nicht akzeptabel. Nach über vier Monaten schwieriger Verhandlungen konnte Mitte Januar 2019 eine neue Regierung gebildet werden. Die SozialdemokratInnen und »Grüne« stellen eine Minderheitsregierung. Die Liberalen und die »Zentrumspartei« stimmten dieser unter der Bedingung zu, bei bestimmten Themen zusammenzuarbeiten. Auffällig ist, dass auch die schwedische konservative Partei »Moderata samlingspartiet« (»Moderate Sammlungspartei«) an einer parlamentarischen Zusammenarbeit mit den SD nicht interessiert ist. Darüber kann man sich wundern, haben doch die europäischen konservativen Parteien in der ECR mit den »Schwedendemokraten« keine Probleme. Hier scheint die nationalistisch-konservative EU-Skepsis einen Konsens auszumachen, der wichtiger als rassistische Grundstrukturen und faschistische Wurzeln einer Partei ist.

International
National wie auch auf EU-Ebene haben die »Schwedendemokraten« daran gearbeitet, sich von ihrer faschistischen Herkunft zu distanzieren. So ist es innerhalb der letzten Jahre zu etlichen Ausschlüssen von offen rassistisch auftretenden Mitgliedern gekommen. Vor der Wahl zum EU-Parlament 1999 wurde bekannt, dass die SD Mitglied im europäischen Netzwerk »EuroNat« waren. In diesem Netzwerk waren verschiedene rassistische und faschistische Gruppen aktiv, darunter »Front National« aus Frankreich und »Movimento Sociale Fiamma Tricolore« aus Italien. Die SD zogen sich offiziell heraus, hielten aber über ihre Jugendorganisation »Sverigedemokratisk Ungdom« (»Schwedendemokratische Jugend«, SDU) weiterhin Kontakt. Mittlerweile haben sie die Verbindung zu ihrer Jugendorganisation gekappt. Aus deren Spektrum heraus ist im Dezember 2017 die Partei »Alternativ för Sverige« (»Alternative für Schweden«) gegründet worden ­­
(@derrechterand Nr. 175).
In Skandinavien leiteten 2017 die »Schwedendemokraten«, die »Dänische Volkspartei« und die »Perussuomalaiset« (»Wahren Finnen«) eine Zusammenarbeit ein. Gemeinsam möchten sie ihre Politik gegen Geflüchtete, Muslime, die internationalen Vereinbarungen zu Menschenrechten und die EU stärken.

Neonazis, »Identitäre« und Völkische
Auch in der neonazistischen und faschistischen Szene gibt es Bestrebungen, sich zu koordinieren. In der »Nordiska Motståndsrörelsen« (»Nordische Widerstandsbewegung«) sind Gruppen und Personen aus Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen miteinander vernetzt (@derrechterand Nr. 175).
Mittlerweile gibt es auch in Skandinavien sogenannte »Identitäre«, in Schweden die »Generation Identitär« (GI). Einer der Initiatoren der Bewegung in Schweden ist Daniel Friberg, Gründer und Betreiber des Verlags »Arktos«. Hier werden Bücher über faschistische, identitäre und ethnokulturelle Ideen vertrieben. Friberg hatte bereits 2006 das Webportal »Motpol« als »metapolitischen« Thinktank gegründet. Er ist auch Mitveranstalter von jährlichen internationalen Kongressen über identitäre Ideen. Die GI hat Kontakte nach Norwegen, wo zwei Personen eine zentrale Rolle spielen: Tore Johan Rasmussen, ein altbekannter Neonazi, der zu Martin Sellner aus Österreich guten Kontakt hat. Er pflegt auch mit den britischen »Identitären« eine enge Zusammenarbeit. Für die Völkischen betreibt Olav Torheim eine Website, auf der altnorwegische Sprache und Kultur verehrt werden.

Im nationalen Parlament werden die SD von den anderen Parteien ausgegrenzt. Sie sitzen jedoch in verschiedenen kommunalen Versammlungen, wo sie Einfluss haben. Gemeinsam mit anderen rassistischen und faschistischen Gruppen prägen sie die politische Diskussion und Stimmung im Land gegen Geflüchtete, MigrantInnen, Muslime. Die SD möchten, dass Schweden aus der EU austritt und streben eine Volksabstimmung über die Mitgliedschaft der EU an. Einer Meinungsumfrage vom Mai 2018 zufolge sind 68 Prozent der SchwedInnen für den Verbleib in der EU. Das Brexit-Chaos in Großbritannien könnte sich demnach negativ auf das Wahlergebnis der SD als Anti-EU-Partei auswirken.