Im Parlament gegen das Parlament

von Andreas Speit
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Deutschland

Die »Alternative für Deutschland« hofft auf einen Erfolg bei der Europawahl. Auch NPD und »Die Rechte« kandidieren, um im Europaparlament gegen die EU zu agieren.

Der Bundesvorsitzende und Bundestagsfraktionschef legte die Richtung fest. Auf ihrem Parteitag zur Europawahl im Januar 2019 beschloss die »Alternative für Deutschland« (AfD), einen »Dexit« – also den Austritt aus der EU – nicht mit einer verbindlichen Frist zu fordern. Vor den rund 500 Delegierten wetterte Alexander Gauland zwar über die EU, die »krank an Kopf und Gliedern« sei, aber er warnte vor unrealistischen Forderungen. Ein Ja zu Europa war das aber nicht: »Wir müssen die EU nicht abschaffen, sondern auf ihren sinnvollen Kern zurückführen«, erklärte er. Bei der Europawahl 2014 hatte die AfD sieben Mandate gewonnen. Durch Richtungskämpfe und Austritte seit der letzten Wahl blieb der Partei nur ein Sitz.

AfD: EU-Austritt oder Reform?
Am 13. Januar war die Debatte um den »Dexit« der Höhepunkt des Parteitags. Vor den Saalmikrofonen meldeten sich BefürworterInnen und GegnerInnen eines Austritts aus der EU – wenn bis Ende der kommenden Legislaturperiode 2024 keine Reformen umgesetzt würden, um Macht und Einfluss des Parlaments nachhaltig zu beschränken. Gauland hatte in seiner Rede anfänglich gesagt, dass die EU-Reform das Bohren dicker Bretter sei, das »nicht von heute auf morgen« ginge. »Begeben wir uns nicht auf einen Weg der Ungewissheiten! Davor möchte ich gerne warnen«, endete er und erntete Standing Ovations.

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Alexander Gauland und Jörg Meuthen zeigen beim Pressebild wo es hingeht – immer weiter nach Rechts © Roland Geisheimer / attenzione

Die Stimmung legte nahe, dass ein Kompromissvorschlag des Spitzenkandidaten zur Europawahl und Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen eine Mehrheit finden könnte. Er schien mit dem thüringischen Landes- und Fraktionschef Björn Höcke eine Übereinkunft gefunden zu haben. Denn »Der Flügel« um Höcke hatte in einem Positionspapier die EU nicht bloß als »undemokratisches Konstrukt«, das von den politischen Klassen »Europas« besetzt sei und von einer »intransparenten nicht kontrollierbaren Bürokratie« gestaltet werde, ausgemacht, sondern eben auch einen Austritt gefordert, wenn keine »Reformansätze« der AfD sichtbar würden. »Diese Selbstbindung ist gefährlich«, kritisierte Meuthen. Die AfD wäre dann daran gebunden, in fünf Jahren den »Dexit« zu fordern. Meuthen, der schon im Europaparlament sitzt, schlug dagegen eine weichere Formulierung vor, die EU solle sich »in angemessener Zeit« reformieren. Seien Reformen nicht zu erkennen, könnte aber ein Austritt »notwendig« werden. Im Leitantrag heißt es nun: »Sollten sich unsere grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU in angemessener Zeit nicht verwirklichen lassen, halten wir einen Austritt Deutschlands oder eine geordnete Auflösung der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft als letzte Option für notwendig.« Die Umsetzung der Vorschläge würde die EU fundamental umgestalten. Sie soll eine reine »Wirtschafts- und Interessengemeinschaft souveräner Staaten« werden. Eine eigene Gesetzgebungskompetenz wird abgelehnt, ein Europäisches Parlament kommt dann nicht mehr vor. Nach aktuellen Meinungsumfragen würde die AfD bei der Wahl bis zu 15 Prozent der Stimmen erreichen und mit 14 Abgeordneten ins EU-Parlament einziehen. Auf Platz eins der Liste steht der Vorsitzende Jörg Meuthen, Listenplatz zwei geht an das ehemalige SPD-Mitglied Guido Reil aus Nordrhein-Westfalen. Ihm folgt auf Platz drei das ehemalige CDU-Mitglied Maximilian Krah aus Sachsen. Vermutlich sollen beide unschlüssige WählerInnen beider Parteien mobilisieren. Auf Listenplatz sechs kandidiert Nicolaus Fest, ehemaliger Redakteur der »Bild« und »Bild am Sonntag«. Beim Parteitag in Riesa erreichte Thorsten Weiß, ehemaliger Chef der »Jungen Alternative« in Berlin und Mitglied im dortigen Abgeordnetenhaus, Platz 14 und der sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, bislang Sprecher der »Patriotischen Plattform«, Platz 19. Beide haben gute Kontakte zur »Identitären Bewegung«.

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Spitzenkandidatin Ursula Haverbeck – Haverbeck beim Prozess gegen den Holocaustleugner Ernst Zündel in Mannheim 2006 © Mark Mühlhaus / attenzione

NPD und »Die Rechte«
Mit einem Mandat konnte die NPD 2014 ins Europa-Parlament einziehen. Udo Voigt nutzte das Mandat, um eine europaweite Partei ­»Alliance for Peace and Freedom« (APF) aufzubauen. Mit dem Slogan »Ja zur Festung Europa« hofft die Partei mit Voigt als Spitzenkandidat auf einen Wiedereinzug. In den vergangenen Monaten hat die Partei die Aktivitäten des mit 85 Prozent der Stimmen wieder gewählten Kandidaten nicht bloß wegen der Wahl breit dargestellt. Die NPD hat sonst kaum eigene Aktionen vorzuzeigen. Um ein Mandat ringt auch »Die Rechte« um Sven Skoda, der auf Platz zwei der Wahlliste antritt. Für die Spitzenkandidatur hat die Neonazi-Kleinstpartei die Grande Dame der Holocaustleugnungsszene, Ursula Haverbeck, gewinnen können. Am 20. April 2019 soll in Wuppertal der Wahlauftakt stattfinden.

Nein zur Flüchtlingspolitik
Alle Parteien eint ihr Nein zur EU, insbesondere ihre Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Der Erfolg der Rechtsparteien hängt auch davon ab, inwieweit es ihnen gelingt, die politische Agenda zu setzen. Die Aussage des Präsidenten des »Bundesamtes für Verfassungsschutz«, Thomas Haldenwang, am 15. Januar 2019, die AfD nun als »Prüffall« des Geheimdienstes einzustufen, da »tatsächliche Ansatzpunkte« für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorlägen, könnte das Wahlergebnis beeinflussen.