Zwischen Krise und nationalen Fragen

von John Malamatinas
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Griechenland

Von dem Nationalismus in der Mazedonienfrage konnte die extreme Rechte noch nicht profitieren.

Panos Kammenos © wikimedia / EU2017EE Estonian Presidency CC BY 2.0

Im August 2018 kündigte Ministerpräsident Alexis Tsipras an, dass Griechenland künftig ohne die von der EU bereitgestellten Finanzhilfen auskommt. Damit erklärte er die Staatsverschuldungskrise für beendet, die das Land jahrelang sozial und wirtschaftlich erschüttert hatte. Seitdem versucht seine Regierung, mit Rentenerhöhungen und sozialen Transferzahlungen die Gunst der WählerInnen zurückzugewinnen. Denn einige Monate vor den Europawahlen und den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen liegt die linke Regierungspartei »Synaspismos Rizospastikis Aristeras« (»Koalition der Radikalen Linken«, SYRIZA) weit hinter der konservativen Oppostitionspartei »Nea Dimokratia« (»Neue Demokratie«), angeführt von Kyrgiakos Mitsotakis.

Mobilisierung zur Mazedonienfrage
Letzterer geht vor allem mit nationalistischen Themen am rechten Rand der Gesellschaft auf Stimmenfang. Zehntausende DemonstrantInnen forderten 2018 auf mehreren landesweiten Kundgebungen, den Begriff ‹Mazedonien› nicht in den Namen der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien aufzunehmen. Sie argumentierten, dass dies die griechische Geschichte diskreditiere und zur Destabilisierung der Region beitrage. Zuletzt hatten 1992 derartige Versammlungen stattgefunden – inmitten eines nationalistischen Aufruhrs gegen den 1991 nach Ende des Jugoslawienkrieges gegründeten Nachbarstaat. Seit 2008 blockiert Griechenland auch den NATO-Beitritt des Nachbarlandes. Aus Sicht Griechenlands provozierte Mazedonien seinerseits, indem Flughäfen und andere wichtige Orte nach Alexander dem Großen benannt wurden.
Nach mehrjährigem Stillstand der Verhandlungen über den Namensstreit zeichnete sich zuletzt eine Einigung zwischen den beiden Ländern ab, die zu einem Referendum in Mazedonien führte. Trotz geringer Beteiligung an der Abstimmung beschloss das mazedonische Parlament den Kompromissvorschlag »Nord-Mazedonien« anzunehmen. Offen ist, wann die Regierung von Tsipras den Vorschlag durch das griechische Parlament bringt und ob sie die Abstimmung überstehen wird.
Von dieser nationalistischen Stimmung – die von Konflikten um Hoheitsgebiete mit der Türkei oder die Tötung eines griechischen Nationalisten durch die Polizei in Albanien verstärkt wurde – konnten ex­trem rechte Parteien bisher nicht direkt profitieren. Die neonazistische »Chrysi Avgi« (»Goldene Morgenröte«, CA) erreicht aber in Umfragen zur Europawahl weiterhin erschreckende 6,8 Prozent und kämpft mit der sozialdemokratischen Partei um den dritten Platz – die entscheidende Frage ist dabei, ob die Neonazis zwei oder drei Sitze im Europaparlament erzielen werden.

»Chrysi Avgi«
Der Name »Chrysi Avgi« tauchte erstmals Anfang der 1980er Jahre als Titel einer Zeitschrift neonazistischer Zirkel auf. Schon damals war Nikolaos Michaloliakos Chef der jungen Gruppe und Herausgeber des Magazins. 1993 dann gründete er den »Völkischen Bund Chrysi Avgi«. Die ersten Erfolge feierten die Neonazis in den 1990ern. Doch erst bei den Kommunalwahlen 2010 erzielte »Chrysi Avgi« erstmals einen nennenswerten Wahlerfolg. Michaloliakos zog als Abgeordneter in den Stadtrat von Athen – und provozierte gleich mit einem Hitlergruß. Seitdem hat sich die Partei zur drittstärksten politischen Kraft entwickelt. Das änderte sich im September 2012, als der Mord an dem prominenten Rapper Pavlos Fyssas das Land schockierte. 69 Mitglieder der Partei, darunter Nikolaos Michaloliakos und 18 Abgeordnete, wurden verhaftet und wegen der Leitung einer kriminellen Organisation angeklagt. Entscheidend ist im Prozess, das Führerprinzip der Organisation nachzuweisen – davon hängt ab, ob Michaloliakos ins Gefängnis kommt. Die Verhandlung dauert an – die Führungsmitglieder sind nach Ablauf der U-Haft inzwischen auf freiem Fuß. Weitere Angriffe von Mitgliedern der Partei richteten sich gegen alle, die als Feinde angesehen wurden: linke und antirassistische AktivistInnen, Roma und MigrantInnen – insbesondere AlbanerInnen.

Der kleine Rest – Der Juniorpartner und Splitterparteien
Der bisherige Juniorpartner in der Regierungskoalition – »Anexartiti Ellines« (»Unabhängige Griechen«, ANEL) – wurde im Februar 2012 von Panos Kammenos gegründet, Ex-Mitglied der Konservativen und bis vor kurzem Verteidigungsminister. Unter dem Mantel der klassischen Protestpartei versucht die Partei, sich mit rechtspopulistischen Tönen als die wahre Alternative zu den »korrupten Eliten« und gegen die »ausländischen Mächte, die unser Land bedrohen« zu inszenieren. Die ANEL pflegen antideutsche Töne und fordern eine Begleichung der Reparationszahlungen aus dem Zweiten Weltkrieg. In aktuellen Umfragen sinken ihre Werte eher: Bei den Europawahlen 2014 erreichten sie noch 3,5 Prozent und einen Sitz – bei den kommenden Wahlen werden sie laut Umfragen auf lediglich 1,5 Prozent geschätzt und würden ihren Sitz verlieren.
Für alle Seiten, nicht nur für die extreme Rechte der griechischen politischen Landschaft, werden die beiden kommenden Wahlen entscheidend sein: Für SYRIZA, ob ihre Regierung weiterhin legitimiert ist; für die Konservativen droht im Falle eines schwachen Ergebnisses ein Führungswechsel. Auch die neu antretende, patriotische und pro-russische Splitterpartei »Griechische Lösung« wird nicht über 1,5 Prozent kommen. Es bleibt abzuwarten, ob sich in der Zukunft ein neuer Player im rechten Spektrum etabliert – vor allem im Bezug auf die Mazedonienfrage.