Im Schatten Griechenlands

von John Malamatinas
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Zypern

Seit 1974 ist Zypern geteilt – in einen griechischsprachigen Teil, der 2004 der EU beigetreten ist, und einen türkischsprachigen Teil, der als eigenständiger Staat nur von der Türkei anerkannt wird. Die Teilung erfolgte, nachdem die Nationalgarde mit Hilfe der griechischen Militärjunta in einem Putsch den Präsidenten Makarios stürzte. Das türkische Militär, das sich als Schutzmacht der türkischen InselbewohnerInnen versteht, intervenierte und besetzte den Norden der Insel. Der Konflikt dauert seit jeher an – besonders im Schatten der traditionellen Feindschaft zwischen Griechenland und der Türkei. Bei der kommenden Europawahl wird aufgrund der Inselteilung nur im EU-Teil Zyperns gewählt.

Die geteilte Insel im östlichen Mittelmeer stand im vergangenen Jahr im Mittelpunkt der andauernden europäischen »Flüchtlingskrise«. Mit fast 6.000 Anträgen auf rund eine Million EinwohnerInnen verzeichnete Zypern 2018 im Verhältnis mehr Asylanträge als jeder andere EU-Mitgliedstaat. Im August waren die Anfragen um 55 Prozent höher als im gleichen Zeitraum im Vorjahr – ein Wert, der nach Angaben des Innenministeriums bereits mehr als doppelt so hoch war wie 2016. Da die Asyl- und Aufnahmesysteme des Landes stark überlastet sind, haben alarmierte BeamtInnen Brüssel um Hilfe gebeten.
Es wird befürchtet, dass sich das Drama im östlichen Mittelmeerraum weiter verschlimmert, wenn der Krieg in Syrien andauert und sich die Situation, vor allem nach dem Rückzug der US-Armee, weiter verschlechtert. Zypern war von der »Flüchtlingskrise« bisher kaum betroffen, da die meisten europäischen AsyslbewerberInnen vor der Schließung der Balkanroute über Griechenland und Italien reisten. Seit 2016 steigt die Zahl der Asylanträge wieder stark.

Wie anderswo in Europa ist die Insel nicht immun gegen die Feindseligkeit gegenüber den Neuankömmlingen. Extrem rechte Gruppen, die sich um die ultranationalistische »Ethniko Laiko Metopo« (»Nationale Volksfront«, ELAM) zusammenschließen, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, da das Thema Einwanderung vor den Europawahlen im nächsten Jahr als Futter für ihre Zustimmung dient.

Ethniko Laiko Metopo
Zypern

ELAM
Bei den Europawahlen 2014 hat ELAM lediglich knapp 2,7 Prozent (6.957 Stimmen) erreicht. Das Selbstverständnis von ELAM verdeutlicht ein Zitat des Vorsitzenden Christos Christou: »Wir sind keine Faschisten, sondern eine nationalistische Bewegung, wir kämpfen für den zypriotischen Hellenismus.« Gegründet wurde ELAM 2008 von zypriotischen StudentInnen, die den Aufstieg der neonazistischen Partei »Chrysi Avgi« (»Goldene Morgenröte«, CA) in Griechenland während der Krise beobachtet hatten und ihr nacheiferten. Historisch bezieht sich ELAM in erster Linie auf die »Ethniki Organosis Kyprion Agoniston« (»Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer«, EOKA), die von 1955 bis 1959 für die Befreiung Zyperns von der britischen Herrschaft gekämpft hat.

ELAM ist eine Partei mit klar neonazistischer Ideologie, die im Rahmen der Eurokrise und Zyperns Bankenkrise ihr vermeintlich antisystemisches Gesicht zu zeigen versuchte. Ferner ist sie bemüht, das »Problem« der Migration ohne Papiere auf die zypriotische politische Agenda zu bringen, um sich besonders in Krisenzeiten zu profilieren. Für soziale Probleme fordert sie eine »nationale Lösung«. Durch ihren Internetauftritt, ihr Grundsatzpapier und Aufmärsche wird vor allem klar, dass die Partei die Theorie und Praxis der »Goldenen Morgenröte« fast eins zu eins übernommen hat – gar ihre Schwesterpartei geworden ist. Bei ihrer Gründung 2008 versuchte die Partei sogar, sich als »Goldene Morgenröte – Ortsgruppe Zypern« zu registrieren. Weil dies aber das Register des Innenministeriums ablehnte, wurde schließlich »ELAM« als Name gewählt.

In der Praxis agiert ELAM hauptsächlich bei Krisenprotesten und durch Aktionen, wie etwa Essens- und Kleidungsausgaben nur für griechische ZypriotInnen oder auch Gedenkveranstaltungen für zypriotische Soldaten der EOKA. Offensichtlich ist auch, dass ELAM das Konzept der sogenannten Schlägertrupps der »Goldenen Morgenröte« übernommen hat: Rassistische Angriffe der »ELAM« kamen vermehrt in der Vergangenheit ans Licht der Öffentlichkeit, wie beispielsweise zwei Angriffe im Jahr 2013 mit Molotow-Cocktails und Knüppeln auf ein Haus mit 15 MigrantInnen aus Ägypten. Zuletzt war ELAM im Dezember wieder in den Schlagzeilen, als die Elternvereinigung einer Grundschule in der Stadt Paphos sich empörte, nachdem Neonazis die Einrichtung besucht und Jacken für arme griechische Kinder gespendet hatte.

Vierter Platz und ein Sitz
Als eines der kleinsten Länder der EU hat Zypern, genau wie Luxemburg, nur sechs Sitze im Europaparlament. Bekanntlich werden die Sitze nach Bevölkerungszahl verteilt – eigentlich hätten dann kleine Länder nur einen Sitz, werden aber begünstigt und bekommen sechs Sitze. ELAM erlebt trotz ihres abschreckenden, neonazistischen Profils von Wahlkampf zu Wahlkampf einen kleinen, aber bemerkenswerten Aufstieg. Das Ergebnis, das bei den letzten Präsidentschaftswahlen Ende Januar 2018 verzeichnet wurde (5,6 %), ist nicht unabhängig vom weiteren Aufstieg der extrem rechten und nationalistischen Bewegungen und Parteien in fast ganz Europa. Die Wahrscheinlichkeit, den sechsten Sitz im Europaparlament zu gewinnen und gleichzeitig zur viertgrößten politischen Kraft in Zypern zu werden, scheint nun im Gegensatz zu den letzten Europawahlen ein sehr wahrscheinliches Szenario zu sein.