Make Europe Great Again

von Carl Kinsky
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Bannon

Seit seinem Zerwürfnis mit Donald J. Trump und dem Rauswurf bei »Breitbart News« sucht Stephen Bannon nach neuen Betätigungsfeldern. Sein neues Vorhaben: Die europäische extreme Rechte für die Europawahl 2019 vereinen. Ob er sein Ziel umsetzen kann, bleibt offen.

Magazin der rechte rand
Stephen Bannon
© wikimedia / Michael_Vadon CC BY-2.0

Auf den Wahlsieg von Donald J. Trump in den USA, zu dem nach weitläufiger Meinung Stephen »Steve« Kevin Bannon (s. derrechterand Nr. 164) als Kopf seines Wahlkampfteams wesentlich beitrug, folgte wenig später die Ernüchterung. Im August 2017 trat Bannon nach einem Vertrauensverlust als Stabschef des Weißen Hauses zurück, im Januar 2018 verließ er auf Drängen der rechten Mäzenin Rebekah Mercer seinen Chefposten bei »Breitbart News«. Nachdem er sich somit innerhalb weniger Monate mit seinen ehemaligen FreundInnen und FörderInnen überworfen hatte, suchte Bannon nach neuen Projekten. Ins Auge fasste er dabei die Förderung extrem rechter Parteien jenseits des Atlantiks.

Erste Schritte
Bereits Anfang März 2018 trat Bannon seine Europa-Tournee an. Er reiste nach Rom, um dort den anstehenden Wahlerfolg der extrem rechten »Lega« bei den Parlamentswahlen mitzuerleben und sich mit deren Vorsitzendem Matteo Salvini zu beraten. Am 6. März trat er in Zürich auf einer Konferenz der Schweizer Wochenzeitung »Die Weltwoche« auf, zu der ihn deren Verleger Roger Köppel, Nationalrat der »Schweizerischen Volkspartei« (SVP), eingeladen hatte. Bei diesem ersten öffentlichen Auftritt knüpfte er an das beliebte Narrativ der Vorbildfunktion der Schweizer Demokratie für (extrem) rechte Parteien an: Den SVP-Politiker Christoph Blocher, Wortführer der erfolgreichen GegnerInnen eines Beitritts der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum im Jahr 1992, beschrieb er als Trump-Vorläufer und die Schweiz daher als Vorbild nationaler Souveränität. In Zürich traf er sich auch mit Alice Weidel, Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der »Alternative für Deutschland« (AfD), welche sich Rat holte für den Aufbau des »Newsroom«, dem offiziellen Presseportal der Partei. Bereits wenige Tage später, am 10. März, trat Bannon auf Einladung der Parteivorsitzenden Marine Le Pen bei dem Parteitag des »Front National« in Lille auf. Auf diesem wurde die Partei in »Rassemblement National« (RN) umbenannt, um mit einem neuen Image höhere Wahlergebnisse zu erzielen. Bannon hielt eine leicht angepasste Version seines Vortrags und wiederholte sein Mantra, dass allein die Wahlkampfmotive der Verhinderung »Illegaler« und die Verringerung legaler Einwanderung, Standortnationalismus gegen China und die Beendigung von Kriegseinsätzen im Ausland Trump zum Wahlsieg verholfen hätten, und dies folglich eine Vorbildfunktion für Europa habe.

Zwei Monate später, am 22. Mai, diskutierte er über US-amerikanische Politik mit Lanny Davis, einem Anwalt und US-amerikanischen Politiker der »Demokraten«, in Prag. Moderiert wurde die Veranstaltung von Alexandr Vondra, ehemaliger Verteidigungsminister Tschechiens und ehemaliger Botschafter des Landes in den USA. Ausgerichtet wurde die Podiumsdiskussion von der Rüstungs-Holding-Gesellschaft »Czechoslovak Group« und der Privatuniversität »CEVRO Institute«, an der Vondra das »Prague Centre for Transatlantic Relations« leitet. Einen Tag später sprach Bannon auf Einladung der ungarischen Regierung bei der Konferenz »The Future of Europe« vor hochrangigen PolitikerInnen der »Visegrad Group«, dem Staatenbündnis von Ungarn, Polen, Slowakei und Tschechien zur Förderung gemeinsamer nationaler Interessen. Bannon erhielt anschließend eine Audienz beim autokratischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, ebenso wie andere Vortragende wie der rassistische Autor Douglas Murray aus England und der US-amerikanische Oswald-Spengler-Fan David Paul Goldman, der unter dem Pseudonym »Spengler« für die »Asia Times« schreibt.
Parallel zu seinen Auftritten gab Stephen Bannon zahlreiche Interviews und verstand es, einen hohen Medienrummel um seine Aktivitäten in Europa zu schaffen.

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Startschuss
Im Juli 2018 lud Bannon schließlich selbst zahlreiche führende PolitikerInnen extrem rechter Parteien aus ganz Europa für zwei Tage in das Brown’s Hotel in London ein. Hier stellte er das erste Mal seinen Plan vor, sich als politischen Berater für die extreme Rechte in Europa zu etablieren. Bannons Plattform soll »The Movement« (»Die Bewegung«, TM) heißen und nicht nur extrem rechten Parteien einen Raum zum Austausch bieten, sondern auch Hilfe bei Datenerhebungen für Wahlkämpfe, die Vermittlung politischer Botschaften und die mediale Abwehr politischer Angriffe bieten. Ein erster Meilenstein dieser neuen Zusammenarbeit sollen hohe Wahlerfolge bei der Europawahl im Mai 2019 sein.

Bannons Einladung folgten unter anderem Louis Aliot, Lebensgefährte von Marine Le Pen, und Jérôme Rivière von RN, Nigel Farage von der »UK Independence Party« (UKIP; ausgetreten im Dezember 2018), Ben Harris-Quinney vom konservativen englischen Think Tank »Bow Group« und Mischaël Modrikamen, Vorsitzender der belgischen »Parti Populaire« (PP). Anwesend waren auch Kent Ekeroth von den »Sverigedemokraterna« (SD) aus Schweden und Filip Dewinter von »Vlaams Belang« (VB) aus Belgien, welcher von Raheem Kassam eingeladen wurde, einem engen Vertrauten Bannons und Leiter des »Breitbart«-Büros in London bis Mai 2018. Im Oktober 2016 versuchte Kassam erfolglos, sich mit dem Slogan »Make UKIP great again« als neuer Parteivorsitzender durchzusetzen. Einen Monat später gehörte er mit Farage und dem UKIP-Großspender Arron Banks zu den ersten Politikern, die bei einem Treffen in New York Donald Trump persönlich zu seinem Wahlsieg gratulierten

Alte und neue FreundInnen

#EUParlament
von Jan Rettig im Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 – Januar / Februar 2019

Komplizen
»The Movement« existierte bereits bevor Bannon anfing, sich in Europa anzupreisen. Am 9. Januar 2017 war sie von Mischaël Modrikamen als Stiftung in Belgien gegründet worden, um (extrem) rechte Parteien in Europa zu fördern und zu vernetzen. Als Ziele wurden »die Förderung von Rechtsstaatlichkeit, freier Marktwirtschaft, natio­naler Souveränität, nationaler Grenzsicherung, Volksbefragungen, des Kampfes gegen den radikalen Islam, eines wissenschaftlichen und undogmatischen Umgangs mit klimatischen Phänomenen und der Verteidigung des souveränen israelischen Staates auf dessen historischem Land« festgehalten. Als Vorstand fungierten Modrikamen, die Generalsekretärin der PP und seine Ehefrau Yasmine Dehaene, sowie Laure Ferrari, Vorsitzende des »Institute for Direct Democracy in Europe« (IDDE), einer Stiftung der von Modrikamen angeführten Europapartei »Alliance for Direct Democracy in Europe« (ADDE). Angesiedelt wurde die nahezu inaktive Stiftung mit einem Startkapital von lediglich 2.500 Euro in der Villa von Modrikamen in Watermael-Boitsfort, wo sie nach wie vor ihren Sitz hat.

Laut eigener Aussage suchte Modrikamen seit geraumer Zeit vergebens Kontakt zur Trump-Regierung, bevor er mit der Hilfe von Farage in London das erste Mal Bannon traf. Schnell beschlossen Bannon und Modrikamen zusammenzuarbeiten: Bannon, dessen Privatvermögen 2017 auf bis zu 53 Millionen Dollar geschätzt wurde, versprach, die Stiftung mit einem Personal von 10 bis 15 Personen auszustatten und nach seinen Vorstellung in ihrer Arbeit umzustrukturieren, während Modrikamen diese weiterhin leiten soll. So könnte er zum Vorsitzenden einer potenziell finanzstarken und einflussreichen Stiftung für die extreme Rechte in Europa aufsteigen, während Bannon von einer vorhandenen Struktur profitieren kann.

Eigene Widersprüche
Trotz der beeindruckenden Menge an Kontakten die Bannon innerhalb Europas knüpfen konnte, steht TM vor einigen Herausforderungen. Eine der größten dürfte die Tatsache sein, dass eine wesentliche Unterstützung von Parteien im Wahlkampf zur Europawahl in den meisten Ländern, in denen Bannon aktiv werden möchte, gegen geltendes Recht verstößt. Einzig in Italien und den Niederlanden gibt es keine gesetzlichen Schranken.

Zudem stößt Bannons Vernetzungsangebot bei den AdressatInnen nicht auf ungeteilte Zustimmung. Nicht nur die SD und UKIP haben bereits ihre Ablehnung einer Zusammenarbeit mit Bannon geäußert. Auch die AfD und die »Freiheitliche Partei Österreichs« (FPÖ) lehnen bisher offiziell eine Zusammenarbeit mit Bannon ab, da dieser »zu amerikanisch« sei. Ähnlich äußerten sich auch Le Pen und Rivière seitens der RN. Ob es sich bei dieser Ablehnung um antiamerikanische Ressentiments, Platzhirsch-Mentalität oder eine taktische Abgrenzung zur Abwehr von Vorwürfen illegaler Wahlkampffinanzierung handelt, bleibt abzuwarten. Wenig Vertrauen erweckend dürfte in diesem Zusammenhang der Umstand sein, dass die ADDE sich im Mai 2017 im Zuge von Betrugsvorwürfen seitens des Europaparlaments selbst auflöste. Im November 2017 kam es zu einer Hausdurchsuchung bei Modrikamen: Die ADDE war gegründet worden, um Mitgliedsparteien mehr EU-Gelder zukommen zu lassen. Daher soll sie 1,1 Millionen Euro zurückzahlen. Die IDDE hat aufgrund betrügerischer Vertragsvergaben ihre EU-Fördergelder verloren.

Doch nicht nur deshalb ist Bannon mit Modrikamen als Bündnispartner ein Risiko eingegangen. Ein Bündnis mit »Vlaams Belang« (VB) dürfte ausbleiben, da Modrikamen diese, als gläubiger Jude und Sohn eines jüdischen Widerstandskämpfers, aufgrund ihrer Nähe zu nationalsozialistischer Ideologie und antisemitischer Ausfälle ablehnt. Zugleich spricht er von vermeintlich unveränderbaren »archaischen Werten« bei Muslimen, die dazu führten, dass »Horden von Primitiven« Jagd auf »unsere Frauen« machen würden. Der europäische VB-Abgeordnete Gerolf Annemans bezeichnet ihn in passend antisemitischer Manier als »Scharlatan«. Auch Marcel de Graaff, Vorsitzender der niederländischen »Partij voor de Vrijheid« (PVV) im Europaparlament, lehnt eine Zusammenarbeit mit TM explizit wegen Modrikamen ab.

Bannon kann hingegen einige Erfolge vorweisen. Interesse an »The Movement« zeigte der tschechische Ministerpräsident Miloš Zeman durch einen Empfang von Bannon, in Begleitung des AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, in Prag am 23. September 2018. Zwei Wochen zuvor, am 7. September, haben sowohl die »Lega« um den italienischen Innenminister Matteo Salvini, als auch die Vorsitzende der »Fratelli d´Italia«, Giorgia Meloni, ihren Beitritt zu TM bekannt gegeben. Im November gab Bannon schließlich an, dass er mit Viktor Orbán eine Zusammenarbeit zur Europawahl verabredet habe. Allen Bündnissen gemein ist Bannons Behauptung, seine PartnerInnen seien »genau wie Trump« und gemeinsam könnten sie Großes erreichen. Ob Bannon seine angepriesene Bewegung zur Europawahl 2019 auf die Beine stellen kann, bleibt ungewiss. Erledigt ist sie leider noch lange nicht.

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Europa Ausgabe – Die radikale Rechte vor der Wahl

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