Große Zauberworte auf dem Prüfstand
von Volkmar Wölk
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019
#HausEuropa
Vorhersagen sind immer schwierig; vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Doch einige Prognosen lassen sich gefahrlos anstellen. Zum Beispiel die, dass die Karriere des Nigel Farage (UKIP), über Jahre umworben von der extremen Rechten in Europa, endgültig beendet ist. Der Brexit lässt seine frühere Partei als Partner im Europaparlament wegfallen. Und bei den »Europäischen Konservativen und Reformern« werden die britischen »Tories« fehlen.
Ebenso sind kaum Prognosekraft und Analysefähigkeit für die Aussage notwendig, dass die Parteien der extremen Rechten deutlich zulegen können. So liegt in der letzten französischen Umfrage (20.12.2018) der »Rassemblement National«, die Partei von Marine Le Pen, an der Spitze mit drei Prozent Vorsprung vor der Formation des Präsidenten Emmanuel Macron. WahlforscherInnen gehen inzwischen davon aus, dass der rechtsaußen angesiedelte Flügel des Europaparlaments auf bis zu 150 Abgeordnete, also ein Fünftel der gesamten Sitzzahl, anwachsen könnte. Ob diese sich dann tatsächlich zu einer gemeinsamen Fraktion zusammenschließen werden, ist keineswegs ausgemacht. Die ablaufende Legislaturperiode hat deutlich gezeigt, dass es für die NationalistInnen äußerst schwierig ist, tatsächlich zu einer Art »Internationale der Nationalisten« zu werden. Eine keineswegs neue Erscheinung. Im Negativen, den gemeinsam abgelehnten Eigenschaften der EU, besteht eine wesentlich höhere Übereinstimmung als im Positiven, also ob man überhaupt weiterhin eine Europäische Union will, ob und wie der Euro erhalten bleiben soll und welche Reformschritte gegebenenfalls angegangen werden sollen. Auch für regionalen Zündstoff ist reichlich gesorgt. In der Vergangenheit war das Alto Aldige (Südtirol) eine solche Sollbruchstelle. Sie besteht weiterhin. Der Konflikt zwischen den VertreterInnen der italienischen »Lega« und der österreichischen »Freiheitlichen Partei Österreichs« ist vorprogrammiert durch den Beschluss der österreichischen Regierung, den SüdtirolerInnen den Doppelpass anzubieten.
Der Wunsch
Das Zauberwort mit dem alle Parteien der extremen Rechten um sich werfen, lautet »Europa der Vaterländer«, ein altes Konzept des französischen Präsidenten Charles de Gaulle. Zunächst einmal bedeutet dies die Kooperation souveräner Nationalstaaten, die nur jene Dinge gemeinsam tun, die die einzelnen Staaten gar nicht oder nur schlechter umsetzen könnten. Also Freihandel und Zollfreiheit untereinander, aber keine gemeinsame Währung, da dies einen Verlust von Souveränität bedeutet. Ansonsten gilt das Subsidiaritätsprinzip, wonach die jeweils kleinere Einheit alles erledigt, was sie kann, und die größere Einheit nur tätig werden darf, wenn die kleinere überfordert ist und dies will. Eine gemeinsame Außenpolitik wäre unter diesen Voraussetzungen nur schwer vorstellbar.
Konfliktlinien
Dissens ist ebenso vorprogrammiert im Bereich der Demokratie und Repräsentanz. Im Europawahlprogramm der »Alternative für Deutschland« ist beispielsweise der Plan enthalten, das EU-Parlament drastisch auf 100 Mitglieder zu verkleinern, auf Direktwahlen zu dem Gremium vollständig zu verzichten und die Abgeordneten der Größe des jeweiligen Landesparlamentes entsprechend durch dieses zu entsenden. Eigene Gesetzgebungsbefugnisse soll das Europaparlament nicht haben. Gerade bei den Abgeordneten der Rechtsparteien aus kleineren EU-Ländern dürfte dieser Plan auf nur wenig Gegenliebe stoßen, denn seine Umsetzung würde bedeuten, dass sie dort nicht mehr vertreten wären. Gerade sie sind aber auf Geld, Einfluss und damit verbundene Infrastruktur angewiesen. Als ‹Gelddruckmaschine› war das Europaparlament trotz aller politischen Einwände bei der extremen Rechten schon immer beliebt. Widerstand wäre aber auch vom »Rassemblement National« zu erwarten, denn in Frankreich sind die Europawahlen die einzigen auf Landesebene, die nach dem Verhältniswahlrecht und nicht nach dem Mehrheitsprinzip erfolgen.
Die Liste der Streitpunkte ließe sich fortsetzen. Spätestens an dieser Stelle rächt es sich, dass in den Parteien der extremen Rechten die Entwicklung von Europakonzeptionen vernachlässigt worden ist. Während in anderen Bereichen häufig auf die ideologischen Vorarbeiten der »Neuen Rechten« zurückgegriffen wurde, ist dies im Bereich der Europapolitik unterblieben. Deren Vordenker betonen seit Jahrzehnten, der Nationalstaat sei heute obsolet, da er viel zu klein sei, um die großen Probleme zu lösen, und viel zu groß, um Identität zu vermitteln. Dagegen blieben die Wahlparteien dieses politischen Lagers dem Primat der nationalen Politik treu. Dies gilt insbesondere für die deutsche extreme Rechte. Es ist also keineswegs ausgemacht, dass die »Alternative für Deutschland« (AfD) und ihre europäischen Verbündeten die Vorteile werden nutzen können, die ihnen die stärkere Vertretung im Parlament bietet.
Unabhängig davon wird es einen Rechtsruck geben, der vor allem den verstärkten Ausbau der Festung Europa bedeutet. Ein »gemeinsames Haus Europa«? Die Türen sind verrammelt, die Zugbrücke hochgezogen, der Wassergraben gefüllt. Ganz ohne extreme Rechte.
Grafik mit allen rechten und konservativen Fraktionen im EU Parlament – Stand Januar 2019
Download der Grafik in DinA3 als PDF
»»» Editorial / Kommentar Ausgabe 176
von der Redaktion