Editorial / Kommentar Ausgabe 176
von der Redaktion
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
»Strache hat vor Gericht gelogen«, twitterte die »Sozialdemokratische Partei Österreichs« am 18. Janaur 2019 empört. Auch die Berichte in der österreichischen Presse waren eindeutig. Heinz-Christian Strache, der Vizekanzler und »Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport« und Chef der rechtsradikalen »Freiheitlichen Partei Österreichs« (FPÖ), hatte zu seinen Kontakten in die neofaschistische Szene gelogen – und musste das nun einräumen. Der Politiker wollte sich dagegen wehren, in die Nähe der »Identitären« gerückt zu werden und hatte ein Verfahren gegen einen Politikberater angestrengt. Diesem warf er vor, ein gefälschtes Foto verbreitet zu haben. Darauf sind Strache und ein mutmaßliches Mitglied der »Identitären Bewegung« an einem Kneipentisch zu sehen. Vor Gericht musste Strache nun einräumen, dass sein Gesicht nicht – wie bis dato von ihm behauptet – »hineinmontiert« worden sei, sondern er tatsächlich an dem Tisch in einem Lokal mit eben jenem Rechten saß.
Konsequenzen dieser Lüge? Keine. Die Forderung nach Rücktritt aus der Opposition und die kritischen Medienberichte verpufften. Weder Strache und seine FPÖ noch der konservative Koalitionspartner von Regierungschef Sebastian Kurz ziehen einen solchen Schritt in Erwägung (Stand: 23.01.2019). Warum auch? Der Gewöhnungseffekt ist schon längst eingetreten. Alle wissen um die politische Vita des Vize-Regierungschefs von Österreich, den die Konservativen – übrigens die Schwesterpartei der deutschen CDU/CSU – erst ins Amt gebracht haben. Alle kennen die Bilder von den Wehrsportübungen mit militanten Neonazis. Alle wissen um seine politisch deutschnationale Herkunft und um seine rassistischen Positionen. An Strache prallt das ab, »HC Teflon« wurde Strache schon genannt. An ihm bleibt einfach nichts kleben.
Ungarn, Österreich, Italien, Polen … die Rechtsregierungen in Europa produzieren einen Skandal nach dem anderen. Und sie machen – offen erkennbar – eine Politik gegen die Mehrheit der Menschen. Sie ist nicht nur rassistisch, sie ist auch unsozial, antidemokratisch und setzt auf die Spaltung der Gesellschaft: Mehr Arbeit, weniger Unterstützung durch den Staat, mehr Privatisierungen, weniger Mitbestimmung, mehr Kontrolle, weniger Rechte für Frauen. Wer glaubte, die radikale Rechte würde durch den Einzug in die Parlamente oder durch die Übernahme von Regierungsposten gezähmt, der irrt. Sie verschiebt die Gesellschaft kontinuierlich nach rechts – durch ihre Regierungspraxis und auch allein dadurch, dass sie Diskurse bestimmt und ihr nicht die nötigen Grenzen aufzeigt werden. Österreich steht exemplarisch dafür, dass die radikale Rechte nicht dadurch verschwindet, wenn sie durch konservative Parteien eingebunden wird oder man mit ihren Kadern redet. Trotz Spaltungen und Streit war der erneute Aufstieg der FPÖ nach dem Ende der schwarz-blauen Koalitionen nur eine Frage der Zeit. Die Politik der radikalen Rechten fällt auf einen gut bearbeiteten Boden, die Saat geht auf – fast überall in Europa. Dagegen braucht es Wissen und Widerstand.
Eure Redaktion