Chaos regiert die britische Rechte
von David Williams
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019
#VereinigtesKönigreich
Am 23. Juni 2016 stimmte das Vereinigte Königreich (UK) mit einem knappen Vorsprung von 51,9 Prozent für den Austritt aus der Europäischen Union (EU). Fast drei Jahre später ist das Land von politischem Stillstand gezeichnet.
Da sich die politische Lage fast täglich ändert, ist es schwer abzusehen, wer von der Abstimmung, die EU zu verlassen, politisch profitieren könnte. Es scheint, als würde die Abstimmung die Spaltungen innerhalb der »Tories« verstärken anstatt diese zu überwinden. Es gab jedoch klare Verlierer. Ironischerweise begann die «UK Independence Party« (UKIP), die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1993 lautstark für den Austritt aus der EU einsetzte, nach der gewonnenen Abstimmung zu zerfallen.
Das Aushängeschild und Gesicht der Partei, Nigel Farage, trat als Vorsitzender zurück, um eine lukrative Karriere als Experte bei «Fox News« zu beginnen. »Mr. Brexit« wurde auch zu einem beliebten und regelmäßigen Gast bei Veranstaltungen der «Republikanischen Partei«, gemeinsam mit dem damals neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump. Mitglieder und WählerInnen begannen, die Partei in großer Zahl zu verlassen. In ihrer Lesart hatte die Partei ihr Hauptziel erreicht. Die UKIP holte zudem ein Skandal über offen rassistische Äußerungen der Freundin des neuen, verheirateten UKIP-Vorsitzenden Henry Bolton ein. Der lehnte allerdings einen Rücktritt trotz des Schadens, den er seiner Partei zugefügt hatte, ab.
Neuausrichtung
Der Streit lenkte die Partei von der Aufgabe ab, sich als Anlaufstelle für Anti-EU-AktivistInnen aufzubauen. Weiterhin sinkende Mitgliederzahlen und eine schwere Finanzkrise zwangen Bolton jedoch letztendlich zum Rücktritt. Gerard Batten, ein langjähriger UKIP-Abgeordneter im Europäischen Parlament, übernahm zunächst für ein Jahr die Leitung der Partei. Seine erste Aufgabe bestand darin, UKIP vor dem Bankrott zu retten, was ihm auch gelang. Mittlerweile scheint er fest auf seiner Position zu sitzen. Batten ist ein eingefleischter «Anti-Muslim«-Aktivist. In den letzten Jahren spielte er eine zentrale Rolle bei einer Reihe von »Counter-Jihad«-Initiativen. Dies wurde auch bald zum neuen Kernthema der UKIP-Politik. Batten versucht, die angeschlagene Partei wiederzubeleben, indem er UKIP neu ausrichtet, um gegen den »Islam« zu kämpfen, nachdem der ursprüngliche Gegner EU abhandengekommen ist. Symptomatisch für den neuen Kurs waren Battens häufige Besuche bei öffentlichen Versammlungen gegen Muslime und eine zunehmende Allianz mit »Tommy Robinson« (richtiger Name Stephen Yaxley-Lennon), dem ehemaligen Anführer der rassistischen »English Defence League« (EDL). Entgegen den Einwänden seiner eigenen Mitglieder ernannte Batten Robinson zum offiziellen »Berater« zum Thema »muslimische Vergewaltigungsbanden« und die Gefängnisreform.
Wütend darüber, dass eine enge Verbindung mit Robinson seine eigene Form der Anti-Immigrationspolitik beeinträchtigen könnte, trat Farage nach 25-jähriger Parteimitgliedschaft aus der UKIP aus und bezeichnte Batten als »besessen« vom Islam. Zahlreiche Abgeordnete von UKIP und führende ParteifunktionärInnen folgten seinem Beispiel und schwächten somit die Partei noch weiter.
»Brexit Betrayal«
Der Schwerpunkt vieler UKIP-Aktivitäten – und ganz allgemein der extremen Rechten – lag auf einer Reihe von Aufmärschen zum «Brexit Betrayal« (»Brexit-Verrat«). Diese richten sich gegen jegliches Abkommen mit der EU, bei dem Großbritannien, in welcher Form auch immer, an europäische Institutionen gebunden ist sowie gegen die Bewegungsfreiheit zwischen Europa und Britannien. Die größte dieser Demonstrationen, die Anfang Dezember im Zentrum von London stattfand, hatte je nach Berichten zwischen 3.000 und 5.000 TeilnehmerInnen aus vielen rechten und extremen rechten Gruppen, einschließlich der »Generation Identity«.
Die im Vorfeld von den OrganisatorInnen genannten hohen Zahlen wurden allerdings nicht erreicht. Mehrere von den Medien befragte TeilnehmerInnen waren zudem nicht zufrieden damit, dass die Veranstaltung zur »The Tommy Robinson Show« wurde, was sie – wahrscheinlich zu Recht – als Ablenkung von ihrer Sache empfanden. Das Scheitern des »Brexit Betrayal«-Marsches – die geschwächte neo-faschistische Szene war bei all diesen Entwicklungen übrigens nahezu unsichtbar – unterstreicht die zunehmende Marginalisierung von UKIP. Ohne ihren charismatischen Ex-Führer Farage an der Spitze scheint es trotz einiger kürzlich durchgeführter Meinungsumfragen, die auf aktivierbares WählerInnen-Potential hindeuten, kaum eine Chance für ein politisches Comeback zu geben.
Angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem »No Deal Brexit« kommt, bereiten sich rechte und euroskeptische PolitikerInnen innerhalb der »Konservativen Partei« und der UKIP darauf vor, die politische Situation, für die sie mehr als alle anderen die Verantwortung tragen, auszunutzen. Obwohl es noch zu früh ist, um vorauszusagen, ob sie bei den kommenden Wahlen profitieren werden, scheint es sicher, dass ihre hetzerische Rhetorik, die ihre GegnerInnen als »Verräter« bezeichnet, die den »Volkswillen verraten«, ein Erbe ist, das die britische politische Debatte für die nächsten Jahre vergiften wird.