Kein Durchbruch
von Jan W. Strauch
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 171 - März 2018
#ZentrumAutomobil
Seit acht Jahren sitzt »Zentrum Automobil« im Betriebsrat bei Daimler in Untertürkheim. Bei den jüngsten Betriebsratswahlen wurde die rechte Liste in mehreren Betrieben gewählt – doch ein Durchbruch war das nicht.
Bei den Betriebsratswahlen im März 2018 konnte die rechte Liste »Zentrum Automobil e. V.« (ZA) zulegen. Im Mercedes-Benz-Werk in Untertürkheim mit 19.000 MitarbeiterInnen holte sie 13,2 Prozent der Stimmen. Vor acht Jahren, im Jahr 2010, begann hier die Geschichte des Vereins mit der Wahl von zwei Betriebsräten. Vor vier Jahren wurden es dann vier, nun sind es sechs. Im Daimler-Werk in Sindelfingen mit 25.000 MitarbeiterInnen holte die rechte Liste zudem 3,4 Prozent – das sind zwei Mandate. Und am Standort Rastatt, wo 6.500 Menschen arbeiten, zieht sie mit drei Gewählten in den Betriebsrat ein. Erfolglos blieb ZA dagegen in der Daimler-Zentrale in Stuttgart und am Standort Wörth. Auch in Leipzig gibt es im BMW-Werk eine eigene »Betriebsgruppe«, wo ZA-Mitglieder auf einer Betriebsratsliste kandidierten. Zudem rief der Verein quer durchs Land dazu auf, in mehreren Betrieben andere rechte oder »freie« Listen zu wählen. »Jetzt sind die im Betrieb drinnen. Unser Werk ist Leitwerk von ‹Zentrum Automobil› – Deutschland schaut auf uns«, kommentierte ein engagierter Kollege aus dem Werk in Untertürkheim gegenüber »der rechte rand« entsetzt das Wahlergebnis. Hier arbeitet auch Oliver Hilburger, Kopf und in der Öffentlichkeit das Gesicht der rechten Betriebsratslisten. Hier hatten 187 Personen für ZA kandidiert, mehrheitlich Männer. Nach der Wahl jubelte »Zentrum Automobil« und sprach von einem »gigantischen Erfolg«. Vor den Wahlen hatte sogar Daimler-Chef Dieter Zetsche gewarnt: »Wir verfolgen diese Entwicklung mit Sorge«.
Im Betrieb
Im Werk Untertürkheim kann man seit langem beobachten, wie »Zentrum Automobil« agiert. Hier ist die Liste seit acht Jahren mit freigestellten Betriebsräten aktiv. Im Betriebsalltag, mit ihrer Zeitung »Kompass«, mit ihrer Website, mehreren Facebook-Seiten, einem Youtube-Kanal und einem Newsletter wirbt sie. »Die sagen nicht: Wir sind die AfD. Die sagen: Wir sind Opposition und sie nennen sich neue Gewerkschaft. So sind sie im Betrieb unterwegs«, beschreibt ein Kollege aus dem Werk gegenüber »der rechte rand« das Auftreten der Rechten. Und er schiebt hinterher: »Die sind gesellschaftsfähig geworden.«
Der Erfolg basiere auf Sympathie und Bekanntschaft im Werk. »Das ist doch der Oli! Der hat uns mal geholfen«, würden KollegInnen über Hilburger sagen. Die Rechten seien im Betrieb oft vor Ort, wenn es Probleme gebe. »Da wo die IG Metall Schwächen hat, da gehen die von Zentrum Automobil hin. Da hauen sie dann auf die Kacke und sind wieder weg.« Lösen sie denn die Probleme tatsächlich? Nein, sagt der Kollege aus Untertürkheim: »Das können sie nicht.« Wütend sagt er: »Was hat denn Zentrum Automobil für die Belegschaft gemacht? Nichts. Was können sie als Erfolg nachweisen? Nichts!« Aber er verweist auf ein Problem der großen IG Metall, die im Betrieb und in den Gremien aktiv ist: »Während wir in Ausschüssen hocken, geht Zentrum Automobil zu den Leuten.«
Für 10 Euro kann man Mitglied bei der rechten »Gewerkschaft« werden. ZA bietet dafür, so wirbt der Verein, eine erstinstanzliche »kostenlose und kompetente Rechtsvertretung bei arbeits- und sozialrechtlichen Auseinandersetzungen« und Streikgeld im Falle »eines vom Vorstand ausgerufenen Arbeitskampfes«. Früher habe ZA schon mal Streikgeld an seine Mitglieder gezahlt, wird im Betrieb erzählt. Doch zuletzt sollen die ZA-Leute ihre Teilnahme nur durch einen Urlaubstag oder eine Freischicht ermöglicht haben, heißt es. Sogar bei Warnstreiks sei finanzielle Unterstützung möglich, behauptet »Zentrum Automobil«. Damit will sich die Liste von der IG Metall absetzen, wo es nur für ganztätige, aber nicht für kurze Warnstreiks Geld gibt. Doch vor Ort ist man sich sicher: Für einen richtigen Streik zur Durchsetzung von Forderungen hätte die Rechten nicht das Geld.
Unterstützung gebe es auch, falls ein Mitglied für sein rechtes Engagement »vom Arbeitgeber bedroht oder benachteiligt« werde. So argumentierte auch die Initiative »Werde Betriebsrat – Patrioten schützen Arbeitsplätze« von dem extrem rechten Verein »Ein Prozent e. V.« (s. Artikel in diesem Heft), die mit dem »Zentrum Automobil« eng zusammen arbeitet. Der Verein behauptet: »Jeder von uns hat mittlerweile einen Freund oder Bekannten, der seine Arbeitsstelle aus politischen Gründen verlor. Es trifft immer die kleinen Leute, deren Existenz vernichtet wird, weil sie vielleicht jeden Montag zu PEGIDA gehen, offen die Alternative für Deutschland (AfD) unterstützen. (…) Das Establishment hat seine Gesinnungswächter auch am Fließband, im Büro und in der Werkstatt untergebracht: Am Arbeitsplatz wachen linke Betriebsräte und Gedankenpolizisten über jedes kritische Wort. Es wird dokumentiert, befragt und schlussendlich auch gerne fristlos gekündigt. (…) Um diese Willkür zu beenden, werden wir eigene Kandidaten und Vertrauensleute in den Betrieben wählen.« Die Entlassungen würden »von einer Minute auf die andere« erfolgen, behauptet »Ein Prozent e. V.« in einem Video, das im Vorfeld der Betriebsratswahlen veröffentlicht wurde. Doch das weist der Kollege von Daimler zurück: »Bei uns ist keiner entlassen worden wegen Wahl der AfD. Wir versuchen eher, den Kollegen aufzurütteln.«
Hauptgegner IG Metall
Für ZA sind die IG Metall, die »Monopolgewerkschaften« und »ihre schmutzigen Verbündeten in Medien und Politik« die Hauptfeinde. ZA-Funktionär Hilburger sagte jüngst in einem Interview: »Die DGB-Gewerkschaften und insbesondere die IG Metall haben die Interessen der Arbeiter schon lange verraten.« Auf einer Konferenz der extrem rechten und verschwörungstheoretischen Zeitschrift »Compact« im November 2017 sagte Hilburger: »Die IG Metall ist nicht Teil einer Lösung, sie ist Teil des Problems.« Der Hass sitzt tief, dafür greift Hilburger auch tief in die Schmutzkiste. Die Gewerkschaften seien »Globalisierungs-Fanatiker«, »nützliche Idioten vom Großkapital«, »verfilzt und verflochten« und würden sich gegen die Beschäftigten stellen, wie er als Redner auf einer AfD-Kundgebung in Zwickau am 1. Mai 2017 sagte. Die Schlagworte »Co-Management«, zu hohe Bezüge der Gewerkschafts-»Bosse« und angeblich zu wenig Engagement für die Beschäftigten ziehen sich durch Reden, Facebook-Posts und die Artikel in der ZA-Zeitschrift »Der Kompass«. In einem nicht-öffentlichen Positionspapier von ZA aus dem Wahlkampf wurde die Linie beschrieben: »Wir zwingen der IG Metall unsere Themen auf.« Der Betriebsrat wird als »fauler Körper« beschrieben.
Der Verein verbreitet auch Rassismus. So hetzte Hilburger auf der Kundgebung 2017 in Zwickau gegen Flüchtlingshilfe. Die Übernahme von Patenschaften für Geflüchtete sei »eine Sauerei«. Im Interview mit der linken Gewerkschaftszeitung »express« (Nr. 1-2/2018) beschrieb ein ehemaliger Betriebsratsbetreuer der IG Metall Stuttgart die ZA: »Das Zentrum hat eine Ideologie, die deutlich über die AfD hinausgeht, die sie sich so aber im Betrieb nicht auszusprechen traut, nämlich nationaler Sozialismus, deutsche Betriebsgemeinschaft, Führerprinzip.« Forderungen der ArbeiterInnen könnten, so Hilburger, nur im »geschlossenen Raum«, also einem autarken Nationalstaat durchgesetzt werden.
»Was hat denn Zentrum Automobil für die Belegschaft gemacht? Nichts. Was können sie als Erfolg nachweisen? Nichts!«
sagt ein Kollege aus dem Werk gegenüber »der rechte rand«
Einfach rechts
Mehrere Mitglieder und Vorstände haben enge Verbindungen in die extreme Rechte: Am deutlichsten der Gründer und die Führungsfigur Hilburger. Er war jahrelang Musiker der Neonazi-Band »Noie Werte«. 2008 musste er aufgrund seiner rechten Aktivitäten sein Amt als ehrenamtlicher Arbeitsrichter aufgeben. Zuletzt trat er im Februar 2018 bei einem Aufmarsch von PEGIDA in Dresden als Redner auf. Beim Magazin »Compact« war er im November 2017 eingeladen, um zu erklären, wie man »Widerstand« von rechts »in die Betriebe trägt«. Auf der Konferenz sprachen auch der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann. Zuvor hatte Hilburger dem Blatt ein langes Interview gewährt. Die rechte »Compact« jubelte im Vorfeld der Bundestagswahlen 2017: »Wie geil ist das denn! Es gibt noch kämpferische Betriebsräte, die sich nicht von der grünversifften IG Metall ins System ziehen lassen«. Auch mit »Ein Prozent e. V.«, der den völkischen »Identitären« nahesteht, arbeitet »Zentrum Automobil« eng zusammen und produzierte Anfang 2018 die Zeitung »Alternative Gewerkschaft« (s. Artikel in diesem Heft). Im November 2017 musste Hilburger vor dem NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg über mögliche Kontakte zu mutmaßlichen Unterstützern des Rechtsterrorismus aussagen.
Bescheidener Erfolg
»Zentrum Automobil« ist mit einer großspurigen Ansage in die Betriebsratswahlen 2018 gestartet. Im Fahrwasser der Erfolge von AfD und der »Neuen Rechten« konnte der Verein in der Öffentlichkeit und auch in Betrieben hohe Aufmerksamkeit erzielen. Bundesweit hat die Organisation inzwischen einen Namen. Und es gelang, die Zahl der Kandidierenden deutlich und die Zahl der gewonnenen Mandate auf niedrigem Niveau zu steigern – ein Erfolg. Doch für einen Durchmarsch von rechts hat es nicht gereicht. Im Vergleich zur IG Metall sind die rechten Listen Zwerge. Doch ein Mitarbeiter von Daimler aus Untertürkheim warnt gegenüber »der rechte rand«: »Das sind bisher keine charismatischen Personen, sonst hätten wir ein echtes Problem.« Aus seiner Sicht könnte das Problem mit den rechten Betriebsratslisten aber gelöst werden: »Als Gewerkschaft müssen wir über unsere Taten punkten – zum Beispiel mit dem guten Tarif-Ergebnis. Wir kämpfen und wir sind vor Ort.« So sei es in Untertürkheim und in der Daimler-Zentrale gelungen, dass die von rechts bekämpfte IG Metall bei den Wahlen dazu gewinnen konnte. »Zentrum Automobil« scheint seinen Erfolg bisher nicht auf Kosten der großen Gewerkschaft einzufahren, sondern durch das Aufsaugen der WählerInnen anderer Listen und »Gelber Gewerkschaften«. Mit dem »Zentrum Automobil e. V.« sowie deren zielgerichteter Unterstützung durch AfD, »Compact«, »Ein Prozent e. V.« und anderen Strukturen der extremen Rechten kann es nun aber gelingen, die bisher zersplitterte rechte Opposition in den Betrieben zu sammeln. Dann wären auch bei Betriebsratswahlen Ergebnisse denkbar wie die der AfD bei Parlamentswahlen. Die Mehrheit des Betriebsrats bei Daimler in Untertürkheim hatte im Februar 2018 vor der Wahl eine deutliche Erklärung abgegeben. »Kein Platz für Nazis«, wurde gefordert. Und: »Weder das Werk Untertürkheim noch der Betriebsrat dürfen zum Spielball von rechtsextremen Politikern werden, die meinen, auf dem Rücken der Belegschaft einen ‹außerparlamentarischen Widerstand› organisieren oder eine ‹nationale und soziale Befreiungsfront› aufbauen zu können.«