»Werde Betriebsrat!«

von János Neumann
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 171 - März 2018

#EinProzent

damit du endlich unbesorgt hetzen kannst…

»Ein Prozent«-Mitarbeiter Simon Kaupert hat im November 2017 auf der »Compact«-Konferenz in Leipzig eines derer neuen Vorhaben für das Jahr 2018 vorgestellt: die Kampagne »Werde Betriebsrat«.

Magazin der rechte rand Ausgabe 171

Simon Kaupert bei einer Recherche während der »Compact-Konferenz« in Leipzig
© Felix M. Steiner

 

Kaupert kündigte seinen nur wenige Minuten dauernden Auftritt auf der Konferenz bereits im Vorfeld in der gewohnt absurd-überhöhten Art an. Man werde eine »regelrechte Bombe platzen lassen« und die bevorstehende Konferenz werde der »Startschuss für eine tiefgreifende Veränderung« sein. Im Kern geht es um die Installation von rechten Betriebsräten, um Hetze am Arbeitsplatz dadurch besser schützen zu können. Auf der eigens angelegten Kampagnen-Seite, die auf Götz Kubitschek registriert ist, klingt dies folgendermaßen: »Am Arbeitsplatz wachen linke Betriebsräte und Gedankenpolizisten über jedes kritische Wort. Es wird dokumentiert, befragt und schlussendlich auch gerne fristlos gekündigt.« Um diese Behauptungen zu stützen, nutzt »Ein Prozent« unter anderem »Statistiken«, in denen es beispielsweise heißt: »Neun von zehn Arbeitnehmern haben Angst, aufgrund kritischer Äußerungen ihren Arbeitsplatz zu verlieren« oder »Durchschnittlich 95 % würden eine Arbeitnehmervertretung, die sich wirklich für die Interessen der Belegschaft einsetzt, aktiv unterstützen«. Woher diese Zahlen stammen oder wer sie erhoben hat, geht aus der Homepage allerdings nicht hervor. Dem Branchenservice »businessinsider.de« sagte Kaupert, es handle sich um eine »repräsentative Umfrage« und man habe für diese Zahlen 300 Personen »überall« befragt. Auf Nachfrage erklärte Kaupert dem Branchendienst, bei »überall« handele es sich um eine Umfrage im Unterstützungsnetzwerk von »Ein Prozent«. Wie schon bei vorangegangenen Recherchen zeigt sich hier, wie Kaupert seine lückenhafte und teils falsche Recherche zu schlichten Propaganda-Texten zusammenfügt. Jenseits der völlig unbrauchbaren »Statistiken« und üblichen Diskreditierung des »Establishment« und seiner »Gesinnungswächter« finden sich keine Inhalte auf der Kampagnen-Homepage. Auskünfte zu Inhalten wie Tarifverträgen, Arbeitsbedingungen oder anderen Themen gewerkschaftlicher Vertretungen sind nicht vorhanden. Als Partner der Kampagne agiert der 2009 gegründete Verein »Zentrum Automobil«.

Gealterte Neonazis in den Betriebsrat
Wie auch bei »Ein Prozent« und der »Identitären Bewegung« finden sich in den Führungsgremien der Organisation Personen, die dem Kern der deutschen Neonazi-Szene entstammen. So auch im Verein »Zentrum Automobil«. Dessen Gründungsvorsitzender und gleichzeitig Daimler-Betriebsrat in Untertürkheim, Oliver Hilburger, war von 1989 bis 2008 Mitglied der Neonazi-Band »Noie Werte«. Erst kurz vor deren Auflösung (2010) beziehungsweise vor der Gründung des »Zentrum Automobil« stieg Hilburger bei »Noie Werte« aus. Im Mai 2008 urteilte das Bundesverfassungsgericht, Hilburgers Enthebung als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Stuttgart sei rechtens gewesen. Hilburger war mit seiner Anwältin Maike Hammer gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vorgegangen. Dieses hatte zu den Liedtexten der Band »Noie Werte« bereits festgestellt, »dass diese bei einer Gesamtwürdigung der Umstände Assoziationen zum nationalsozialistischen Regime weckten, gewaltverherrlichend seien und von einer verfassungsfeindlichen Ideologie zeugten«.

Das Handbuch Rechtsradikalismus (2001) zeigt außerdem die zentrale Bedeutung in der internationalen Neonazi-Szene:
»Die ersten Kontakte zwischen Blood&Honour und deutschen Neonaziskinheads kamen 1991 zustande. Die Naziskinheads-Vereinigung Kreuzritter für Deutschland, zu der die Band Noie Werte gehörte, veranstaltete zwischen 1991 und 1993 mehrere Konzerte mit Bands aus dem Blood&Honour-Netzwerk…«
Doch Hilburger ist nicht der einzige Funktionär des »Zentrums Automobil« mit tiefen Verstrickungen in die Neonazi-Szene. Der jetzige Schatzmeister Hans Jaus wurde 1991 als neuer Bundesschatzmeister im Vorstand der später verbotenen »Wiking Jugend« genannt. Zudem führte ihn die Zeitschrift »Wikinger« (Nr. 2/1991) als Ansprechpartner für den »Gau Schwaben« auf. Die damalige Verbotsverfügung sah »identische Organisa­tionszwecke« zwischen der »Hitlerjugend« und der »Wiking Jugend«.

Fazit
Mit der Kampagne »Werde Betriebsrat« setzt »Ein Prozent« bekannte Strategien weiter um. Zum einen wird versucht, in ein dezidiert linkes Politikfeld einzusteigen, was natürlich vor allem der Provokation dient. Zum anderen sollen damit entgegenstehende politische Organisationen diskreditiert und gleichzeitig das neu entdeckte Feld der Sozial- und Wirtschaftspolitik bespielt werden. Dies war in den vergangenen Monaten bereits in den Diskursen der Netzwerke der »Identitären Bewegung«, des »Instituts für Staatspolitik« und anderer abzulesen.