»Ich bete für Dich«

von Martina Renner

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 179 - Juli / August 2019

#Finanzen

Der Chef der extrem rechten »Identitären Bewegung« in Österreich Martin Sellner gilt der organisierten Rechten wie der rassistischen Mitte als Heilsbringer und das zahlt sich monetär aus. Tausende Euros landeten aus Deutschland auf zwei Konten von Sellner und verschwanden von dort in den Niederlanden oder der privaten Kasse.

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Martin Sellner am Megaphon bei einem Aufmarsch der »Identitären Bewegung« in Wien am 6. Juni 2015 © Robert Andreasch

Martin Sellner ist überaus geschickt in der Selbstinszenierung als eifriger Aktivist, der infolge dessen vermeintlich zum Opfer von staatlicher Willkür, Zensurmaßnahmen und antifaschistischen Aktionen wurde. Die große Spendenbereitschaft für ihn und seine »Identitäre Bewegung« (IB) resultierte sowohl aus der geteilten rechten Überzeugung, als auch, weil Sellner seine furios gescheiterte Mission gegen Flüchtlinge auf dem Mittelmeer – bei dem die Leichtmatrosen der IB zuletzt mittellos in Barcelona strandeten – dazu nutzte, um vorgeblich für weitere Aktionen Geld einzusammeln.

Der große Knall
Bei den Ermittlungen zum rassistischen Massenmord vom 15. März 2019 im neuseeländischen Christchurch rückte Sellner in den Fokus. Brenton Tarrant, der in einer Moschee 51 Menschen erschoss und über 40 verletzte, hatte Anfang 2018 eine Summe von 1.500 Euro an ihn gespendet. In der Folge entwickelt sich ein wohlwollender Email-Kontakt zwischen beiden. Die Spende war schließlich Anlass für eine Hausdurchsuchung beim Chef der »Identitären«.

Kleinvieh macht auch Mist
Geht man die Absender*innen der IB-Spenden an den »Identitären«-Führer Sellner aus den Monaten Januar bis Mai 2018 durch, so denkt man unweigerlich an ein bekanntes Sittengemälde des Präfaschismus. »Die Stützen der Gesellschaft«, gemalt 1926 von Georg Grosz, scheinen auferstanden. Ärzte, Unternehmen, Professor*innen, Funktionäre der »Alternative für Deutschland« (AfD) und Neonazis. Allesamt deutschnational beseelt und in Erwartung, den Jungkadern im Verborgenen bei ihrem Aktivismus zur Seite zu stehen. Sie spendeten zusammengerechnet in zwei Monaten etwa 21.000 Euro. Dabei machen die Überweisungen von über 100 Euro mit insgesamt 15.000 Euro das Gros aus. Viele der Spenden sind mit Kommentaren versehen. Die meisten danken Martin Sellner für seinen Einsatz für die »Meinungsfreiheit«. Andere wünschen ihm »Viel Kraft« oder ein »Jetzt erst recht« und »weiter so«. Die Spender*innen verfolgen allem Anschein nach die Aktivitäten und Aktionen von Sellner – was angesichts seines Outputs in den sozialen Netzwerken recht einfach ist – und reagieren darauf. Als Sellner im März 2018 die Einreise nach Großbritannien durch die britischen Behörden verwehrt wurde, war das für etliche Spender*innen Anlass darauf Bezug zu nehmen; »Englandreise ;-) Die Gedanken sind frei« oder auch »Spende – für die legal issues UK«.

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Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft
Doch der Reihe nach: Da wären zunächst die Geschäftsleute, keine großen Lichter aber 500 Euro machen sie alle locker. Die Geschäftsfrau aus Frankfurt mit »kroatischen Wurzeln«, wie der österreichische Standard schrieb, der Erfinder einer Videosoftware, und natürlich darf ein Immobilienmanager genauso wenig fehlen wie der Inhaber eines – mittlerweile eingestellten – Verlages.
Und dann kann man die stillen Helfer*innen aus den Institutionen durchforsten. Ein Polizist aus Hamburg, ein Ex-Soldat mit offenkundigen Sympathien für die AfD. Überhaupt sind Mitglieder der AfD häufig zu finden. Etliche Namen von Spender*innen entsprechen Namen von AfD-Aktivist*innen. Von Kandidat*innen bei Kommunalwahlen bis hin zu Vertreter*innen in kommunalen Gremien. Ob diese tatsächlich die Überweisungen getätigt haben, ist noch nicht vollständig geklärt. Aufgrund der Vielzahl von Übereinstimmungen dürften die Überweisungen trotzdem als weiterer Beweis für die Pseudoabgrenzung dieser blaubraunen Partei angesichts des Unvereinbarkeitsbeschlusses des Bundesvorstandes vom 22. Juni 2016 gelten.
Einer sticht besonders heraus: das AfD-Mitglied Stefan B., er ist ein alter Bekannter. Bei den Ermittlungen gegen die »Nationale Bewegung« wegen einer Reihe von rassistischen und antisemitischen Delikten Anfang der 2000er Jahre in Potsdam und Umgebung gab es keinen Ermittlungserfolg. Lediglich zwei Personen die ein Rudolf-Heß-Transparente aufgehängt hatten, konnten überführt werden. Ein Bekannter von einem der beiden war der damalige Polizist und heutige AfD-Funktionär B., der sich schon bei den damaligen Vernehmungen oft als Neonazi gebärdete.

»Martin gegen den Irrsinn der Welt … Zeigs ihnen«
Und wie mittlerweile üblich darf die – in diesem Fall finanzielle – Unterstützung durch Verschwörungstheoretiker*innen nicht fehlen. Auf einem Überweisungsträger wird die unter »Reichsbürgern« gängige Sichtweise in einem Satz zusammengefasst: »Wusstest Du dass fast die ganze Welt auf einem Firmenkonstrukt aufgebaut ist u. sogen. Staaten Firmen sind«. Bemerkenswert sind die zahlreichen Spender*innen, die Wert auf der Nennung ihres akademischen Grads bei der Überweisung legen. Ein Professor versieht die Spende mit seiner privaten Emailadresse und der Bitte um Rückmeldung, damit Sellner Kontakt aufnehmen kann.

»fuer die politische Arbeit …«
Und was macht Sellner mit dem Geld? Für seine politische Propaganda verwendet er jedenfalls nicht alles. Denn neben Anwalts- und Gerichtskosten bezahlt er auch einen Steuerberater, Netflix und »Lovescout24«. Bei Letzterem ist Sellner vermutlich die Übersicht abhandengekommen, was seine ganzen Konten angeht, denn wenig später wurde der Betrag zurückgebucht. Der Großteil der Spenden, fast 18.000 Euro, gehen auf ein Konto in den Niederlanden, das auf den Namen »Sellner« gemeldet ist. Und 1.200 Euro überweist er sich im untersuchten Zeitraum selbst, vermutlich um den »identitären« Haushalt in Schuss zu halten oder um ein Premiumkonto bei »Friendscout24« zu unterhalten.
Wie viele Euro tatsächlich in die rechte »Bewegung« fließen bleibt unklar. Angesichts der bei der IB vorhandenen Bezüge in die gewaltbereite rechte Szene wären die Finanztransaktionen sicher für die Behörden von Interesse. Müsste man meinen. Auf eine schriftliche Frage vom April 2019, ob wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung oder zur Rechtshilfe für ausländische Stellen ermittelt wird, antwortete die Bundesregierung aber ernüchternd: sie habe dazu keine Erkenntnisse. Dabei ist es doch naheliegend, will man rechte und rassistische Netzwerke verstehen und zerschlagen: Folge dem Geld, folge den Waffen. Aber dafür fehlt den bundesdeutschen Zuständigen bisher der Wille. In Österreich wird mittlerweile von der Staatsanwaltschaft in Graz gegen Vereine im Umfeld der IB wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung in der Größenordnung von 100.000 Euro ermittelt.