Waffen-Lobby

von Lucius Teidelbaum
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019

#Aufrüsten

Unter BesitzerInnen von Pistolen und Gewehren geht die Angst vor Gesetzesverschärfungen um. Die »Alternative für Deutschland« bietet sich als politische Vertretung an. Teile der Waffen-Lobby nehmen dieses Angebot gern an, denn beide Seiten vertreten ähnliche Weltbilder.

Insgesamt gibt es in Deutschland aktuell 250.000 JägerInnen und 2016 gab es etwa 2,3 Millionen BesitzerInnen von legalen Waffen. Auch hierzulande gibt es eine organisierte Lobby von SchützInnen und JägerInnen. Sie hat allerdings deutlich weniger Einfluss als in den USA, wo die mächtige »National Rifle Association« (NRA) zumeist den KandidatInnen der »Republikaner« Millionen Dollar im Wahlkampf spendet.

Der rechte Teil der deutschen Waffen-Lobby scheint die »Alternative für Deutschland« (AfD) als Wahlalternative zu begreifen (@derrechterand Nr. 163). Das ist kein Zufall, denn beide Seiten vertreten ähnliche Weltbilder. Demnach schränke der deutsche Staat den Zugang zu Waffen immens ein, um die BürgerInnen zu entmündigen. Beim Waffenbesitz geht es diesen Gruppen nicht nur ums Sportschießen, sondern auch um die Befähigung zur Selbstverteidigung. Häufig wird das mit einem archaischen Männlichkeitsbild kombiniert. In ihrer Selbstwahrnehmung müssen die Waffenbesitzer als ‹echte Männer› fähig sein, Familie und Heim zu beschützen; besonders in der gefühlten beziehungsweise erwarteten Krise, bis hin zu erdachten Bürgerkriegsszenarien. In der rassistisch konnotierten Version sei der Staat obendrein zu schwach, seine BürgerInnen vor ‹feindlichen› Migranten zu schützen. Also müsse man selbst zur Waffe greifen. Dieser »Vigilantismus« ist eine Form von »Selbstjustiz« und hat in den letzten Jahren die Gründung von ‹Bürgerwehren› befeuert, nicht nur im Internet, sondern auch auf der Straße. Im sächsischen Freital mündete dies in rechtsterroristischen Anschlägen (@derrechterand Nr. 161).

Ein Teil der WaffenbesitzerInnen scheint gleichzeitig auch der Ideologie des rechten Libertarismus nach den Ideen August von Hayek bis Ayn Rand nahe zu stehen, der sich gegen den Staat an sich oder dessen innenpolitische Interventionen richtet. Demnach ist der Staat nicht nur zu schwach, sondern soll es auch bleiben. Im Vordergrund steht der individuelle Akteur. Waffenbesitz wird dabei auch als Ausdruck individueller Freiheit verstanden. So ist Ron Siderius Vorstandsmitglied der »German Rifle Association«, auch Autor des Buches »Die letzte Verteidigungslinie. Mehr Waffen, weniger Angst«, welches im rechts-libertären Lichtschlag-Verlag von Andre Lichtschlag erschien, der auch Herausgeber von »eigentümlich frei« ist.

Kleiner Bruder der NRA
In der Namensgebung orientiert sich die 2015 gegründete »German Rifle Association« (GRA) mit Sitz in Bochum an ihrem großen Vorbild in den USA. Ins Leben gerufen wurde sie vom Sauerländer Sportschützen Marc Schieferdecker, einst Leiter der AG Waffenrecht in der Piratenpartei. Er ist Autor in »eigentümlich frei« und sprach laut Ankündigung am 11. November 2016 bei der extrem rechten »Burschenschaft Normannia-Leipzig« zu Marburg zum Thema »Für ein liberales Waffenrecht«. Auch bei der AfD sollen GRA-Mitglieder aufgetreten sein. Am 26. Oktober 2016 fand in »Adams Gasthof« in Moritzburg der »Patriotische Salon« der AfD statt; Thema: »Die German Rifle Association stellt sich vor. Für eine Liberalisierung der Waffengesetze und bewaffnete Bürger!« Im Gegenzug trat der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier am 7. April 2018 in Wiesloch beim GRA-Jahrestreffen auf.

Die GRA ist nicht die einzige Organisation, die sich an der NRA orientiert. Das tut auch der Verein »Prolegal – Interessengemeinschaft für Waffenbesitz e. V.« mit Sitz in Bruchsal. Er wurde 2009 gegründet und pflegt ebenso Kontakte zur NRA. Vor der Bundestagswahl im Jahr 2013 sprach sich »Prolegal« noch für die FDP aus. Vier Jahre später diskutierte der Verein bereits, ob die AfD nicht die bessere Option sei.

Verbindungen unter Waffen
Hinzu kommen studentische Jagdverbindungen im deutschsprachigen Raum. Die meisten sind im Dachverband »Wernigeroder Jagdkorporationen Senioren-Convent« (WJSC) organisiert. 2017 gehörten ihm 13 aktive, jagdlich ausgerichtete Studentenverbindungen mit insgesamt 700 bis 800 Mitgliedern an. Als Ziel gibt der WJSC den »Schutz unserer heimischen Natur« und die »Einhaltung der Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit« an. Weitere Jagdverbindungen sind im »Kongreß Akademischer Jagdcorporationen« (KAJC) miteinander verbunden. Sich selbst bezeichnen die Jagdverbindungen meist als ‹konservativ›, aber über ihre offene rechte Flanke sprechen sie weniger. So lud die »Verbindung akademischer Jägerinnen und Jäger Venatio« zu Leipzig 2016 zum Akademikerball der »Freiheitlichen Partei Österreichs« (FPÖ) nach Wien ein. Das »Jagdcorps Artemis München« nahm laut seinem Programm bereits 2010 daran teil. Eindeutig deutschnational ist die »Akademische Jägerschaft Silvania Wien«, die neben dem »Wiener Korporationsring«, auch dem KAJC angehört. Eines ihrer prominentesten Mitglieder war der verstorbene FPÖ-Chef Jörg Haider.

Spartenblätter
Einige Jagd- und Waffen-Magazine kokettieren ebenso mit Rechtsaußen. Im Jahr 2013 schaltete die »RWM-Depesche« eine Anzeige in der »Jungen Freiheit« (JF). Darin schrieb im Januar 2016 auch Walter Schultz als Gastautor, seines Zeichens Herausgeber des »Deutschen Waffen Journals« (DWJ). In seinem eigenen Magazin rief Schultz alle WaffenbesitzerInnen auf, »sich der Bedrohung durch das europaweite Waffenverbot entgegenzustellen« (2/2016). Das Heft ist nach eigenen Angaben offizielles Organ des »Bund Deutscher Sportschützen«. Ende 2015 nahm das DWJ Anzeigen der AfD-Abspaltung »Allianz für Fortschritt und Aufbruch« ins Heft auf, und 2005 und 2006 warb es seinerseits in der extrem rechten »Deutschen Militärzeitschrift« sowie 2015 in der JF. Weitere Blätter dieser Sparte sind »caliber« und »Visier«. In Ersterem forderte der Chefredakteur Stefan Perey »den legalen Waffenbesitz in der Zivilbevölkerung zu liberalisieren, weil der Staat ohnehin nicht mehr seine Sicherheitsaufgaben vollumfänglich erfüllen kann« (1/2016). Der Chefredakteur von »Visier«, Matthias Recktenwald, geht noch weiter: »Gegebenenfalls müssen die Bürger die Rolle der Polizisten wahrnehmen« (1/2016).

Gegenseitige Annäherung
Die AfD bemüht sich, die WaffenbesitzerInnen zu gewinnen. Forderungen nach einem liberalen Waffenrecht wurden in die Parteiprogramme aufgenommen und öffentlich geriert man sich als politische Vertretung. In dem Flyer »Keine Verschärfung des deutschen Waffenrechtes – wirkungsvolle Bekämpfung des illegalen Schusswaffenbesitzes« der AfD-Fraktion Thüringen von 2017 heißt es: »Die Politik versucht, den legalen Waffenbesitz verächtlich zu machen und als rückständig, potentiell kriminell sowie unmodern zu diffamieren. Das geltende Waffenrecht stellt ganze Bevölkerungsgruppen wie Jäger und Sportschützen oder staatlich geprüfte Waffensachverständige unter Generalverdacht. (…) Wir regen an, dass auch unsere Bürger, wie schon Österreicher und Tschechen, die Möglichkeit des legalen Waffenbesitzes zur Verteidigung von Haus und Hof erhalten. Die Fraktion der AfD im Thüringer Landtag setzt sich konsequent für die Jahrhunderte alte Thüringer Waffenbau-, Jagd- und Sportschützen­tradition und die Beibehaltung bewährter Gesetze und Regeln ein.«

AfD und viele WaffenbesitzerInnen treffen sich im Selbstbild aus wehrhafter Männlichkeit und Vigilantismus wieder. Das Ergebnis ist die gemeinsame Forderung nach einem ‹liberalen› Waffenrecht und Zuspruch aus der Lobby für die AfD. Auf regionaler Ebene gibt es sogar personelle Überschneidungen. Martin Bürner aus Schwäbisch Hall ist Geschäftsführer des Landesjagdverbands Baden-Württemberg e. V. und war gleichzeitig Beisitzer im AfD-Kreisverband Schwäbisch Hall.

Screenshot vom YouTube-Kanal von Carolin Matthie aus Berlin

Die von »Der Spiegel« als »Postergirl der Waffenlobby« bezeichnete Carolin Matthie aus Berlin wirkt wie ein Sprachrohr der GRA und umgekehrt erwähnt die Vereinigung sie wohlwollend. Im Internet tritt Matthie als Model und Instagram-Influencerin auf. Außerdem verbreitet sie YouTube-Videos von ihren Schießtrainings mit großkalibrigen Waffen, kommentiert den AfD-Aufmarsch, an dem sie im Mai 2018 selbst in Berlin teilnahm oder die Vorfälle in Chemnitz. Im vergangenen Jahr ist sie in die AfD eingetreten und gehört seit letztem November dem Vorstand des Bezirksverbandes Treptow-Köpenick an. Außerdem nahm sie 2018 am Neujahrsempfang der JF teil. In einem Gastbeitrag im AfD-nahen »Deutschland-Kurier« plädierte Matthie für die Selbstbewaffnung mit Pfefferspray oder Schreckschusspistole, da insbesondere Frauen sonst völlig wehrlos seien: »Man hat die Wahl, ob man entweder komplett unvorbereitet ohne Verteidigungsmöglichkeit sein möchte oder sich für ein Verteidigungsmittel seiner Wahl entscheidet und zumindest eine gewisse Bandbreite der Möglichkeiten abdeckt. Ich halte Letzteres für sinnvoller.« Wenig überraschend forderte auch sie ein liberaleres Waffengesetz und nannte als Vorbild die Gesetzeslage in Tschechien, wo es seit Juni 2017 erlaubt ist, eine scharfe Waffe zu tragen.

Die Annäherung von Teilen der Waffenlobby und der Rechtsaußenpartei wird immer offensichtlicher. Das hat für die AfD auch Vorteile für ihre Infrastruktur. Denn es ist wohl kein Zufall, dass so manche ihrer Veranstaltungen in einem Schützenvereinsheim stattfindet, wie etwa in Mannheim, wo das Schützenhaus im Stadtteil Feudenheim der Partei bereits Dutzende Male einen sicheren Hafen für ihre Veranstaltungen geboten hat.