Vor Ort rechts

von Ernst Kovahl
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019

#Kommunalwahlen

In Europa, in den Landtagen und in den Kommunen: Bei den Wahlen Ende Mai 2019 wird die radikale Rechte gestärkt. Der Rechtsruck bei den Kommunalwahlen wird bisher übersehen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts in Köln kam rechtzeitig. Rechtzeitig vor der Europawahl, rechtzeitig vor den Landtagswahlen in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen und vor allem rechtzeitig vor den Kommunalwahlen in neun Bundesländern. Die Entscheidung war für den offen neofaschistischen Flügel der AfD ein Ritterschlag und für die Partei eine Entlastung. Denn parallel zu den Europawahlen Ende Mai werden bundesweit Tausende ÄrztInnen, RechtsanwältInnen, EinzelhändlerInnen, SoldatInnen, BeamtInnen und Angestellte – kurz: die ordentliche Mitte der Gesellschaft – für die AfD zur Wahl antreten. Überall dort, wo die AfD antritt, wird sie gewählt werden. Die Zustimmung ist trotz aller Spenden- und Nazi-Skandale ungebrochen. Den schlechten Ruf von Neonaziparteien hat die AfD nicht, obwohl sie sich politisch inzwischen oft nur noch wenig von ihnen unterscheidet. Die neue Rechtspartei ist angekommen in der Bundesrepublik, sie ist normal. Vielleicht hätte der Makel der offen benannten »Verfassungsfeindlichkeit« noch für einen Rest an Anrüchigkeit gesorgt: Ist wirklich wählbar, wer vom Geheimdienst überwacht wird? Und sollte für sie wirklich kandidieren, wer in dieser Gesellschaft noch etwas werden will? Die Justiz hat eine eindeutige Antwort gegeben: Ja, die Partei mag rechtsradikal sein, aber das soll der Staat nicht sagen. Das Signal ist deutlich, ob gewollt oder ungewollt: Die AfD ist Bestandteil der guten Gesellschaft.

Auf dieser Welle von rechten Einstellungen und Rassismus, ausbleibender Gegenwehr und wachsender Normalität wird die radikale Rechte am 26. Mai 2019 gestärkt ins Europaparlament einziehen. Sie wird in wenigen Wochen darüber hinaus mit Hunderten, wenn nicht Tausenden VertreterInnen in den Stadträten, Gemeinderäten und Kreistagen sitzen. Die Verankerung vor Ort ist für die dauerhafte Etablierung einer Partei lebenswichtig. Sie war für den Aufstieg der NSDAP ein Baustein des Erfolgs. Die NPD und all die anderen Formationen der radikalen Rechten scheiterten an dieser Aufgabe, und so als Wahlpartei auch in den Ländern. Ihnen gelang bisher nie, sich flächendeckend als politische Organisation im engen Lebensumfeld der Menschen festzusetzen, als »Kümmerer« und AnsprechpartnerInnen vor Ort. Doch das ist nun anders, machen wir uns keine Illusionen. Denn überall dort, wo die AfD Ende Mai antritt, wird sie mit guten Ergebnissen gewählt werden. Die Zustimmung für die Partei in den vergangenen Landtags- und Bundestagswahlen dürfte in der Tendenz übertragbar sein. Bei den letzten vergleichbaren Kommunalwahlen vor vier beziehungsweise fünf Jahren war die AfD noch schwächer – in den Zustimmungswerten, aber vor allem in ihrer Personal- und KandidatInnendecke. Denn bei Kommunalwahlen ist für den Erfolg entscheidend, ob es einer Partei gelingt, überall ausreichend Menschen auf ihre Listen zu bringen: Wo sie nicht antritt, kann sie auch nicht gewählt werden. Doch wo sie mit den derzeitigen Zustimmungswerten ins Rennen geht, werden ihre Leute fast unbesehen ihrer Qualitäten in die Kommunalparlamente entsandt.

Der Einzug in den Bundestag 2017 war eine Zäsur, aus der die Gesellschaft noch hätte lernen können. Zudem hätten alle durch soziologische Erhebungen (beispielsweise »Deutsche Zustände«, »Thüringen Monitor«, »Leipziger Autoritarismusstudie«) und die Erfahrungen im europäischen Ausland gewarnt sein können. Das Festsetzen in Rathäusern, Verwaltungen und Kommunalparlamenten ist nun also der nächste Schritt – die Etablierung als politische Kraft vor Ort. Erst einmal in den Räten, doch bald auch als DezernentInnen oder gar BürgermeisterInnen. Wenn die Partei künftig einmal bei ein oder zwei Wahlen scheitern sollte, was wird das noch ausmachen? Nur noch wenig, denn die Strukturen vor Ort sind inzwischen gefestigt, der Funktionärskörper ausreichend breit – fester und größer allemal, als es die NPD oder »Die Republikaner« je waren. Die radikale Rechte wird flächendeckend Einfluss auf die Kommunalpolitik nehmen können, wenn sie sich klug anstellt. Kommunalpolitik, das klingt nach wenig, ist aber viel: Sozial- und Kulturpolitik, Stadt- und Bauentwicklung, lokale Gedenk- und Geschichtspolitik, Kitas, Jugendförderung und Schulpolitik, Intregration, lokale Ordnungspolitik – sowie unzählige Grußworte auf Schützenfesten, bei der Feuerwehr, im Sportverein und auch recht bald als ganz normaler politischer Akteur für die Lokalblätter. Klar ist: Die Arbeit in den Institutionen hat die Radikalität der AfD nicht abgeschliffen. Das wird sich auch in den Kommunalparlamenten nicht ändern. Die Partei schafft es, Politik zu machen, Themen zu setzen und immer wieder Machtfragen aufzuwerfen. Die AfD hat die Republik verändert, und wird sie weiter verändern.