Ungebrochener Mythos und ungebrochene Attraktivität

von Jan Raabe
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#Militarismus

Militär, Militarismus und Wehrtechnik üben seit jeher eine starke Anziehungskraft auf die extreme Rechte aus. Die strengen Hierarchien, das Uniforme, Befehl und Gehorsam sind eine dankbare Projektionsfläche faschistischer und nazistischer Ideologie. Heldengeschichten steuern das Pathos dazu bei.

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Ritterkreuzträger © Archiv »der rechte rand«

Extrem rechte Publikationen im Spektrum des Militarismus wurden und werden stark unterschätzt. Dieser Themenbereich ist nach wie vor zentral und Bezüge sind für die eigene Positionsbestimmung wichtig. Es waren die Organisationen der ehemaligen SS-Angehörigen und der Soldaten der Wehrmacht, die nicht zuletzt über ihre Publikationen die Mythen eines rein soldatischen und unpolitischen Kampfes propagierten. Sie versuchten ein Geschichtsbild zu etablieren, welches voll von Heldenmythen und Opfergeschichten ist und die nationalsozialistischen Verbrechen ausklammert. Obwohl sich auch in den Publikationen dieses Spektrums vereinzelt Artikel zu aktuellen Entwicklungen, zum Beispiel zu Migration finden, hat sich die Selbstdarstellung kaum geändert: »Wir sind und waren unpolitisch, hier geht es nur um Militär.« Es ist genau diese Botschaft, die einzelnen Publikationen eine Reichweite über die extreme Rechte hinaus ermöglicht.

Nachkriegszeit
Historisch handelte es sich bei den meisten Publikationen aus diesem Bereich um Verbands- oder Vereinszeitschriften, die sich in erster Linie an die eigenen Mitglieder richteten. Wichtige Blätter aus diesem Spektrum waren beziehungsweise sind »Der Freiwillige« als Tradi­tionsblatt der SS und »Alte Kameraden« als Blatt vor allem ehemaliger Wehrmachtsangehöriger. Von 1956 an gab die »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e. V.« (HIAG) den monatlich erscheinenden »Der Freiwillige« heraus. Auch nach der Auflösung der HIAG auf Bundesebene 1992 erschien »Der Freiwillige« weiterhin bis 2014. Die 1951 gegründete HIAG hatte die Rehabilitierung der Soldaten der Waffen-SS – auch auf juristischer Ebene – zum Ziel. In dem Blatt versuchten die ehemaligen SS-Angehörigen sich mit Werken wie »Soldaten wie andere auch« reinzuwaschen. Neben einer ideologischen und propagandistischen Funktion hatten diese Blätter auch eine soziale Funktion, da sie Netzknotenpunkte waren. Vor allem in der frühen Nachkriegszeit ging es darum, Arbeit für die »Kameraden« zu finden und Netzwerke für die berufliche Karriere herzustellen, später stand vor allem das Umschreiben der Täter- in eine Opfergeschichte im Mittelpunkt. Darüber hinaus ging es darum, die gemeinsamen Erlebnisse und Taten wieder aufleben zu lassen. 2014 ging »Der Freiwillige« in der »DMZ (Deutsche Militärzeitschrift) Zeitgeschichte« auf.
Das seit 1953 monatlich erscheinende Magazin »Alte Kameraden«, das von der »Arbeitsgemeinschaft für Kameradenwerke und Tradi­tionsverbände« herausgegeben wurde, stellte so etwas wie ein Blatt für alle (west-)deutschen Truppenteile dar, vor allem für die ehemaligen Verbände der Wehrmacht. Ende 1996 wurde das Blatt in »Kameraden« umbenannt. Inhaltlich ging mit der Umbenennung eine Erweiterung der Zielgruppe einher auf die Soldaten der Bundeswehr, teils auch der »Nationalen Volksarmee« der ehemaligen DDR. Dabei änderte sich an der positiven Rezeption der militärischen Seiten des Nationalsozialismus kaum etwas.

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DMZ © Archiv »der rechte rand«

Auch für die im Zweiten Weltkrieg mit dem »Ritterkreuz« bedachten Soldaten gibt es einen eigenen Zusammenschluss: die »Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger« (OdR). Mit dem eigenen Mitteilungsblatt »Das Ritterkreuz« versucht die OdR den Mythos am Leben zu erhalten, dass es sich beim »Ritterkreuz« nicht um ein NS-Propaganda-Instrument, sondern um eine rein militärische Auszeichnung handelt. Ihr Aussterben versucht die Ordensgemeinschaft, welche früher nur aus Trägern des Ordens und deren Angehörigen bestand, heute durch die Aufnahme von »Bekenntnis-Ritterkreuzträgern« zu verhindern.
Weiterhin existieren bis heute einige Rundbriefe von Truppenkameradschaften, die traditionell eine Verbindung zur extremen Rechten haben. So beispielsweise »Die Gebirgstruppe«, das Blatt des »Kameradenkreis der Gebirgstruppe e. V.« und »Die Oase – Das Mitteilungsblatt des Verbands deutsches Afrika-Korps e. V.«. »Die Oase« vermittelt nationalistische Heldenmythen mit Bezug auf Erwin Rommel, der als Generalfeldmarschall den Afrikafeldzug befehligte. Wegen seiner vermeintlichen Einbindung in die deutsch-nationale Widerstandsgruppe des 20. Juli wurde er zum Selbstmord gezwungen, was heute den Bezug auf ihn erleichtert.

Massenware für junge und nicht mehr junge Männer
War die Bedeutung der militaristischen Literatur der extremen Rechten in der frühen Nachkriegszeit vor allem die als Sprachrohr der organisierten Pressuregroups ehemaliger deutscher Soldaten des Zweiten Weltkrieges, so liegt sie heute in der Vermittlung eines positiven NS-Bildes an breitere Kreise der vor allem männlichen Bevölkerung. Publikationen wie die »Deutsche Militär Zeitschrift« (DMZ), »Weltkrieg«, »Schwertträger« oder »Deutsche Militärzeitschrift Spezial« werden an sehr vielen Zeitungskiosken zum Kauf angeboten. In diesen Publika­tionen und in einer – was die Intensität der ideologischen Äußerungen betrifft – gemäßigteren Form auch in »Clausewitz« und »Militär & Geschichte« werden die Verbrechen des Nationalsozialismus entweder ausgeblendet oder als Verfehlungen Einzelner bagatellisiert. Die Mischung mit Artikeln zu Militärtechnik, aktuellen Elitetruppen verschiedenster Länder und Berichten über Schlachten von der Römerzeit bis heute verwischen den extrem rechten Charakter dieser Publikationen. Dabei werden viele dieser Hefte von eindeutig der extremen Rechten zuzuordnenden Personen oder Verlagen verantwortet.

Muniers Imperium
Dietmar Munier ist seit Anfang der 1970er Jahre als Verleger in der extremen Rechten tätig. Er ist Geschäftsführer der »Lesen & Schenken Verlagsauslieferung und Versandgesellschaft mbH«, zu der «Lesen & Schenken«, der »Arndt-Verlag«, »Orion-Heimreiter«, »Bonus«, »Pour le Mérite« und seit 2009 mit »Zuerst!« ein Kioskmagazin gehören. 1995 veröffentlichte der zur extremen Rechten gehörende Harald Thomas aus Wesseling die erste Ausgabe der »Deutschen Militärzeitschrift« (DMZ). Allerdings entwickelte sich das Blatt scheinbar nicht wie gewünscht. Schon mit der achten Ausgabe übernahm 1997 die »Medien-Marketing-Team GmbH« aus Bad Soden die Herausgabe des Hochglanzmagazins, ging damit jedoch pleite. Mit der Ausgabe Nummer 39 wechselte die DMZ 2003 zu Josef Gruber und seinem »Verlag deutsche Militärzeitschrift« und erscheint seitdem nicht mehr alle drei, sondern jeden zweiten Monat. Seit 2014 gehört der Verlag zum Publikationsimperium von Dietmar Munier. Seit 2012 gibt es mit »DMZ Zeitgeschichte« ergänzend ein Magazin, das sich auf die Rezeption der SS spezialisiert hat. Folgerichtig ging daher 2014 »Der Freiwillige« in »DMZ Zeitgeschichte« auf. Auch hier ist interessant, was nicht geschrieben wird: Berichte über Verbrechen der SS oder deren essentielle Rolle bei der Organisierung und Durchführung des Holocaust sind im Magazin nicht zu finden. Seit 2017 hat Munier mit dem »Schwertträger« ein Magazin im Angebot, das sich speziell der Rezeption der Träger des »Ritterkreuzes« widmet.

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Schwerterträger © Archiv »der rechte rand«

»Der Landser« im »Weltkrieg«
2013 wurde die seit 1957 erscheinende und zuletzt von der »Bauer Media Group« herausgegebene Zeitschrift »Der Landser« eingestellt. Die Auflage in den Anfangsjahren betrug 500.000 Exemplare. »Der Landser« orientierte sich im Layout und Inhalt an der NS-konformen Jugendliteratur. In den 2000er Jahren hatte die Zeitschrift immerhin noch eine Auflage von 20.000 bis 40.000 Exemplaren.
Nachdem das Simon-Wiesenthal-Center den »Landser« und seine geschichtsrevisionistischen Texte thematisiert hatte, stellte die »Bauer Media Group« das Heft ein. Vom Markt ist es jedoch nicht verschwunden. Kurz nach der Einstellung von »Der Landser« erschien «Weltkrieg«, teilweise mit nachgedruckten Texten seines Vorgängers. Auch die Hefte dieser Reihe gibt es, wie die alten Hefte, in unterschiedlichen Reihen. Aktuell sind es die Spezifikationen: Magazin, Soldaten, Marine, Flieger, Freikorps, Doppelband und Großband. Die »Weltkrieg«-Reihen erscheinen laut Impressum im »Verlag Media­vari« mit Sitz in Sarnen/Schweiz. Dort gibt es keinen Verlag derartigen Namens. Recherchen des NDR-Medienmagazins »ZAPP« haben ergeben, dass sich allem Anschein nach der Verlag »Lesen & Schenken« von Munier hinter einer verwinkelten Strohmänner-Camouflage versteckt.

Während die Magazine aus dem Hause Munier an den Kiosken der Republik präsent sind, wird das Magazin »Ein Fähnlein – zur Erhaltung von Tugend und Tradition« nur im Abo oder über spezielle Versandhandel angeboten, so beim »Pommerschen Buchdienst« des NPD-Kaders Enrico Hamisch, dem »Nation und Wissen Versand« der NPD oder den Labeln »PC-Records« und »Opos Records«. Hier geht es nicht um den Massenvertrieb, hier handelt es sich um ein Blatt, das dem aktuellen Neonazismus die Chance bietet, an jene anzuknüpfen, die im NS zur soldatischen Elite stilisiert wurden oder – was aktuell besser trifft – die überhaupt noch aus der TäterInnengeneration dieser Zeit am Leben sind.
Die erste Ausgabe des Magazins »Ein Fähnlein«, das von Henrik Ostendorf aus Bremen, selbst ehemaliger NPD-Kader, herausgegeben wird, erschien 2012. Welche im Untertitel angesprochene »Tugend und Tradition« gemeint ist, wird beim Durchblättern schnell klar. In einem in »Ein Fähnlein« publizierten Gedicht wurde beispielsweise unter Verwendung des verbotenen Wahlspruchs der SS, »Meine Ehre heißt Treue«, das mörderische Agieren der Nazis legitimiert: »Was wäre denn heute, wenn sie nicht gewesen? Die Antwort kann nur sagen, der selbst dabei gewesen. Es wäre gekommen, wie es keiner gewollt, die Masse aus dem Osten hätte Europa überrollt. Darum gaben sie alles und ganz ohne Reue, sie kannten nur eins: ‹Meine Ehre heißt Treue›.« In dem vierfarbigen Magazin finden sich vor allem Berichte von »Veteranentreffen«, Erlebnisberichte aus dem 2. Weltkrieg – selbstverständlich nur von Truppenteilen, die auf Seiten der Deutschen kämpften –, aber auch Berichte von Aktionen, die an die Tradition von Wehrmacht und SS anknüpfen. Jüngst erschien die 13. Ausgabe des Magazins, in sechs Jahren nicht mal zwei pro Jahr. Aber Breitenwirkung spielt hier keine Rolle, um das Magazin versammeln sich älter gewordene Kameraden des neonazistischen Spektrums, welche die »Tradition« erhalten wollen. Gemeint ist damit die Tradition des Nationalsozialismus.

© Archiv »der rechte rand« (alle Zeitungs-Cover sind aus dem Zeitschriftenhandel auf Bahnhöfen)

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