AfD: Steuergeld für den »Flügel«?
von Ernst Kovahl
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019
#Finanzen
Die »Alternative für Deutschland« in Thüringen will mit einer parteinahen Stiftung an Steuergeld kommen. »der rechte rand« zeigt: Der Vorstand besteht aus Getreuen des Thüringer Partei- und Fraktionschefs Björn Höcke, UnterstützerInnen der rechtsradikalen und vom Geheimdienst beobachteten Strömung »Der Flügel« und aus langjährigen Aktiven der »Neuen Rechten«.
Sogar dem »Mitteldeutschen Rundfunk« war die eigentlich unbedeutende Nachricht eine Meldung wert: »Die Thüringer AfD will eine politische Stiftung im Land aufbauen«, hieß es am 1. März 2019 stündlich im Radio. Der Anlass: Am selben Tag hatte die »Thüringer Allgemeine« (TA) berichtet, dass der Landesverband der rechtsradikalen Partei im Freistaat eine »Carl-Joseph-Meyer-Stiftung« (CJMS) gegründet habe, um künftig an Steuergelder zu kommen. Ihre Recherche stützte sie offenbar vor allem auf die Aussagen drei führender AfD-Politiker. Die Stiftung wolle, so ließ die Lokalzeitung den Pressesprecher der Partei im Freistaat und das Vorstandsmitglied der CJMS, Torben Braga, erklären, Wissenschaft und Bildung, die Förderung von europäischer Zusammenarbeit und Kultur sowie Veranstaltungen organisieren. Braga bemühte sich, harmlos zu wirken. Das sei, so sagte er mit Blick auf die anderen parteinahen Stiftungen, »was auch alle anderen in ihren Satzungen stehen haben.«
Der Zweck des Vereins ist es, an den Geldtopf im Thüringer Landeshaushalt für parteinahe Bildungsvereine (»Stiftungen«) zu kommen. 450.000 Euro stehen dafür im Freistaat 2018 und 2019 jeweils zur Verfügung. Sie werden bisher durch die Regierung je nach Stärke bei den vergangenen Landtags- und Bundestagswahlergebnissen an die »Friedrich-Ebert-Stiftung« (SPD), »Friedrich-Naumann-Stiftung« (FDP), »Heinrich-Böll-Stiftung« (Grüne), »Konrad-Adenauer-Stiftung« (CDU) und die »Rosa-Luxemburg-Stiftung« (Linke) vergeben. Das Geld können nur Vereine bekommen, »die mehrjährig existent sind und eine eigene Geschäftsstelle in Thüringen betreiben«, heißt es in den Regelungen – beides kann die AfD-nahe Stiftung in Thüringen bisher nicht vorweisen. Nach dem Einzug in die Landtage und den Bundestag wollen nun bundesweit AfD-nahe Strukturen von der Förderung profitieren. Da es bis zu einer Förderung der bundesweiten »Desiderius-Erasmus-Stiftung« aus Bundesmitteln und dem Aufbau von Strukturen vor Ort noch einige Jahre dauern dürfte, wählt die AfD nun den Weg über eigene Vereine in den Ländern. So bekommt die parteinahe »Erasmus-Stiftung Brandenburg e.V.« als erster Verein bereits einige zehntausend Euro Steuergeld pro Jahr (s. derrechterand 174). Burschenschafter Torben Braga bestätigte die Strategie gegenüber der TA: »Wenn wir zeitnah unsere Ziele erreichen wollen, dann geht das nur über eine eigenständige Stiftung.«
»Waffengleichheit«
Nur »Waffengleichheit« wolle die Thüringer AfD mit dem Vereinsaufbau und dem Antrag auf Förderung herstellen, gab sich AfD-Abgeordneter Stefan Möller gegenüber der TA zurückhaltend. Zwar stehe man dem System der parteinahen Stiftungen weiterhin kritisch gegenüber, aber »wir benötigen halt Waffengleichheit gegenüber der Konkurrenz.« Die AfD werde – so seine Botschaft – quasi gezwungen, in das angeblich abgelehnte System der »Altparteien« einzusteigen. »Aha, nices Framing, ihr Süßen«, kommentierte der MDR-Medienblog »Altpapier« süffisant diesen leicht durchschaubaren Versuch, vom Kern der Sache abzulenken.
Anders als die aufgeregten Medienberichte Anfang März suggerieren, ist die Thüringer Stiftung ganz und gar nicht neu – es hatte bloß noch niemand über sie berichtet. Denn die Satzung des Vereins, der sich derzeit um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bemüht, wurde bereits am 18. Oktober 2017 beschlossen und der Verein am 15. August 2018 beim Amtsgericht Erfurt registriert. Doch die Pläne sind offenbar noch älter: Denn eine Website – bis heute zwar ohne Inhalt – wurde bereits vor geraumer Zeit angemeldet. Die Domain war im Besitz von Torben Braga – die letzte Änderung erfolgte am 1. Februar 2017, kurz zuvor war auch auf Bundesebene die Gründung einer AfD-nahen Stiftung (»Desiderius-Erasmus-Stiftung«) ein gutes Stück vorangekommen. Und auch auf Facebook existiert schon seit Ende August 2017 eine Seite – allerdings bisher mit lediglich drei Fans und ebenfalls völlig ohne Inhalt außer dem Logo des Vereins und Kontaktmöglichkeiten. Am 24. Februar 2019 wurde die Schreibweise des Stiftungsnamens auf Facebook in Details korrigiert – wahrscheinlich in Vorbereitung auf den nun erfolgten Schritt in die Öffentlichkeit. Doch aktiv ist der Verein – der exakt betrachtet gar keine Stiftung ist – bisher offenbar noch nicht.
»Flügel«, JA, Höcke-Jünger und »Neue Rechte«
Bisher wurden lediglich Braga als Vorstandsmitglied der CJMS und Stefan Möller als Mitgründer des Vereins öffentlich bekannt. Beide gehören zum engsten Umfeld des rechtsradikalen Björn Höcke, der Leitfigur der AfD-Strömung »Der Flügel« – sowohl durch ihre Funktionen als auch durch ihre politischen Positionen. Braga ist Schatzmeister der Stiftung, war lange Zeit »Assistent« von Höcke in der Landtagsfraktion, ist Ansprechpartner für Presseanfragen der AfD-Jugend »Junge Alternative« und ist bis heute Pressesprecher des von Höcke und Möller geführten Landesverbandes der Partei. Er ist Mitglied der »Marburger Burschenschaft Germania«, die politisch zwischen der »Neuen Rechten« und offenem Neonazismus changiert, und war Sprecher des korporierten, völkischen Dachverbandes »Deutsche Burschenschaft«. Auch Möller ist seit Jahren eine wichtige Stütze Höckes, sowohl als Co-Landesvorsitzender als auch als Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag. Er war Erstunterzeichner der »Erfurter Resolution«, also dem politischen Grundsatzpapier von »Der Flügel«.
Im Vereinsvorstand verstecken sich weitere Akteure von ganz rechts außen – »der rechte rand« nennt nun erstmals die Namen aller Vorstandsmitglieder. Es wird deutlich: Der Vorstand besteht aus Getreuen des Thüringer Partei- und Fraktionschefs Björn Höcke, Unterstützern der rechtsradikalen und vom Geheimdienst beobachteten Strömung »Der Flügel« und aus langjährigen Aktiven der »Neuen Rechten«.
Der Vorsitzende des Vereins, Dr. Jens Dietrich ist als Beisitzer Mitglied im Landesvorstand der Partei, unter anderem in der Programmkommission und in der »Unterstützung der Geschäftsstelle« tätig sowie stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Ilmkreis/Gotha. Der Chemiker war Mitglied der CDU, ist korporiert in der »Burschenschaft Sigambria et Alemannia zu Siegen« und war jahrelang im Vorstand deren »Altherrenverbands«. Interessant: Zeitweise übernahm er die Funktion als stellvertretender Vorsitzender der Landespartei, nachdem eine Kritikerin des Rechtskurses der Partei zurücktrat. Dietrich legte den GegnerInnen Höckes damals laut Presseberichten nahe, die AfD zu verlassen. Der Thüringer Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner, neben Höcke einer der prononciertesten Rechtsausleger der Thüringer AfD, holte Dietrich als Mitarbeiter in die Bundestagsfraktion, wo er »Geschäftsführer« der Landesgruppe der Thüringer AfD-Bundestagsabgeordneten wurde.
»Ehemaliger Skinhead«
Vorstandsmitglied der Thüringer Stiftung ist auch Birgit Noll, Beisitzerin im Landesvorstand der Thüringer AfD, Vorsitzende des Kreisverbandes Westthüringen, Referentin von Stefan Möller – und auch ihr Name stand auf der Liste der UnterstützerInnen der »Erfurter Resolution«. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Stiftung, Dr. Michael Henkel, hat eine ausgewiesen rechte Vita – und muss ebenfalls zu den Kräften direkt um Höcke gezählt werden, denn er ist Referent für Grundsatzfragen, Europapolitik, Kultur und Medien in der Thüringer Landtagsfraktion, also inhaltlich dessen »rechte Hand«.
Er bewegt sich seit Jahren zwischen Hochschule, katholischer Kirche und der »Neuen Rechten« – zum Beispiel als Autor im AfD-nahen Blog »Die freie Welt«, in der Schriftenreihe der »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung«, die der neu-rechten Zeitung »Junge Freiheit« nahesteht. In einem Porträt seiner Person hieß es in »der rechte rand«: »Henkel setzt (…) seit Jahren – bisher öffentlich nahezu unbemerkt – die Strategie der »Neuen Rechten« um, der es in der Vergangenheit nicht um parlamentarische Mehrheiten oder Präsenz in Boulevard-Medien, sondern um die Erringung von Hegemonie in Hochschulen, bei Intellektuellen und unter gesellschaftlichen Eliten ging.«
»»» www.der-rechte-rand.de/archive/2763/zwischen-kirche-afd-neue-rechte
Neben Henkel dürfte Heiko Luge als Mitglied des Stiftungsvorstands der zweite »Intellektuelle« der Stiftung sein: Er arbeitet für den Thüringer Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl, der dem »völkisch-sozialen« Flügel zuzurechnen ist. Luge ist Herausgeber eines Buches über den Anfang 2017 verstorbenen rechten Vordenker und früheren Herausgeber der »Staatsbriefe« im einschlägigen »Ares Verlag«, Hans-Dietrich Sander. Im rechten »Arnshaugk Verlag« aus Thüringen gibt Luge die gesammelten Schriften Sanders heraus. Auch der Inlandsgeheimdienst kennt das heutige Mitglied des Stiftungsvorstands. So schrieb das »Bundesamt für Verfassungsschutz« in seinem Bericht 2001 über ihn und seine Tätigkeit für das rechtsradikale »Deutsche Kolleg«: »Schulungsleiter des DK ist der ehemalige Skinhead Heiko LUGE.« In dem vom Verfassungsschutz beobachteten DK war unter anderem auch der spätere Holocaust-Leugner und »Reichsbürger« Horst Mahler führend tätig.
Der Vorstand der »Carl-Joseph-Meyer-Stiftung« ist fest in der Hand von Personen aus dem direkten Umfeld von Höcke, dessen völkischem »Flügel« und wird von einem Unterstützer der »Erfurter Resolution« geführt. Neu-rechte Denker und ein völkischer Burschenschafter ergänzen dieses Spektrum. Über den früheren Schulungsleiter des »Deutschen Kolleg« ergeben sich sogar Schnittstellen zum Spektrum der Holocaust-Leugner und »Reichsbürger«.
An die Fleischtöpfe
Gerade die »Neue Rechte« schielt begierig auf die Gelder der AfD, ihrer Fraktionen und der Stiftungen. Die bisher laut vorgetragene Kritik an der Parteien- und Stiftungsfinanzierung kippt schnell um in ein offenes Rennen an die Fleischtöpfe. Ganz offen formulierte das Ende der Zurückhaltung beispielsweise der »Gastautor« Martin Hettstedt Ende Februar 2019 im Blog der neu-rechten »Sezession«: Es könne »mehr als bisher getan werden«, um mit den Geldern »neben der reinen Parlaments- und Parteiarbeit auch das politische Vorfeld der AfD zu stärken«, schrieb er in einem Aufsatz, in dem es ausschließlich um die Forderung ging, Gelder aus der Partei umzuleiten – gemeint sein dürfte wohl die Umverteilung staatlicher Gelder an AutorInnen, Medien und Projekte der »Neuen Rechten«. Verschämt nennt er das »politische Vorfeldpflege« und warnt, diese Planungen »im Detail nicht unbedingt in einer Diskussion coram publico« darzulegen – also nicht vor den Augen der Öffentlichkeit, sondern geheim. Die verfügbaren »riesigen Summen« seien »bis auf den letzten Cent« für den »Kampf gegen einen an Mitteln und Ressourcen vielfach überlegenen Gegner« »bitter nötig«, schrieb er. Bitter nötig ist das Geld offenbar auch für die zunehmende Zahl neu-rechter AkademikerInnen, die nach dem Studium schnell in Lohn und Brot kommen wollen.
Ausgang offen
Doch dass die Thüringer AfD-nahe Stiftung schnell an Geld kommt, ist noch nicht ausgemacht. Eine Sprecherin der zuständigen Staatskanzlei wies gegenüber der Zeitung »Freies Wort« darauf hin, dass nur jene Vereine Zuschüsse bekämen »die mehrjährig existent sind«. Darüber hinaus dürften die Behörden vor einer Förderung auch prüfen, ob durch die politisch einschlägige Zusammensetzung dieses Vereinsvorstands eine Förderung möglich ist. Denn »Der Flügel« um Höcke ist – anders als die AfD als Partei – in Gänze „Verdachtsfälle“ des Inlandsgeheimdienstes, ebenso die »Junge Alternative« (JA). Die absolute Dominanz von »Flügel«-, Höcke- und ehemaligen JA-Leuten sowie eines ehemaligen Funktionärs des DK in der CJMS ist unübersehbar. Die Bemühungen der rechtsradikalen Partei »Die Republikaner« um Gründung und Förderung einer »Franz-Schönhuber-Stiftung« in Nordrhein-Westfalen scheiterten an einem ähnlichen Problem vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Partei wurde zeitweise vom Geheimdienst beobachtet und die Gerichte erkannten in der Stiftung eine »Gemeinwohlgefährdung« (BVerwG 3 C 55.96). Auch wenn der Fall im Detail betrachtet nicht mit den Vorgängen um die AfD-Stiftung vergleichbar ist, beweist er doch, dass die Finanzierung parteinaher Stiftungen kein Automatismus ist, sondern durch politische und juristische Entscheidungen beeinflusst wird. Ob also künftig die Gesellschaft die «Alternative für Deutschland« und ihr Umfeld mit weiteren Millionenbeträgen subventionieren will, ist also auch eine Entscheidung darüber, wo die Gesellschaft eine rote Linie gegenüber der radikalen Rechten ziehen will.
»»»Ideenschmiede« der AfD
Ein Porträt der »Erasmus-Desiderius-Stiftung«
von Ernst Kovahl