Eine Zerreißprobe für die Regierung?

von Heribert Schiedel
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Österreich

Bei den Europawahlen könnte sich die extrem rechte »Freiheitliche Partei Österreichs« wieder einmal als »Protestpartei« profilieren. Doch das könnte einen Keil in die Koalition mit der »Österreichischen Volkspartei« treiben.

der rechte rand Magazin 169
Heinz-Christian Strache © Roland Geisheimer

Während die »Österreichische Volkspartei« (ÖVP) als Teil der »Europäischen Volkspartei« (EVP) für den gegenwärtigen Zustand der EU mitverantwortlich ist, möchte sie die 2015 gegründete 34-köpfige extrem rechte Fraktion »Europa der Nationen und der Freiheit« (ENF), zu der die »Freiheitliche Partei Österreichs« (FPÖ) gehört, am liebsten zerschlagen wissen. Beide Parteien haben darum wenig Interesse an einem Wahlkampf, der diesen Namen auch verdient und solcherart die Bruchstellen in der Koalition mit der FPÖ deutlich machen würde. Insbesondere der mächtigen »Industriellenvereinigung« ist wenig daran gelegen, sich für Zahlungen an eine Partei rechtfertigen zu müssen, die sich in aller Öffentlichkeit zur Auflösung der EU oder zum Ende der Euro-Währung bekennt, beziehungsweise mit Parteien eine Fraktion im europäischen Parlament bildet, die genau das tun.

von Michael Bonvalot im
Magazin

Seit Dezember 2017 sitzt die FPÖ in einer Koalition mit der ÖVP, wofür sie bereits ihre Ablehnung des Freihandelsabkommens CETA und andere einst angeblich unverhandelbare Positionen aufgeben musste. Dieser Verrat wird der FPÖ aber nicht schaden, denn ihre WählerInnen sind nicht gerade dafür bekannt, ein gutes Gedächtnis zu haben. Stattdessen haben sie vor allem eins: »Angst«. Und was ist schon eine Handelsvereinbarung im Vergleich zu jenen ‹Flüchtlingshorden›, die wohl auch in diesem Wahlkampf wieder als Bedrohung erfunden werden. Alle Umfragen gehen darum zu Recht davon aus, dass die FPÖ ihr Ergebnis der Europawahl 2014, als sie 19,7 Prozent erreichte, noch übertreffen wird. Dies trotz des wenig beliebten Harald Vilimsky, FPÖ-Generalsekretär und Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP), der neben Vizekanzler und Parteichef Heinz-Christian Strache von den FPÖ-Plakaten grinsen wird.

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FPÖ allein in Parlament?
Noch schwieriger dürfte die Zeit nach den Wahlen werden: Die FPÖ war zwar ENF-Gründungsmitglied, könnte aber bald ohne Fraktionsanbindung bleiben oder wieder in einer bedeutungslosen Minifraktion landen. Denn von den rechtspopulistischen und nationalkonservativen Parteien sind nur wenige zu einer Fraktionsbildung mit der FPÖ bereit. Insbesondere die skandinavischen Rechtsparteien und auch die polnische Regierungspartei »Recht und Gerechtigkeit« haben noch starke Vorbehalte gegen die FPÖ und den Pro-Putin-Kurs der ENF-Mitglieder. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass sich die ungarische »Fidesz« aus der EVP verabschiedet, um so eine neue Rechtsaußen-Fraktion mit unsicherer Zukunft zu stärken. Es kann darum der FPÖ durchaus passieren, dass sie überbleibt. Zumal die ENF-Mitglieder »Lega« aus Italien und die niederländische »Partij voor de Vrijheid« zu Steve Bannons Bündnisplan »The Movement« tendieren, mit dem die FPÖ allerdings nichts zu tun haben will. Auch in der französischen »Rassemblement National«, vormals »Front National«, ist die Verbundenheit mit der FPÖ nicht enger geworden, nachdem Vilimsky die ganze Schuld am »Champagnergate« – 2016 wurden von der ENF nahezu 500.000 Euro an Steuergeldern verprasst – den ‹Franzosen› in die Schuhe geschoben hatte.

von Heribert Schiedel im
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Konservative und Aussichtslose
Auch die einstige »Europapartei« ÖVP wirkt, als hätte sie wenig Freude mit den Europawahlen. Eine offen gegen die EU wetternde FPÖ würde innerhalb der ÖVP jenen pro-europäischen Stimmen wieder Gewicht verleihen, die seit jeher vor einer Koalition mit der FPÖ gewarnt hatten. Einer davon ist Othmar Karas (MdEP), der ÖVP-Spitzenkandidat von 2014, der damals 27 Prozent erzielte. Er ist es auch, der im Gegensatz zum ‹Orbán-Freund› Bundeskanzler Sebastian Kurz am liebsten die »Fidesz« aus der EVP ausgeschlossen sehen will und schon so manche Entscheidung der ÖVP-FPÖ-Regierung öffentlich kritisiert hat. Allein die Tatsache, dass entgegen aller Ankündigungen Mitte Januar noch immer keine KandidatInnenliste der ÖVP präsentiert wurde, verweist auf die Konflikte im Hintergrund. Parteichef Kurz muss Karas berücksichtigen, weil dieser sonst mit einer eigenen Liste den absehbaren neuerlichen Sieg der ÖVP verunmöglichen könnte. Umgekehrt ist der Bundeskanzler nicht dafür bekannt, dass er an so einer zentralen Position wie der Leitung der ÖVP-Delegation im europäischen Parlament eigenständige Persönlichkeiten mit politischem Gewicht und abweichender Meinung duldet. Darum ist es gut möglich, dass Karas auf den Posten eines EU-Kommissars weggelobt wird und die ‹neue› türkise ÖVP mit braven ParteisoldatInnen ins Rennen geht. Die passen besser neben Kurz auf die Wahlplakate, der nach Umfragen der beliebteste Kanzler der »Zweiten Republik« ist.

von Heribert Schiedel im
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Rechts von ÖVP und FPÖ versuchen mehrere Kleinstparteien, sich Anti-EU-Sentiments nutzbar zu machen. So etwa die »Liste ÖXIT – Die Stimme« von Markus Ripfl, einem Mitglied der schlagenden »Burschenschaft Olympia«, der aufgrund seiner neonazistischen Tendenzen zu Jahresbeginn 2018 aus der FPÖ geworfen wurde. Oder die Liste »EU Nein«, zu der sich die Initiativen »Heimat & Umwelt« und »Neutrales Freies Österreich« zusammengeschlossen haben. Eine Chance auf Mandate haben sie allesamt nicht.