Burschen an der Macht: Österreich unter neuer Regierung
von Heribert Schiedel
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 170 - Januar 2018
Wie nie zuvor in ihrer Geschichte wird die extrem rechte »Freiheitliche Partei Österreichs« (FPÖ) heute von deutsch-völkischen Korporierten geprägt. Und dank ihres Wahlerfolges und der SteigbügelhalterInnen aus der konservativen »Österreichischen Volkspartei« (ÖVP) haben die Deutschtümelnden heute so viel politische Macht in den Händen wie seit 1945 nicht mehr. Dementsprechend weist das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ eine korporierte Handschrift auf: Insbesondere in den Bereichen Frauen und Familie, Bildung und Demokratie drückt sich das antifeministische, heteronormative, elitäre, rassistische und autoritäre Weltbild der Burschenschaften aus.
Dem Anfang November 2017 angelobten FPÖ-Nationalratsklub gehören 51 Abgeordnete an, 20 davon sind deutschnational Korporierte, der Großteil davon Burschenschafter. Im aktuellen freiheitlichen Bundesparteivorstand verzeichnen die deutschnationalen Korporierten sogar eine absolute Mehrheit. Anders als Jörg Haider (pennale Burschenschaft »Albia«, Bad Ischl und akademische »Burschenschaft Silvania«, Wien) ist Heinz-Christian Strache (pennale Burschenschaft »Vandalia«, Wien) im Laufe seiner Obmannschaft von dieser freiheitlichen Kernklientel nicht abgerückt, sondern hat ihre Position in der Partei in den vergangenen Jahren sogar noch gestärkt. Eine Personalpolitik, die sich auch auf die programmatische Ebene auswirkt: Unter der Verantwortung Norbert Hofers (pennale Burschenschaft »Marko-Germania«, Pinkafeld) wurde 2011 das Bekenntnis zur »deutschen Volksgemeinschaft«, das unter Haider 1998 gestrichen worden war, wieder ins Parteiprogramm aufgenommen. Dass sich Hofer im verlorenen Bundespräsidentenwahlkampf 2016 erst unter massivem Druck von diesem Bekenntnis distanzierte, spricht mehr gegen als für ihn. Mit solchem, von Opportunismus motivierten Verrat hätte sich der nunmehrige Infrastrukturminister eigentlich selbst aus seiner Burschenschaft ausgeschlossen. Dass die deutsch-völkisch Korporierten trotzdem so gute Miene zum bösen Spiel machen, zeigt, was sie bereit sind, für die politische Macht zu opfern.
»Akademisches Rückgrat«
Nach der Abspaltung des »Bündnisses Zukunft Österreich« (BZÖ) im April 2005 wurde die FPÖ neuerlich zur Burschenschafter-Partei. Auch FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache räumt ein, dass das »waffenstudentische Lager« rund um die BZÖ-Abspaltung – »in der historisch größten Krise, die die Freiheitliche Partei erleben musste« – einen rettenden »Rückhalt« bedeutet und einen wesentlichen Beitrag zur »Wiedergeburt« der FPÖ geleistet habe. Die extrem rechte deutsche »National-Zeitung« erinnert ebenfalls daran, »dass es jeweils schlagende Verbindungsstudenten, in erster Linie Burschenschafter, waren, die die Partei stets dann wieder hoch brachten, wenn diese am Boden lag«. Tatsächlich bilden die deutschvölkischen Verbindungen geradezu »das akademische Rückgrat der FPÖ«, wie es 2007 in den »Burschenschaftlichen Blättern« hieß.
Schon 1986 waren Korporierte maßgeblich daran beteiligt, Haider als FPÖ-Obmann durchzusetzen. Mitte der 1990er Jahre setzte seitens der FPÖ-Spitze jedoch – zumindest nach außen hin und wohl im Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung – eine gewisse Absetzbewegung vom eigenen korporierten Umfeld ein. Diese wurde auf ideologischer Ebene begleitet von einer Modifikation des Deutschnationalismus und der bereits erwähnten Aufgabe des Bekenntnisses zur »deutschen Volksgemeinschaft«. Haider distanzierte sich Anfang 1995 vom Burschenschafter-Zentralorgan »Die Aula«, das damals als Stichwortgeber der rechtsterroristischen »Bajuwarischen Befreiungsarmee« (BBA) durch die Medien ging. Die im Sommer 1995 folgende Verurteilung des damaligen »Die Aula«- Verantwortlichen nach dem NS-Verbotsgesetz trug dazu bei, die einst so engen Bande zwischen »Die Aula« und FPÖ zumindest vorübergehend etwas zu lockern. In der Folge legte das von den »Freiheitlichen Akademikerverbänden« herausgegebene Monatsblatt unter der Verantwortung des ehemaligen SA-Sturmführers, NSDAP-Mitglieds und FPÖ-Nationalrates Otto Scrinzi (Verein Deutscher Studenten, Innsbruck), beinahe jede taktische Rücksichtnahme ab. Die nunmehrige Nähe der »Die Aula« zum Neonazismus konnte und kann jedoch hochrangige FPÖ-Funktionäre von Obmann Heinz-Christian Strache abwärts nicht davon abhalten, weiter und mehr denn je dort zu publizieren oder ihr für Interviews zur Verfügung zu stehen. Ende 2011 gratulierten zahlreiche FPÖ-Spitzenkader zum 60-jährigen Jubiläum der »Aula«.
Auch im Wahljahr 2017 erlegten sich freiheitliche Korporierte in ihrem Zentralorgan »Die Aula« keine Zurückhaltung auf. So war dort im Jänner dieses Jahres die Rede von »zionistischen Netzwerke(n)«, die »deutsche Schuldkomplexe (…) zielgerichtet für eigene Geschäftsverbindungen instrumentalisier(en)” und von der US-Armee als »eine(r) Interventionstruppe zur Sicherung der Interessen von Ostküstenbanken«. Im März hieß man Donald Trump einen im Dienste des »parasitären Großkapitals« stehenden, »von der Hochfinanz installierter(n) Durchlauferhitzer zur Errichtung ihrer totalitären Herrschaft«. Im Juli echauffierte man sich über den »Allmachtsanspruch der anonymen Halbgötter in der Hochfinanz, der sich heute in der Globalisierung austobt«. Und im Oktober war in der »Aula« zu lesen: »Seit 3.000 Jahren dominiert das intelligenteste Volk auf Erden unseren Planeten.« Dieses »Volk« stehe auch hinter dem Phänomen der Migration: »Durch die Vermischung der abendländischen Zivilisation mit einem gelenkt einfallenden Heer von Analphabeten und Fast-Analphabeten (…) wird auch der abendländische Durchschnitts-IQ massiv gesenkt. Der Abstand zum Durchschnitts-IQ des bei weitem intelligentesten Volkes unseres Globus wird also weiter vergrößert. (…) Faszinierend ist, wie einer zahlenmäßig winzigen Minderheit der Siegeszug über unseren ganzen Planeten gelang.« Solch offenen Antisemitismus in ihrem »Akademiker«-Blatt versuchen Freiheitliche durch demonstrative Bekenntnisse zum Kampf gegen »islamischen« Antisemitismus und eine geheuchelte Solidarität mit Israel zu kaschieren.
Auch wenn die FPÖ nach massiver Kritik im jüngsten Wahlkampf die öffentlichen Zahlungen an »Die Aula« mittels Inseraten weitgehend, aber wohl nur vorübergehend, eingestellt hat, ist die Parteispitze von einer tatsächlichen Distanzierung noch meilenweit entfernt. Es war ja auch Strache, der dem »freiheitlichen Magazin« 2004 versichert hatte, dass er – ganz im Gegensatz zu Haider – »immer« zu ihm stehen werde. Und so fanden sich auch 2017 unter den »Aula«-AutorInnen zahlreiche FPÖ-FunktionärInnen. Zudem sitzen in den Vorständen der »Freiheitlichen Akademikerverbände« (FAV) nach wie vor die freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Wendelin Mölzer (akademisches Corps »Vandalia«, Graz) und Axel Kassegger (akademische Burschenschaft »Germania«, Graz) sowie der Wiener FPÖ-Landtagsabgeordnete Dietbert Kowarik (akademische Burschenschaft »Olympia«, Wien). Dass der FPÖ im Gegensatz zu den späten 1990er Jahren nun keine nachhaltige Distanzierung von diesem Milieu mehr abverlangt wurde, verweist auf die fortschreitende Normalisierung autoritärer und rassistischer Politik.
Burschenschaftliche Handschrift
Entsprechend der Hegemonie der gemäßigten und extremen Rechten disqualifiziert eine Mitgliedschaft in einer deutsch-völkischen Korporation nicht länger für die höchsten Ämter im Staat. Zwar soll Bundespräsident Alexander van der Bellen dem Vernehmen nach Reinhard Bösch als Verteidigungsminister abgelehnt haben, weil dieser Mitglied der Wiener akademischen Burschenschaft »Teutonia« ist, ansonsten konnte die FPÖ sich auch in Personalfragen weitgehend durchsetzen. Mit Anneliese Kitzmüller wurde etwa eine völkische Mädelschafterin (»Iduna zu Linz«, »Siegrid zu Wien«), die zudem im Vorstand der rechtsextremen »Österreichischen Landsmannschaft« (ÖLM) sitzt, für den hohen Posten der Dritten Nationalratspräsidentin nominiert. Auch das Regierungsprogramm weist eine burschenschaftliche Handschrift auf: Während in vielen Bereichen eine weitgehende Kontinuität zu den Vorgängerregierungen zu konstatieren ist und es hier nur zu einer Verschärfung des (neoliberalen und rassistischen) Kurses kommen wird, drohen die Brüche in der Frauenpolitik, die wieder fast gänzlich zur Familienpolitik werden soll, und im Bildungs- und Wissenschaftsbereich. Das Schulsystem soll in seiner sozialen Selektionsfunktion noch weiter ausgebaut werden. Alle zögerlichen Versuche, mittels einer Bildungsreform zu mehr Chancengleichheit zu gelangen, sind abgedreht worden. Und die Universitäten sollen mittels Studiengebühren wieder zu dem werden, was sie waren und in den Augen der korporierten Eliten sein sollen: eine Ausbildungsstätte für Besserverdienende. Entsprechend des Verhältnisses der deutsch-völkisch Korporierten zur Demokratie sind aber nun vor allem die demokratischen Grundrechte mehr denn je bedroht. Dem freiheitlichen Innenminister Herbert Kickl, der noch 2016 in Linz vor Neonazis und extrem Rechten sprach, wurden noch weitergehende Befugnisse zur »Terrorbekämpfung« in die Hände gegeben.
Das ist dem völkischen Kern der FPÖ aber noch zu wenig: Schon vor der Angelobung der neuen Bundesregierung hatte »Die Aula« bereits einige Forderungen an diese gerichtet. So sollte »dubiosen Vereinen wie dem ‹Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes› (DÖW) der Geldhahn zugedreht werden«. Im Sinne der Nachhaltigkeit der anstehenden Wende sollte die kommende Koalition zudem »auch verfassungsrechtliche Maßnahmen andenken, um ein neuerliches Emporkommen der Grünen und ein Wiedererstarken der Roten hintanzuhalten. Die vom Wähler unmißverständlich gewünschte Veränderung soll schließlich von Dauer sein«. Solch autoritäre Wunschträume sind leider nicht unrealistisch, wie Ungarn, das von ÖVP und FPÖ immer wieder als positives Beispiel angeführt wird, zeigt. Zudem haben sich Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Strache im Wahlkampf geradezu einen Wettstreit darüber geliefert, wer von beiden Viktor Orbán näher steht. Dennoch werden ÖVP und FPÖ nicht gleich die Verfassung ändern – der Abbau demokratischer Rechte wird ein schleichender sein. Wahrscheinlich wird dieser Prozess an den Universitäten beginnen: Es ist zu befürchten, dass die rechts-rechte Koalition bald der »Österreichischen HochschülerInnenschaft« (ÖH) das »allgemeine politische Mandat« entziehen wird. Damit soll verhindert werden, dass die gesetzlich anerkannte Studierendenvertretung wieder zum organisatorischen Zentrum einer Bewegung gegen eine Regierung unter Einschluss der extremen Rechten wird.
Auf parteipolitischer Ebene haben die FPÖ und die sie intellektuell tragenden deutsch-völkisch Korporierten wenig Widerstand zu erwarten: Die »Sozialdemokratische Partei Österreichs« (SPÖ) hat sich als wirksame Opposition selbst ausgeschaltet, indem sie ihre grundsätzliche Ablehnung einer Koalition mit der FPÖ aufgegeben hat. Und die »Grünen« haben den Einzug in den Nationalrat knapp verpasst. Auch von der EU ist wenig Protest gegen eine Regierung unter FPÖ-Beteiligung zu erwarten, wie sich am zögerlichen Umgang mit Victor Orbán aktuell zeigt. Der autoritäre Umbau Österreichs kann also ungehindert vorangetrieben werden. Und die korporierten Seilschaften können sich nun wieder in Ministerien und in der staatsnahen Wirtschaft breit machen.