Zwischen Neonazismus und »Neue Rechte«: Zum völkischen Blätterwald in Österreich

von Heribert Schiedel
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#Österreich

Die extrem rechte Publizistik erfreut sich in Österreich besonderer Kontinuität und damit Stärke. Ihre Flaggschiffe erscheinen seit Anfang der 1950er Jahre – als der Entnazifizierungseifer erlahmte und sich die Szene reorganisieren konnte. Die Zeitschriften sind mehrheitlich nicht im freien Handel, sondern nur im Abonnement erhältlich, dementsprechend sind die Auflagenzahlen zumeist nicht bekannt. Sie werden bis auf »fakten« und »PHOENIX« maßgeblich von deutsch-völkischen Korporierten gestaltet und finanzieren sich neben Abos und – in Ausnahmefällen – Verkauf vor allem mittels Spenden und Inseraten, wobei es einschlägige Wirtschaftstreibende und Gruppen oder die »Freiheitliche Partei Österreichs« (FPÖ) sind, die solcherart für Geldfluss sorgen. Ein oft in den Raum gestellter Finanzfluss aus Russland kann bei keinem der extrem rechten Zeitungsprojekte, die mit Ausnahme des neonazistischen »PHOENIX« bestens untereinander vernetzt sind, nachgewiesen werden. Gemeinsame Themen sind Migration, sonstige Verschwörungen gegen Deutschland oder Europa und die Selbstdarstellung als mutige KämpferInnen gegen »Politische Korrektheit« und »Denkverbote«.

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»fakten« und »Aula« Zwischen Neonazismus und »Neue Rechte«: Zum völkischen Blätterwald in Österreich

Das »freiheitliche Magazin«
Die »Aula« wurde 1951 als »Mitteilungsblatt des Akademikerverbandes Österreichs« in Graz gegründet, seit 1952 erscheint sie unter ihrem heutigen Namen »Die Aula. Das freiheitliche Magazin«. Sie ist nicht im Handel erhältlich, vielmehr richtet sie sich an die Aktiven und Alten Herren deutschvölkischer Männerbünde. Herausgegeben wird sie monatlich vom »Aula-Verlag«, als dessen Eigentümer fungieren die »Freiheitlichen Akademikerverbände« (FAV). Bei diesen handelt es sich um einen Dachverband deutsch-völkischer Korporierter, die mehrheitlich in der FPÖ aktiv sind. Die »Schriftleitung« lag bis 1999 bei Herwig Nachtmann, ehemaliger Aktivist der neonazistischen »Nationaldemokratischen Partei« (NDP). Diese hatte sich Mitte der 1960er Jahre von der sich damals Richtung Sozialliberalismus entwickelnden FPÖ abgespalten. Bis zur de facto Wiedervereinigung und der kurz drauf erfolgten behördlichen Auflösung der Rest-NDP im Jahr 1988 diente die »Aula« als Scharnierorgan zwischen den beiden Parteien. Auf Nachtmann folgte der mittlerweile verstorbene Otto Scrinzi, seit 2004 ist Martin Pfeiffer, nebenbei Vorsitzender der »Gesellschaft für freie Publizistik« (GfP), hauptverantwortlich.Neben der »Aula« erscheinen im gleichnamigen Verlag in unregelmäßigen Abständen Bücher, zumeist über korporierte und historische Belange. Im »Aula-Buchdienst« wird vor allem »revisionistische« Literatur angeboten, darunter etwa Bücher von Peter Dehoust, David Irving oder Reinhard Pozorny. Wiederholt startete der »Aula-Verlag« Versuche, mit eigenen Periodika ein jüngeres Publikum zu erreichen, so Anfang der 1990er Jahre mit der neu-rechten Zeitschrift »Identität« unter der Ägide Jürgen Hatzenbichlers. Aktuell versucht man mit der Zeitschrift »gegenARGUMENT« der zuletzt bemerkbaren Entpolitisierung der FPÖ-Nachwuchstruppe »Ring Freiheitlicher Jugend« (RFJ) möglichst Einhalt zu gebieten.
Deckte die jeweils rund 60-seitige »Aula« anfangs ein Spektrum vom Neonazismus bis zu einem sich demokratisch verstehenden Deutschnationalismus und zu rechtskonservativen Positionen ab, erlebte das Blatt im Lauf der Jahrzehnte eine zunehmende Verengung. Nachdem Herwig Nachtmann im August 1995 wegen Holocaustleugnung gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen hatte und verurteilt worden war, kehrten zahlreiche Autoren, allen voran Andreas Mölzer und Jürgen Hatzenbichler, der »Aula« den Rücken. Schon nach dem Mordanschlag auf burgenländische Roma im Februar 1995 ging FPÖ-Obmann Jörg Haider, der noch 1991 zum 40-jährigen Bestehen gratulierte, auf Distanz zur »Aula«, die damals als mögliche Stichwortgeberin des Nazi-Terrors polizeiliches wie mediales Interesse auf sich gezogen hatte. Derart isoliert und als Scharnierorgan zwischen extremer Rechter und Konservativismus verbrannt, begann die Zeitschrift, weitgehend auf rechtskonservative Positionen zu verzichten. Neben deutlichen Sympathiebekundungen für extrem rechte und sogar neonazistische Parteien steht sie diesen heute auch unmittelbar offen gegenüber. Immer wieder scheinen etwa Kader der »Nationaldemokratischen Partei Deutschlands« (NPD) als AutorInnen oder InterviewpartnerInnen auf, seit kurzem auch solche der »Alternative für Deutschland« (AfD). Entsprechend ihrer pangermanischen Ausrichtung nehmen die Texte mit Deutschlandbezug in jedem Heft breiten Raum ein, auch stammt jeweils fast die Hälfte der Autoren und wenigen Autorinnen aus Deutschland.
Vor allem aufgrund anhaltender antisemitischer Agitation sorgt die »Aula« immer wieder für empörte Kritik. Auch mit NS-Apologie macht sie bis heute von sich reden, manchmal werden dabei auch die Grenzen zum »Revisionismus« überschritten oder eindeutige politische Statements in Form des Vertriebs von NS-Literatur abgegeben. Zudem werden (verurteilte) Neonazis zustimmend als »Volkstumskämpfer«, »Nationale« oder »Dissidenten« verharmlost. Diese Radikalisierung hält zahlreiche FPÖ-FunktionärInnen von Parteichef Heinz-Christian Strache abwärts nicht davon ab, weiterhin in der »Aula« zu publizieren oder ihr für Interviews zur Verfügung zu stehen. Neben symbolischer Aufwertung erfährt die »Aula« traditionell auch finanzielle Unterstützung von freiheitlicher Seite: Die FPÖ zählte bis dato, insbesondere vor Wahlgängen, zu ihren wichtigsten InseratenkundInnen. All dies, zusammen mit einer explizit parteilichen Berichterstattung, unterstreicht den Charakter des »freiheitlichen Monatsmagazins« als FPÖ-Vorfeldorgan. Jedoch scheint sich mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ dort mehr Zurückhaltung breit zu machen: Seit den Wahlen im Herbst 2017 lässt sich kein Inserat der Partei mehr finden, auch mit Beiträgen halten sich Freiheitliche nun etwas zurück.

»fakten«
Die im niederösterreichischen Seebarn seit 1990 monatlich erscheinenden und nur im Abonnement erhältlichen »fakten« wiesen bis vor kurzem ebenfalls eine zwischen FPÖ und außerparlamentarischer extremer Rechten vermittelnde Funktion auf. Hinter dem Eigentümer und Herausgeber »Kritische Demokraten« steht Horst Jakob Rosenkranz, der sich in den 1980er Jahren als Kader mehrerer Neonazigruppen einen Namen machte. Im Zuge der szeneinternen Umorientierung gemäß des damaligen »Frontkonzepts« (»Rein in die Legalität!«) hat auch Rosenkranz zu Beginn der 1990er Jahre einen Gang zurückgeschaltet, zumal seine Gattin Barbara seit damals bis letztes Jahr der FPÖ als Führungskader zur Verfügung stand. Anstatt sich wie die »Aula« durch revisionistische Anklänge in die Kritik und ins Visier der Justiz zu bringen, verzichten die jeweils rund 20-seitigen »fakten« auf die Behandlung zeitgeschichtlicher Themen. Stattdessen konzentrieren sie sich vor allem auf – mit Sozialdemagogie verknüpfte – rassistische Propaganda und nationalistische Anti-EU-Agitation. In unregelmäßigen Abständen erscheinen daneben »fakten«-Sondernummern, die ebenfalls auf Migration und EU fixiert sind. Ansonsten widmet sich die Mannschaft rund um Rosenkranz, der sich mit einer kleinen LeserInnenschar wöchentlich in einem Wiener Kaffee trifft, vor allem kulturellen Themen, die allesamt unter dem Label von »Dekadenz« und »Verfall« behandelt werden.

»Der Eckart«
Das Organ der »Österreichischen Landsmannschaft« (ÖLM) wurde 1953 als »Eckartbote – Monatsschrift für deutsche Kultur« in Wien gegründet. Seit 2002 erscheint das vor allem an Mitglieder gerichtete und darum nur im Abo erhältliche, rund 30-seitige Blatt unter dem Titel »Der Eckart – Monatszeitung für Politik, Volkstum und Kultur«. Unter der »Schriftleitung« von Thomas Hüttner widmet sich »Der Eckart« vor allem der Erhaltung des »Deutschtums« außerhalb Deutschlands, dementsprechend dominant sind kulturpolitische Themen. Aber auch historische Rechnungen werden offen gehalten, wobei immer wieder revanchistische Forderungen erhoben werden. Daneben ist »Der Eckart« vor allem auf die drohende »Umvolkung« fixiert, dementsprechend haben viele Artikel einen offen rassistischen Charakter. Diese gehen in der Regel nicht über das Niveau von Schulaufsätzen hinaus, aber »Der Eckart« hat seit jeher weniger inhaltliche Funktionen, sondern ist vor allem aufgrund der Veranstaltungsankündigungen im jeweiligen Heft als vernetzender Informationsträger von Bedeutung. Zur Vertiefung der Weltanschauung gibt die ÖLM vierteljährlich eine »Eckartschrift« heraus, seit 1958 sind 230 Büchlein in dieser Reihe erschienen.
Das »Schulvereinshaus« der ÖLM in Wien VIII stellt einen wichtigen, fraktionsübergreifenden Treffpunkt extremer Rechter dar. Neben der ÖLM und mehreren völkischen Verbindungen steht das Haus auch befreundeten Gruppen für Veranstaltungen offen. Auch der »Eckart« und seine Herausgeber verfügen über engste personelle Verbindungen zur FPÖ: Zahlreiche FPÖ-Kader sind in der ÖLM engagiert, das FPÖ-Bildungsinstitut tritt gemeinsam mit der ÖLM als Organisator von Veranstaltungen auf. Beim alljährlichen »Schulvereinstag« der ÖLM zeigt sich an der dort aufmarschierenden Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur zudem, wie wenig isoliert man auch außerhalb der extrem rechten Szene ist.

»Info-DIREKT«
»Info-DIREKT«, das jüngste Scharnierorgan zwischen Neonazismus und extremer Rechter ging 2015 aus den Reihen des neonazistischen »Bundes freier Jugend« (BfJ) hervor, unterstützt von Aktivisten der Linzer Burschenschaft »Armina Czernowitz« und der ÖLM. Als Herausgeber des vor allem im Abo, aber auch bereits in rund 100 Verkaufsstellen erhältlichen Zweimonatsblattes fungiert ein »Verein für Meinungsfreiheit und unabhängige Publizistik« unter Karl Winkler, seines Zeichens Vorsitzender der oberösterreichischen ÖLM-Landesgruppe. Zahllose Freiheitliche unterstützen das rund 50-seitige Blatt, jüngst inserierte dort etwa der Linzer Lokalpolitiker Markus Hein. Und ein »Info-DIREKT«-LeserInnentreffen konnte im Herbst letzten Jahres nach dem Entzug der Räumlichkeiten auf Einladung der FPÖ im Linzer Rathaus stattfinden. Bis auf wenige Ausnahmen und Texte, die aus dem Internet übernommen wurden, versteckten sich die Autoren zunächst hinter Pseudonymen – verständlich angesichts deren politischen Vorlebens im Neonazismus. Erst nachdem antifaschistische Recherchen mehr und mehr bekannte Kader der Autorenschaft überführt hatten, begannen diese unter ihren Klarnamen zu schreiben. Zumeist gelingt es den Machern rund um Stefan Magnet und Ulrich Püschel, allzu offene NS-Anklänge zu vermeiden. Neben dem antiamerikanischen und antisemitischen Verschwörungsmythos und Putin-Huldigungen – dessen Porträt, versehen mit dem Ruf »Wir wollen einen wie Putin!« prangte auf der ersten Ausgabe – ergeht sich »Info-DIREKT« vor allem in der Verbreitung von Untergangspanik.
Nach dem Vorbild des deutschen »Zwischentages« und in Nachfolge der »Politischen Akademie« der BfJ-Mutterorganisation »Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik« (AfP), hat »Info-DIREKT« gemeinsam mit den KameradInnen von »Ein Prozent« 2016 und 2018 zum Kongress »Verteidiger Europas« nach Oberösterreich eingeladen. ReferentInnen, AusstellerInnen und BesucherInnen belegten bisher ebenfalls den Scharniercharakter dieses aufwendig gestalteten Zeitungsprojektes.

»Zur Zeit«
Bei »Zur Zeit« handelt es sich um eine bedeutende und in weiten Teilen extrem rechte, FPÖ-nahe Wochenzeitung, die 1997 unter der Ägide des damaligen FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer aus der (seit 1995 erscheinenden) Österreich-Ausgabe der »Jungen Freiheit« hervorgegangen ist. Seit 2015 wird sie von Mölzer und dem vormaligen ORF-Journalisten Walter Seledec herausgegeben, als Medieninhaber dient die »W 3 Verlagsgesellschaft« unter der Leitung von Walter Tributsch. Für EDV und Layout ist der katholisch Korporierte Günther Schneeweiß-Arnoldstein verantwortlich, die Chefredaktion teilen sich heute Mölzer und Seledec. Die inhaltliche Bandbreite von »Zur Zeit«, die zumindest im Nahbereich der Universitäten auch im Handel erhältlich ist, reicht von NS-apologetischen und antisemitischen bis hin zu rechtskonservativen und wirtschaftsliberalen Positionen, alles möglichst journalistisch und wochenaktuell aufgemacht. Zahlreiche führende FPÖ-Kader von Strache abwärts schreiben in der rund 50-seitigen »Zur Zeit« oder stellen sich als InterviewpartnerInnen zur Verfügung. Zu Wahlkämpfen werden auf Kosten der FPÖ Sondernummern gestaltet und zur kostenlosen Verteilung gebracht.
Neben wöchentlichem Erscheinen organisieren die »Zur Zeit«-Macher auch Veranstaltungen, die Produktion und den Vertrieb von (größtenteils von Mölzer verfassten oder herausgegebenen) Büchern in der »Edition Zur Zeit« und den Verkauf von einschlägiger (revisionistischer) Literatur im »Heimat-Buchdienst«, wie etwa der von Rolf Kosiek und Olaf Rose im »Grabert Verlag« herausgebrachte »Große Wendig. Richtigstellungen zur Zeitgeschichte« oder die Machwerke David Irvings.

»Neue Ordnung«
Die fast 60-seitige Vierteljahreszeitschrift »Neue Ordnung« erscheint seit 1958, zunächst beim Grazer »Leopold Stocker Verlag«, ab 2005 beim dort ausgegliederten »ARES Verlag«. Anfänglich als Brückenbauorgan zum Konservativismus konzipiert, radikalisierte sich das vor allem im Abonnement erhältliche Blatt unter der Leitung von Wolfgang Dvorak-Stocker, so dass es nun der extremen Rechten zugerechnet wird. So finden sich in der »Neuen Ordnung« heute zustimmende Aussagen zum historischen Faschismus sowie dessen Frontstellung gegen Demokratie, Individualismus und Liberalismus ebenso wie nationalistische bis »revisionistische« Geschichtsbetrachtungen. In ihrer Redaktion sitzt unter anderem Angelika Willig, für die Gestaltung verantwortlich ist wie bei »Zur Zeit« Schneeweiß-Arnoldstein. Der »Neuen Ordnung« ist ein gewisser Einfluss auf bestimmte gegenintellektuelle Milieus zu attestieren, dementsprechend versucht sie, sich durch viele akademische AutorInnen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Solcherart zum österreichischen Organ einer »Neuen Rechten« mutiert, steht die »Neue Ordnung« in konservativ-revolutionärer Tradition (Ernst Jünger, Arthur Moeller v. d. Bruck, Oswald Spengler und andere) und knüpft offen an die (katholischen) Konkurrenz- und Kollaborationsfaschismen der Zwischenkriegszeit an. Das relativ breite inhaltliche Spektrum reicht von NS-verharmlosenden Positionen über einen militant antiliberalen Konservativismus bis zu einem vorkonziliaren Katholizismus – einschließlich dessen Antisemitismus.

»PHOENIX«
Von allen Druckwerken am offensten neonazistisch ist »PHOENIX«, das seit 1996 bis zu sechsmal im Jahr erscheint und nur im Abo erhältlich ist. Es wird in Alleinregie von Walter Ochensberger in Vorarlberg herausgegeben und beschränkt sich mittlerweile gänzlich auf den Nachdruck bereits erschienener oder im Internet kursierender Artikel von Neonazis, die allesamt die Wahnidee von der »jüdischen Weltverschwörung« durchzieht. Während zwischen den anderen genannten Zeitschriften zum Teil engste Kontakte und personelle Überschneidungen bestehen, ist »PHOENIX« aufgrund seiner offen neonazistischen Inhalte weitgehend isoliert. Dass es dennoch ungehindert erscheinen kann, spricht gegen Polizei und Justiz.