»Der Sozialpopulismus der AfD«

von Paul Wellsow
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 181 - November / Dezember 2019 - online only

#Rezension

Die AfD »vertritt nicht die Interessen der Beschäftigten und Arbeitslosen – vielmehr ist sie eine Privilegienpartei, deren Wirtschafts- und Sozialpolitik faktisch dafür sorgt, dass die »kleinen Leute« klein bleiben«. Das ist das deutliche Fazit, das der DGB in seiner neuen Broschüre »Eine ‚Arbeiterpartei für Deutsche‘? Der Sozialpopulismus der AfD« zieht.

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DGB Broschüre

An vier Beispielen – Mindestlohn, Rente, Staatsfinanzen, Wohnungspolitik – wird dargestellt, dass bei der AfD »zwischen der sozialpolitischen Rhetorik und der Wirklichkeit eine große Lücke« klafft. Die Partei verschiebe die Klärung ihrer Positionen in diesem Feld: »Das hilft der AfD aus einer Klemme«. Denn die Positionen in der Partei gehen hier »weit auseinander«, teils präsentieren diese Fragen ein »Sammelsurium sich widersprechender Konzepte«. Stattdessen: eine »Fixierung auf Feindbilder«, »wolkige Formulierungen und inhaltsleere Appelle«. Für die Partei seien »letztlich an allem Migrant*innen schuld, und so dienen auch die sozialpolitischen Themen zur Frontstellung gegen Einwander*innen.«

Am Beispiel des Mindestlohns zeige sich das exemplarisch. Migration werde »für den Lohndruck verantwortlich gemacht – nicht aber die staatlich kaum regulierte Politik jener Arbeitgeber, die ein Interesse an geringer Entlohnung haben, die zudem geltende Standards unterlaufen und etwa verstärkt osteuropäische Beschäftigte unter der Tarifgrenze auf Schlachthöfen oder im Transportwesen beschäftigen.« Anhand der Politik der AfD in Brandenburg weist der DGB nach, dass die Partei »keinen Mindestlohn, jedenfalls keinen kontrollierbaren Anspruch darauf« wolle. Ähnliches gelte für das Thema Rente, zu dem die Partei sich bisher auf kein Konzept einigen konnte. Auch hier zeige sich, »dass die AfD Thüringen die Herkunft mehr interessiert als die jahrzehntelange Arbeitsleistung der Versicherten.«

Auch die Vorschläge zur Finanzpolitik zeigten, dass die AfD »gegen die Interessen der Arbeitnehmer arbeitet und vor allem die Privilegien der Vermögenden absichern will«. So würde die Umsetzung der geforderten Steuer- und Abgabenbremse eine »Privilegiensicherung fu?r Vermögende« und Kürzungen bei öffentlichen Ausgaben bedeuten: »Der Staat soll an die kurze Leine genommen werden.« Wie so Investitionen für Schulen, Straßen oder Soziales getätigt werden sollen, das bleibe völlig unklar, stellt der DGB fest. »Das Beispiel Steuer- und Abgabenbremse zeigt, was wirklich hinter Losungen wie »Sozial, ohne rot zu werden« steckt: der blaue Dunst des Rechtspopulismus.« Es ziehe sich in den politischen Konsequenzen weiterhin ein »wirtschaftsliberaler Tonfall durch das gesamte Programm« der Rechtspartei, analysiert der DGB: »Die Reichen sollen also nicht mehr bezahlen, der Staat soll insgesamt auch nicht mehr Geld zur Verfügung haben«.

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Björn Höcke am 1. Mai 2018 in Eisenach bei der AfD-Kundgebung »Sozial ohne Rot zu werden«
© Mark Mühlhaus / attenzione

Auch wenn die AfD weiterhin aus »zwei wirtschaftspolitisch zerstrittenen Flügeln besteht«, seien diese durch den Rassismus und Feindbilder als Kern der Partei fest verbunden. Es gebe einerseits Marktradikale, »die glauben, dass der Markt alles richtet«, aber auch einen völkisch-nationalistischen Flügel, der den »Schutz der Volksgemeinschaft« gegen den Weltmarkt verspreche. Die vom Thüringer AfD-Vorsitzenden Bernd Höcke beispielsweise aufgeworfene »soziale Frage« sei nicht die nach der Verteilung des Vermögens »von Oben nach Unten, nicht von Jung nach Alt, sondern u?ber die Frage der Verteilung unseres Volksvermögens von innen nach außen«, wie es explizit benannt wird. Es gehe nicht um unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Interessen, sondern es werde »das (ethnisch homogen gedachte) ‚Volk‘ beschworen.« Das »Außen«, das sind die »zu Invasoren dämonisierten Flüchtlinge« und »global agierende Kapitalisten«. Es zähle der »der Schutz vor den ‚Fremden‘«.

Deutlich weist der DGB auch darauf hin, dass es von der AfD keine Position für Mitbestimmung und Betriebsräte gebe. Vielmehr seien »selbstbewusste Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Rechte und Beteiligung einfordern«, der Partei ein Dorn im Auge. »Provokationen und Angriffe der AfD« hätten sich »zuletzt auch gegen den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften« gerichtet. Die Versuche, eigene Pseudo-Gewerkschaften von rechts zu gründen, seien explizit gegen den DGB gerichtet. Ein Ziel sei »die Spaltung der Einheitsgewerkschaft.«

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Komplette Ausgabe zu Gewerkschaften vom Magazin »der rechte rand« zum kostenlosen Download.

Die schmale Broschüre ist ein nützliches Handwerkszeug, um die unsoziale Politik der AfD zu verstehen und um bei Diskussionen schnell die richtigen Argumente zur Hand zu haben. Auf weitergehende Analysen weisen Literatur-Tipps hin. Der DGB macht jedenfalls klar: Die AfD ist keine Partei für die Interessen »der kleinen Leute«, ihre Politik ist unsozial. Das deutlich herauszuarbeiten ist notwendig. Leider hat sich jedoch gezeigt, dass die besseren Argumente nicht unbedingt ausreichen, um Wähler*innen abzuhalten, ihre Stimme – wissend um den sozial-politischen Charakter der Partei und gegen die eigenen ökonomischen Interessen – der radikalen Rechten zu geben. Aber das ist nicht dem Herausgeber und der Redaktion der verdienstvollen Broschüre anzulasten.

DGB Bundesvorstand (Hg.): Eine »Arbeiterpartei für Deutsche«?

Der Sozialpopulismus der AfD. Berlin 2019, 10 Seiten, kostenfreier Download unter www.dgb.de oder direkt hier zum PDF