Rechts färbt ab
von Anne Jessen
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019
#Dänemark
Bei den Wahlen zum EU-Parlament 2014 konnte die 1995 gegründete rechte »Dansk Folkeparti« (»Dänische Volkspartei«, DVP) ihre Mandate auf vier verdoppeln. Damit hat sie nahezu ein Drittel der für Dänemark vorgesehenen 13 Mandate im Europaparlament. Seit 2014 gehört die DVP der EU-skeptischen Fraktion »European Conservatives and Reformists« (ECR) an. Bereits nach den EU-Wahlen 2009 wollte die DVP dieser Fraktion beitreten. Damals wurde sie jedoch zusammen mit der italienischen »Lega Nord« abgewiesen, weil beide Parteien als extrem rechts eingestuft wurden; die DVP schloss sich daraufhin der »Europe for Freedom and Democracy« (EFD) an.
Rechts von der DVP hat sich eine neue Partei gebildet, die sich »Nye Borgerlige« (»Neue Bürgerliche«, NB) nennt. Die Gründer und Mitglieder der Partei kommen aus dem national-konservativem Spektrum. Ihr Ziel ist, dass alle Muslime Dänemark verlassen, da sie nicht dem dänischen Kulturkreis angehören würden. Die NB strebt einen Asylstopp an, und will, dass Dänemark die EU verlässt und sich aus internationalen Vereinbarungen und Verträgen zurückzieht. Die Partei kandidiert 2019 zum ersten Mal zur dänischen Parlamentswahl. Den bisherigen Prognosen zufolge könnte sie zwei Mandate erhalten.
Neonazis wenig sichtbar
Eine außerparlamentarische antimuslimische Gruppe ist die von der deutschen PEGIDA inspirierte »For Frihed« (»Für die Freiheit«), die es seit 2015 gibt. Einmal im Monat demonstriert sie in Kopenhagen gegen den Islam. Viele sind es nicht, die zu den Demonstrationen kommen, meist sind es um die 50 Personen. Ab und zu nehmen bekannte Mitglieder der DVP teil. Eine weitere rechte Gruppierung existiert seit November 2017: »Generation Identitär«. Sie verfolgt dieselbe Strategie wie die identitären Gruppen in anderen Ländern: Mit Aktionen, die auf mediale Aufmerksamkeit abzielen, wird der Erhalt der »europäischen weißen Kultur« proklamiert. Militante Neonazigruppen sind in Dänemark momentan wenig sichtbar und aktiv. Es gibt Kontakte zum reaktivierten internationalen »Combat 18« und eine Zusammenarbeit mit der in Schweden am aktivsten tätigen »Nordiska Motståndsrörelsen« (»Nordische Widerstandsbewegung«).
Wie weit die Gesellschaft auch in Dänemark nach rechts gerückt ist, offenbarten die Parlamentswahlen von 2015. Aus diesen ging die DVP mit 21,1 Prozent als zweitstärkste Kraft hervor. Sie stützt die Minderheitenregierung (»Venstre«, »Konservative Volkspartei« und »Liberal Alliance«) und übt mit ihren rassistischen Ansichten einen starken Einfluss auf die Politik und Gesetzgebung aus – insbesondere auf die AusländerInnen-, Flüchtlings- und Integrationspolitik. Die konservativ-liberale Integrationsministerin Inger Støjberg (»Venstre«) macht mit der DVP einen glänzenden Paarlauf. Ihre Agenda ist es, die internationalen Konventionen und die Menschenrechtserklärungen in Frage zu stellen. Am liebsten würden sie Dänemark von diesen internationalen Verpflichtungen entbinden.
Signal an MigrantInnen
Beispielhaft für eine knallharte AusländerInnenpolitik ist die Etablierung eines »Ausreisecenters« für ausgewiesene AusländerInnen und Asylsuchende auf einer kleinen unbewohnten Insel in der Ostsee. Dorthin werden sie verbracht, wenn sie eine Straftat begangen haben, jedoch nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden können, weil die Länder sie entweder nicht aufnehmen wollen oder die Menschen bei der Rückkehr in Lebensgefahr sein könnten. Der Ministerin zufolge sollen den ausgewiesenen Menschen auf der öden Insel so schlechte Bedingungen geboten werden, dass sie Dänemark freiwillig verlassen oder überhaupt erst gar nicht ins Land einreisen.Geflüchtete, die eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, müssen drei Jahre warten, bis ihre Familien nachziehen können. Zur Zeit nimmt Dänemark keine Quotenflüchtlinge auf – bis jetzt kamen jährlich 500. Die knappen Leistungen, die die Geflüchteten bisher zum Leben erhalten haben, werden 2019 noch mehr gekürzt. Der Name des Geldes wird von »Integrationsleistung« in »Heimkehrleistung« umbenannt. Ein klares und zynisches Signal: Hier bist du nicht willkommen. Auch der jüngst veröffentlichte so genannte »Ghettoplan« – initiiert von der Regierung und unterstützt durch DVP und Sozialdemokraten – reiht sich in eine Strategie der Ausgrenzung ein. In diesem Plan werden viele Wohnviertel als Ghettos eingestuft, wenn nach Ansicht seiner InitiatorInnen zu viele MigrantInnen, zu viele Arbeitslose und zu viele Kriminelle dort wohnen. Wohnhäuser sollen abgerissen, MieterInnen zwangsumgesiedelt und nicht-dänische Kinder in Kindergärten außerhalb des als Ghettos stigmatisierten Viertels betreut werden. Darüber hinaus werden strafrechtlich relevante Vergehen von BewohnerInnen eines solchen Stadtteils mit dem doppelten Strafmaß sanktioniert. Die Gleichheit vor dem Gesetz gilt demnach nicht. Alle bürgerlichen Parteien stimmen dieser harten Linie zu – auch die Sozialdemokraten.
Gefahr von ganz oben
Spätestens im Juni 2019 sollen Parlamentswahlen stattfinden – im selben Zeitraum wie die Wahl zum Europaparlament. Das immer wiederkehrende Thema bei den Wahlen ist die Flüchtlings- und Migrationsfrage. Und hier sind sich die zentrum-rechten Parteien einig. Der stärkste und besorgniserregendste Angriff auf die Menschenrechte und -würde gegenüber Geflüchteten und MigrantInnen kommt in Dänemark nicht mehr von den Neonazi-Splittergruppen auf der Straße, sondern von ganz oben: dem Zusammenwirken von Regierung, DVP und anderen nationalistisch-konservativen Parteien und Gruppen. Ihre nationalen Themen über Flucht und Migration werden mit Sicherheit auch im Wahlkampf um Mandate im Europaparlament einen zentralen Platz einnehmen.