Im Auenland

von Maxime Weber
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Luxemburg

In Luxemburg blieb der Rechtsruck bislang aus. Die Nationalwahlen 2018 gewannen wieder liberale Kräfte; die einzige rechtspopulistische Partei im Land konnte nur einen Sitz im Parlament dazugewinnen. Trotzdem übt auch sie mittlerweile Einfluss auf den öffentlichen Diskurs aus.

Luxemburg ist ein bisschen wie das Auenland am Anfang von »Der Herr der Ringe«. Hügelig, verschroben und geopolitisch relativ unbedeutend. Dazu stehen die BewohnerInnen des Großherzogtums den Hobbits mit ihrer Vorliebe für rauchbares Kraut in nichts nach, wie die aktuellen Pläne zur Legalisierung von Cannabis für den privaten Gebrauch zeigen.
Genauso wie die Heimat von Frodo Beutlin fällt Luxemburg aber auch dadurch auf, dass es von beunruhigenden Entwicklungen jenseits seiner Grenzen weitestgehend verschont bleibt. Entgegen des grassierenden Rechtsrucks in Europa wurde bei den Nationalwahlen in Luxemburg im Oktober 2018 nämlich die liberale und pro-europäische Koalition aus Grünen, Liberalen und Sozialdemokraten für fünf Jahre wiedergewählt.

Rassismus unter dem Deckmantel der Wachstumsdebatte
Die einzige rechtspopulistische Partei von Belang, die neben den Kleinstparteien »déi Konservativ« und »Demokratie 2018« bei den Wahlen angetreten war, war die »Alternativ Demokratische Reformpartei« (ADR). Ursprünglich 1987 als RentnerInnenpartei gegründet, setzte die ADR in den vergangenen Jahren unter Ex-Parteipräsident Fernand Kartheiser immer mehr auf einen nationalkonservativen Kurs. Im Europaparlament ist die ADR Teil der euroskeptischen »Alliance of Conservatives and Reformists in Europe« (ACRE), der unter anderem die regierende polnische »Prawo i Sprawiedliwo??« (»Recht und Gerechtigkeit«, PiS) angehört.
Der neue Kurs der ADR trat bei den Wahlen 2018 vor allem durch das Bündnis mit der umstrittenen »Nee2015/Wee2050«-Bewegung zutage. Die Bewegung wurde 2015 im Zuge eines nationalen Referendums vom Geographieprofessor Fred Keup ins Leben gerufen. Bei der Abstimmung sollte unter anderem darüber abgestimmt werden, ob die in Luxemburg lebenden MigrantInnen – die fast die Hälfte der 600.000 BewohnerInnen des Großherzogtums stellen – bei den Parlamentswahlen wählen dürfen. Im Vorfeld des Referendums streute Nee2015 gezielt Desinformationen in den sozialen Netzwerken und schürte Angst unter den LuxemburgerInnen vor vermeintlich desaströsen Folgen des Wahlrechts für MigrantInnen. So behauptete Keup, dass durch letzteres »(…) die Franzosen (das) Land übernehmen (…)« würden und das »(…) Anfang vom Ende (der) Nation (…)« eingeläutet würde. Am Ende stimmten fast 80 Prozent der LuxemburgerInnen gegen das Wahlrecht. Zwar ist der Einfluss von Keups Kampagne auf das Ergebnis schwer zu bemessen. Vergiftet hatte »Nee« den öffentlichen Diskurs jedoch allemal. Zudem konnte sich Keup als den einzigen politischen Akteur im Land darstellen, der den Willen der »politischen Mitte« repräsentiere. Nach dem Referendum benannte sich Nee2015 in Wee2050 um und fokussierte sich auf die Themen luxemburgische Sprache und Wachstum. Die Instrumentalisierung rassistischer Ressentiments wurde nahtlos fortgesetzt – insbesondere mittels der Gleichsetzung des Themas Wachstum mit Bevölkerungswachstum. Hierbei wurden Probleme wie Umweltzerstörung oder steigende soziale Ungerechtigkeit monokausal auf den Zuzug von MigrantInnen und GrenzgängerInnen zurückgeführt. Zudem fielen Wee-Mitglieder in den sozialen Netzwerken immer wieder durch extrem rechte Äußerungen auf. So behauptete beispielsweise der neue Präsident Dr. Tom Weidig, dass im Gegensatz zu den Franzosen während der napoleonischen Besatzung die Nazis die LuxemburgerInnen »wenigstens nicht verhungern hätten lassen«. Eine Gruppe Geflüchteter, die aus Seenot gerettet wurde, bezeichnete er als »Wirtschaftsmigranten, Abenteurer (und) Kriminelle«.

Wenig Chancen auf Sitz im EU-Parlament
Nachfolgend setzte auch die ADR in ihrem Wahlprogramm auf das Thema Bevölkerungswachstum. Erfolg brachte ihnen das Bündnis mit Wee2050 allerdings kaum. Identitäre Themen, wie sie von ADR und Wee2050 massiv propagiert wurden, nahmen letztlich nur eine marginale Rolle bei der Wahlentscheidung der WählerInnen ein. Dem Großteil der WählerInnen waren Themen wie Wohnungsmangel, Mobilität und Umweltschutz deutlich wichtiger.
Schließlich gewann die ADR nur einen Sitz hinzu und ist jetzt mit gerade einmal vier Abgeordneten im 60-köpfigen Parlament vertreten. Nimmt man die Nationalwahlen als Maßstab, wird die ADR ihr Ergebnis von 7,5 Prozent bei den letzten Europawahlen 2014 höchstens leicht verbessern können. Ein Sitz im EU-Parlament scheint daher unwahrscheinlich. Unklar ist bislang auch, wen die ADR überhaupt als Spitzenkandidat ins Rennen schickt.
All das ist jedoch kein Grund zur Beruhigung. Hierfür genügt wieder der Blick nach Mittelerde. Am Ende von »Die Rückkehr des Königs« gerät das Auenland nämlich doch noch in den Griff von Zauberer Saruman, der dort ein autoritäres Regime errichtet. In dem Sinne wird auch Luxemburg sich nicht der drohenden Katastrophe entziehen können, sollten rechte Kräfte aus anderen europäischen Ländern im Mai die Oberhand im EU-Parlament gewinnen.