Neuer Führerkult

von Jens Renner
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019

#Italien

Italiens starker Mann Matteo Salvini eint das rechte Lager

»Grazie, io non mollo« Matteo Salvini © wikimedia / Niccolo` Caranti CC BY-SA 4.0

Anfang Dezember 2018 erlangte das von Innenminister Matteo Salvini (»Lega«) eingebrachte »Sicherheitsdekret« (»decreto sicurezza«) Gesetzeskraft. KritikerInnen sehen darin ein Musterbeispiel für staatlichen Rassismus, auch die katholische Bischofskonferenz spart nicht mit Kritik. Denn nach den neuen Bestimmungen entfällt der humanitäre Schutz für Geflüchtete, zehntausende MigrantInnen werden in die Illegalität gedrängt und Ausreisepflichtige können bis zu sechs Monate in Abschiebezentren interniert werden. Durch die Räumung besetzter Häuser und Camps von Roma droht Tausenden die Obdachlosigkeit – und das alles im Namen der »Sicherheit«. Als Amnesty International dagegen öffentlich protestierte, konterte Salvini, seine Politik richte sich »nur gegen Kriminelle, nicht gegen Asylsuchende«.

Die Mehrheit der ItalienerInnen scheint zufrieden mit der Regierung, in der Premierminister Giuseppe Conte nur die Rolle des Moderators spielt. Italiens starker Mann ist Salvini, der zweite Vizepremier neben Luigi Di Maio von der »Fünf-Sterne-Bewegung« (»Movimento Cinque Stelle«, M5S). Bei den Parlamentswahlen im März 2018 lag die »Lega« mit 17,4 Prozent der Stimmen noch deutlich hinter der M5S, die mit 32,7 Prozent stärkste Partei wurde. Nach aktuellen Umfragen liegen beide Koalitionäre etwa gleichauf bei 30 Prozent. Leichte Unzufriedenheit unter ihren WählerInnen resultiert allenfalls aus der Erkenntnis, dass diverse soziale Versprechen – Steuersenkungen und vor allem ein »Bürgereinkommen« für die Ärmeren – auch aufgrund des Vetos der EU-Kommission kaum finanzierbar sein werden. In der Frage der Migrationsabwehr und der Diskriminierung von Minderheiten aber haben die Regierung und namentlich Salvini eine deutliche Mehrheit hinter sich.

»Casa Pound«: alte Werte, moderne Performance

Militante FaschistInnen können sich in diesem Klima fast ungehindert austoben. Das gilt besonders für die am besten organisierte Truppe, die Bewegung »Casa Pound Italia« (CPI). Benannt ist sie nach dem US-amerikanischen Schriftsteller und Mussolini-Bewunderer Ezra Pound (1885-1972). Nach eigenen Angaben hat sie 4.000 Mitglieder. Auf ihrem nationalen Fest Anfang September in Grosseto (in der ehemals ›roten‹ Toskana) erklärte CPI-Sekretär Simone Di Stefano: »Italiener zu sein, ist das wichtigste Element, das uns definiert, der Ausgangspunkt für die Neugründung der Nation.« Das Ziel einer Wiedergeburt der geknechteten Nation gehört zu den klassischen Motiven faschistischer Ideologie. Auch die »Faschisten des dritten Millenniums«, so die Selbstbezeichnung der CPI, halten daran fest.

Zu ihren wichtigsten ideologischen Bezugspunkten gehört das im November 1943 beschlossene »Manifest von Verona«. Das 18 Punkte umfassende Pamphlet sollte die Bevölkerung der »Repubblica Sociale« von Salò für die Fortsetzung des Krieges an der Seite Nazi-Deutschlands begeistern. Ein Mittel dazu war soziale Demagogie – das Versprechen von Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung in den Betrieben, zum Wohle der Nation und jedes einzelnen »Arbeitersoldaten«.

Das Bekenntnis zu den »revolutionären Werten« des historischen Faschismus kombiniert CPI mit moderner Performance: RechtsRock, HipHop und Streetart; auch linke Ikonen wie Che Guevara oder Subcomandante Marcos werden für die »nationale Sache« vereinnahmt. Bei ihren Fernsehauftritten bemühen sich CPI-Kader als »bravi ragazzi« (»gute Jungs«) zu erscheinen – oft mit Erfolg, weil die ModeratorInnen auf kritische Nachfragen verzichten. Generell scheut die Gruppe keineswegs das Licht der Öffentlichkeit. Ihr Hauptquartier in Rom, die »Casa Pound«, liegt unweit des Bahnhofs Termini in dem migrantisch geprägten Esquilino-Viertel. Mitglieder diverser extrem rechter Gruppierungen haben es 2003 besetzt. Seitdem wird es vom Staat geduldet. Auch in anderen Großstädten verfügt CPI über zentral gelegene Quartiere, die zugleich als Sammelpunkt und Rückzugsort der Schläger dienen.

Signale an rechtsaußen

Salvini umwirbt den rechten Rand ganz offen. Nicht zufällig postete er am 29. Juli, Mussolinis Geburtstag, auf Facebook den in der faschistischen Rhetorik beliebten Satz »Molti nemici, tanto onore« (»Viel Feind, viel Ehr«); drei Tage vorher hatte er sich auf dem gleichen Wege bei seinen UnterstützerInnen bedankt: »Grazie, io non mollo« (»Danke, ich weiche nicht«), ein weiterer Standardsatz aus dem Repertoire des Duce. Salvinis demonstrative Nähe zu Mussolinis Erben hat auch taktische Gründe. Sollte die »Lega« bei den Europawahlen – mit Hilfe der Stimmen von rechtsaußen – stärkste Kraft werden, könnte sie in Italien eine Regierungskrise und Neuwahlen provozieren. Dann würde womöglich eine noch radikalere Koalition die Regierungsgeschäfte übernehmen: mit Silvio Berlusconis Partei »Forza Italia«, Giorgia Melonis »Fratelli d’Italia« und Salvini als Premierminister. Bei einer Massenkundgebung am 8. Dezember 2018 auf der Piazza del Popolo in Rom ließ er sich von Zehntausenden als Retter der Nation feiern – der Führerkult funktioniert auch ohne die faschistische Symbolik, wie den römischen Gruß und schwarze Hemden. Brandgefährlich ist er in jedem Fall.