»Deutschland zuerst!«

von Jörg Kronauer
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 - September / Oktober 2018

#Außenpolitik

»Deutschland zuerst!« Erkennbar inspiriert von US-Präsident Donald Trump, formuliert Armin-Paulus Hampel, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der »Alternative für Deutschland« (AfD), die Maxime seiner Partei für das Auftreten der Bundesrepublik in der Welt. »An deutschen Interessen«, so hieß es im Programm der Partei für die Bundestagswahl 2017, soll die deutsche Außenpolitik sich orientieren. Nun richtet jede Regierung ihre Auslandsaktivitäten an zentralen Interessen ihres Landes aus – die AfD hat darauf kein Monopol. Allerdings definiert sie deutsche Interessen anders als die stark auf die EU orientierte bundesdeutsche Politik der vergangenen Jahrzehnte.

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Hampel © Mark Mühlhaus / attenzione

Nationale Kompetenzen
Kern der Außenpolitik, die der AfD vorschwebt, ist ein Deutschland, das nationale Kompetenzen von der EU zurückgewonnen hat. Die Union, so der Vorwurf der Rechtspartei an die CDU/CSU, trage den Interessen der Bundesrepublik nicht hinlänglich Rechnung. »Die Zukunft Europas liegt nicht in der EU in ihrem jetzigen Zustand«, hieß es im AfD-Bundestagswahlprogramm, »auch nicht in ihrer weiteren Zentralisierung, sondern in einem Europa souveräner Staaten, die partnerschaftlich zusammenarbeiten«. Ein Rückbau der europäischen Integration soll den Weg für die Realisierung deutscher Interessen bereiten.

Beispiel Flüchtlingsabwehr: Die AfD sprach sich im März 2018 im Bundestag für »umfassende Grenzkontrollen« an den deutschen Außengrenzen aus. Diese kollidieren freilich mit dem Schengener Abkommen, das die AfD daher einschränken will. Nun ist sie damit nicht isoliert: Auch die Bundesregierung hat die Schengen-Regeln kräftig gedehnt, seit sie im September 2015 Kontrollen an den Binnengrenzen einführte und sie dann stets aufs Neue verlängerte. Doch die AfD geht weiter als die etablierten Parteien. Sie positioniert sich schärfer gegen Schengen – und sie weitet ihr Streben nach Renationalisierung auf weitere Politikfelder aus. »Unsere Vision ist ein souveränes Deutschland« in einem »Europa als Staatenbund«, erläutert Hampel. Andere sprechen von einem »Europa der Vaterländer« mit dauerhaften Personenkontrollen an den Grenzen.

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Auf der Kundgebung der AfD am 1. Mai 2018 in Eisenach mit Björn Höcke wurde der »Euro« im Stil einer Hakenkreuzfahne dargestellt. © Mark Mühlhaus / attenzione

Zurück zur D-Mark
Besonders deutlich wird die Abkehr der AfD von der bisherigen europäischen Integration in der Frage der Währung. Die kostspielige Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung war für Ökonomen wie Bernd Lucke und für Wirtschaftsvertreter wie den Ex-Präsidenten des »Bundesverbandes der Deutschen Industrie« Hans-Olaf Henkel 2010 der Anlass, politisch aktiv zu werden: Die EU-Einheitswährung, meinten sie, komme Deutschland allzu teuer zu stehen. Sie sei den Nutzen, den sie etwa beim Export einbringe, nicht mehr wert. Der Protest gegen den Euro, mitgetragen von Teilen der mittelständischen Wirtschaft, die ein spezielles Interesse an einer starken Währung hat, hat die AfD in ihrer Gründungsphase zusammengeschweißt und spielt für sie bis heute eine hervorgehobene Rolle. Deutschland solle »die Transferunion aufkündigen und den Euroraum verlassen«, heißt es im Bundestagswahlprogramm. Ziel sei »die Wiedereinführung einer neuen nationalen Währung (‹Deutsche Mark›)«.

Wehrpflicht und Aufrüstung
Ähnlich deutlich betont die AfD nationale Interessen in ihren Konzepten für die Bundeswehr und deren Auslandseinsätze. So hat sie im März im Bundestag die Verlängerung der Militärintervention in Mali abgelehnt. Dort würden lediglich »alte französische Kolonialinteressen« bedient, erklärte Jens Kestner, ein einsatzerfahrener Oberfeldwebel der Panzertruppe, Bestattungsunternehmer und AfD-Mitglied im Verteidigungsausschuss des Parlaments. Dafür dürfe man das Leben deutscher Soldaten nicht riskieren. Im Kern hat die Bundesregierung diese Position jahrelang geteilt: »Zu meiner Zeit hieß es im Auswärtigen Amt immer«, berichtete Wolfgang Ischinger, einst ein hochrangiger Diplomat, Anfang 2018: »Achtung, wenn die Franzosen kommen und ‹Afrika› sagen, dann ist das nur der Versuch, uns in postkoloniale Händel hineinzuziehen, das lassen wir mal lieber.« Dass die Bundesregierung mit dem Mali-Einsatz von dieser Tradition abgewichen ist – freilich mit dem Ziel, den deutschen Einfluss im französischsprachigen Afrika zu stärken –, hält die AfD für einen Fehler: Letztlich verschwende man damit nur unnötig Potenzial.

Wer nicht für »fremde Interessen« in den Krieg ziehen will, muss sich gegebenenfalls, wie die AfD in ihrem Bundestagswahlprogramm schreibt, »selbst verteidigen« – und so setzt die Partei sich denn auch für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und für eine massive Aufrüstung ein. Der deutsche Wehretat müsse von 38,5 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf 70 Milliarden Euro im Jahr 2025 steigen, fordert Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Lucassen weiß, wovon er spricht. Er war 34 Jahre lang Berufsoffizier bei der Bundeswehr, Hubschrauberpilot, Referent bei der NATO und im Verteidigungsministerium sowie zuletzt Oberst im Generalstab. Lucassen ist, militärisch gesehen, Profi und war bis vor kurzem Geschäftsführer eines Unternehmens, das sich mit der Ausbildung von Militärs und Polizisten befasst und laut einer Selbstdarstellung unter anderem in den Aufbau eines Rheinmetall-Gefechtsübungszentrums in Russland sowie in die Ausbildung von Landstreitkräften in den Vereinigten Arabischen Emiraten involviert ist. Lucassen will die Bundeswehr auf 240.000 Soldaten aufstocken und ein Reservistenkorps mit 50.000 Militärs aufbauen, das auch im Inland eingesetzt werden kann. Und dann – raus aus den Bündnissen? Auf gar keinen Fall! »Die militärische Zusammenarbeit der EU« müsse vielmehr »gestärkt werden«, gibt der AfD-Bundestagsabgeordnete Siegbert Droese zu Protokoll – schließlich müsse man gemeinsam die Außengrenzen abschotten. Lediglich den Aufbau einer nicht direkt von Berlin kontrollierten EU-Armee lehnt die AfD ab.

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April 2018 – AfD im Bundestag vlnr: Joerg Schneider, Juergen Pohl und Siegbert Droese © Christian Ditsch

Für Trump und Russland – gegen Amerika
»Wir fordern den Austritt aus der Nato«, hieß es in einem Antrag, den einige Dutzend AfD-Mitglieder vor dem Parteitag Ende April 2016 vorgelegt hatten. Der radikal-völkische Flügel äußerte dafür Sympathie. In der Gesamtpartei haben die RealpolitikerInnen allerdings ähnliche Stellungnahmen bislang verhindert. »Wir stellen die Nato nicht infrage«, bekräftigte kürzlich AfD-Verteidigungsfachmann Lucassen. Begünstigt wird die Akzeptanz dieser Position durch die Tatsache, dass mit Donald Trump ein Ultrarechter ins Weiße Haus eingezogen ist und die Geschicke des – den Völkischen allgemein eher verhassten – transatlantischen Verbündeten lenkt. Trump habe zum Beispiel »die stabilisierende Funktion von Grenzen« erkannt, lobten mit Blick auf seine Mauerbaupläne die zwei AfD-Ko-Sprecher im Januar 2017 in einem begeisterten Glückwunschschreiben: Kumpanei unter Rechten verdeckt derzeit den alten Antiamerikanismus, der auch in der AfD immer wieder anzutreffen ist.

Dabei schlägt das Herz der AfD eher im Osten. »Es liegt im deutschen Interesse, Russland in eine sicherheitspolitische Gesamtstruktur einzubinden«, heißt es im Parteiprogramm zur Bundestagswahl. Hinter dem Ziel, enger mit Moskau zu kooperieren, verbergen sich unterschiedliche, in der Praxis aber sich überlappende politische Stränge. Der erste ist ideologischer Natur: Die antiwestlichen Ressentiments, die auf dem radikal-völkischen Flügel der AfD florieren, verbinden sich traditionell mit Russland, der Macht im Osten, die als Gegengewicht gegen den verhassten Liberalismus des Westens gilt. Daneben stehen, zweitens, praktische Erfahrungen, wie sie beispielsweise Hans-Jörg Müller machte – als Manager der »Würth Group«, eines mittelständischen Unternehmens, das die Folgen der Russland-Sanktionen im Rahmen seines Russland-Geschäfts hautnah erleben konnte. Müller, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Mittelstandsforums der AfD, spricht nicht nur Russisch. Er weiß auch, dass so mancher deutsche Mittelständler, der um sein Russland-Geschäft kämpft, die AfD wegen ihres Kampfs gegen die Russland-Sanktionen positiv sieht. Und dann wäre da noch die dritte Perspektive, die von Strategen wie dem AfD-Ko-Bundessprecher Alexander Gauland, der immer wieder betont hat, »gute Beziehungen zu Russland zu pflegen« gehöre »zur deutsch-preußischen Tradition«. Denn Russland war in der deutschen Geschichte immer wieder machtpolitisches Gegengewicht gegen Staaten im Westen: 1813 im Krieg gegen das napoleonische Frankreich, 1870/´71 im Reichseinigungskrieg, danach in der Bismarckschen Rückversicherungspolitik und mit dem Rapallo-Vertrag gegen die Sieger des Ersten Weltkriegs. Kooperiert man in gewissem Maß mit Moskau, so die Grundidee, dann kann man Russland als Gegengewicht gegen den Einfluss der westlichen Mächte nutzen.

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Alexander Gauland © Mark Mühlhaus / attenzione

Syrien im Visier
In der Öffentlichkeit sind derlei Erwägungen, die immer wieder auch in der staatlichen deutschen Außenpolitik eine Rolle gespielt haben und vielleicht in Zukunft wieder einmal spielen werden, von skandalisierenden Berichten über Besuche von AfD-Politikern auf der Krim überlagert worden. Russland-Kontakte sind für die Hauptströmung der deutschen Außenpolitik zur Zeit nicht opportun. Ähnlich verhält es sich mit Syrien. So hat die AfD-Delegation, die das Land Anfang März 2018 bereiste, um es als sicher genug für Abschiebungen zu klassifizieren, sich erfolgreich als Tabubrecherin inszenieren können. Faktisch hat sie Kontakte geknüpft, die vielleicht sogar dem einen oder anderen Mittelständler helfen können: Deutsche Unternehmen haben Syrien mit Blick auf den bevorstehenden Wiederaufbau – und damit verbundene attraktive Geschäfte – längst ins Visier genommen. Die AfD hat das schon realisiert – die staatliche Politik wird früher oder später folgen.

 

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von Sören Frerks
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