Der Puls bleibt oben

von Frida Westrick
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 - September / Oktober 2018

#Propaganda

Ohne Social Media würde bei der »Alternative für Deutschland« in Sachen Öffentlichkeitsarbeit nicht viel laufen. Auch nach der Bundestagswahl gilt: Facebook ist Kommunikationskanal Nummer 1.

Magazin der rechte rand

© Felix M. Steiner

Wie keine andere Partei weiß die »Alternative für Deutschland« (AfD) die sozialen Netzwerke für ihre Zwecke zu nutzen. Der Erfolg der AfD ist auch darauf zurückzuführen, über diesen Weg direkt mit ihrer WählerInnenschaft in Kontakt zu treten, mit ihr zu interagieren und mit gezielten Provokationen auch ein Echo in den »etablierten« Medien zu erreichen. Diese Schleife aus Grenzüberschreitung in den sozialen Netzwerken durch AfD-PolitikerInnen, Aufmerksamkeit und Berichterstattung in etablierten Medien mit empörten Kommentaren und anschließendem Zurückrudern der AfD unter Betonung der eigenen Opferrolle wurde schon oft durchgespielt und hat sich trotz Selbstkritik einiger Medienschaffender noch nicht endgültig abgenutzt. Noch gibt es also ein Wechselspiel zwischen AfD und den etablierten Medien über soziale Netzwerke, das die AfD aber langfristig überflüssig machen will. Denn auch wenn die Partei und ihre SteigbügelhalterInnen inzwischen bewiesen haben, dass man weitestgehend ungestraft jede noch so dumme Frage stellen und auch die menschenverachtendste Antwort geben darf, beschweren sie sich immer noch, von der »Lügenpresse« ignoriert, missverstanden und diffamiert zu werden. Die Konsequenz, so die Partei, sei daher, sich unabhängig zu machen und einen eigenen »Newsroom« zu eröffnen, der rund um die Uhr angeblich vertuschte Wahrheiten an der »Political Correctness« vorbei unter dem Teppich hervorholt. Im eigenen TV-Studio produzierte Videos und selbst recherchierte Inhalte sollen über soziale Netzwerke und die eigene Homepage verbreitet werden, die AfD hat zu diesem Zweck bereits zahlreiche MitarbeiterInnen eingestellt. Nach einem Treffen mit dem ehemaligen Macher von »Breitbart.com«, Stephen Bannon, ließ sich Alice Weidel damit zitieren, das ambitionierte Fernziel sei, dass die Menschen in Zukunft AfD und nicht ARD schauten.

AfD statt ARD
Seit dem Einzug in den Bundestag haben Partei und PolitikerInnen ihre Social-Media-Arbeit deutlich professionalisiert. Viele der Abgeordneten haben (neben ihrer privaten) jetzt eine offizielle Facebook-Seite, die in einigen Fällen extern betreut wird. Neben der AfD-Seite gibt es die Online-/Facebook-Präsenz »AfD-Fraktion im Bundestag«. Der Instagram-Kanal scheint wenig Erfolg gehabt zu haben, hier finden sich nur wenige ältere Einträge und wenige Follower. Der Kurznachrichtendienst Twitter wird bedient und auf dem eigenen YouTube-Kanal sind meist Pressekonferenzen und Reden einzelner Abgeordneter zu finden. Während die Website »AfD TV« noch vor sich hindümpelt, sind auf YouTube die ersten Ansätze der alternativen AfD-Nachrichten zu begutachten: Unter der Rubrik »Nachrichten aus der Fraktion« finden sich kurze Clips mit Symbolfotos in recht schlechter Tonqualität und Untertiteln, die im Stil von Nachrichtenbeiträgen Themen der AfD bewerben. Dass hier alle journalistischen Standards gekonnt umschifft werden, überrascht nicht weiter, ist aber doch tragisch, wenn man bedenkt, dass sich die AfD-AnhängerInnen vorzugsweise in sozialen Medien informieren und dass dies womöglich die einzigen Nachrichten sind, die sie sehen. Mehr von der AfD’schen Journalismus-Interpretation bekommen die Fans auf der Facebook-Präsenz »AfD-Fraktion im Bundestag« zu sehen: Hier gibt es auch ein an die Tagesschau angelehntes Format, außerdem kommen in einer Art Interview-Format AfD-PolitikerInnen mit ihren Themen zu Wort.

Ständiger Ausnahmezustand zur Selbstlegitimation
Über die Social-Media-Strategie der AfD ist viel geschrieben worden (s. drr Nr. 167), der aggressive Wahlkampf in den und aus den Netzwerken heraus, teils mit Hilfe von Troll-Armeen, hat viel Beachtung gefunden und vielleicht die eine oder andere WählerIn an die Wahl-Urne gelockt. Am scharfen Tonfall hat sich im Prinzip nicht viel geändert, es wird immer noch gehetzt, meist über Geflüchtete, Muslime, die »Alt-Parteien« und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und was sonst noch zum Establishment aus Sicht der AfD gehört. Der Puls muss oben bleiben, der Ausnahmezustand ist die neue Normalität, dafür sorgt die AfD mit den bekannten Aufreger-Themen und Provokationen. Das Header-Bild im Juli ist Werbung für die »interaktive« Sonderseite »Masseneinwanderung bedeutet Messereinwanderung«, auf der Fälle von Gewalttaten mit Messern aufgelistet werden. Die Panikmache gilt letztendlich der Selbstlegitimation. Der Warnung vor dem drohenden Bürgerkrieg, ausgelöst durch kriminelle AusländerInnen und vorangetrieben durch korrupte Eliten folgt der Hinweis auf die AfD, die das noch verhindern könnte. Um diese Botschaft zu verbreiten, steht hinter jedem Video der Aufruf, ihn zu liken und zu teilen. Seit die Partei im Bundestag sitzt und die anderen Parteien »vor sich hertreibt«, ändert sich jedoch etwas: Vieles sei besser geworden, so die eigene Erzählung. Zu diesem Zweck dokumentiert die AfD umfassend, was sie tut. Der Slogan dazu heißt »AfD wirkt«. Zu sehen sind zum Beispiel Peter Bystron und Markus Frohnmeier vor der Berliner Staatsanwaltschaft, die berichten, »Strafanzeige gegen NGO-Schlepper« stellen zu wollen. Da stehen sie, blättern ostentativ in Papieren mit Unterschriften der Abgeordneten und am Ende des Videos gehen sie tatsächlich rein, um ihre Anzeige zu stellen. Auf die meisten Menschen würde das jetzt vermutlich vorhersehbar, manipulativ oder lächerlich wirken, doch in der Kommentarspalte wird gejubelt: »Ihr redet nicht, ihr handelt! Danke dass ihr uns schützen wollt ?.«

Die »MacherInnen« der AfD
Auch ein Stilmittel in der Filterblase: Die AfD verdichtet das Bild einer erfolgreichen Oppositionspartei, indem sie die schönsten Reden, die knackigsten Sätze in Talkshows und die bissigsten Kommentare zusammenschneidet und dieses ständig wiederholt. Durch die Zusammenschnitte aus Talk-Show-Statements, Wiedergabe von Bundestagsreden der AfD-Abgeordneten plus Applaus und Kommentaren zu aktuellen Themen erlangt die AfD die Deutungshoheit über das Geschehen und inszeniert sich als alleinige Akteurin. Widerspruch, Niederlagen und Kritik werden ausgeblendet, störende Fakten weggelassen und schon erscheint die AfD gegenüber den »Altparteien« als Retterin und Musterschülerin der Demokratie. Gegenüber der allgemeinen AfD-Facebook-Seite ist die Fraktionsseite viel stärker personalisiert und rückt die Abgeordneten als kompetente »MacherInnen« ins rechte Licht. Die Vorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland werden besonders nach vorne gestellt, ihre Reden sind abrufbar, sie geben Pressekonferenzen und kommentieren das Tagesgeschehen mit Memes, also Bildmontagen mit kurzen Sprüchen – je nach Thema mit ernst-bösartigem Gesichtsausdruck oder spöttischem Lächeln vor wechselnden Hintergründen. Darüber hinaus soll die Fachkompetenz und Seriosität einzelner Abgeordneter betont werden: Reden, Kommentare, Vorträge und Pressekonferenzen der fachpolitischen SprecherInnen werden abgebildet und teilweise live auf Facebook gestreamt. Mit großer Ernsthaftigkeit referieren die neuen ExpertInnen ihre Zweifel am menschengemachten Klimawandel (deshalb erübrige sich Klimaschutz) oder zitieren Studien, nach denen kleine Jungs lieber mit Autos und Mädchen lieber mit kleinen Küchen und Kosmetik spielen: »Gender Mainstreaming« ist nach dieser Lesart überflüssiger »Staatsfeminismus«.

Aus der Echokammer gibt es kein Entkommen
Innerhalb des AfD-Kosmos ist die Stimmung aufgeheizt bis euphorisch – zwischen andauernder Alarmbereitschaft und Siegestaumel. Das Phänomen der Echokammer ist hinreichend beschrieben, und die Gründe für die AfD-AnhängerInnen und -PolitkerInnen, aus ihrem selbst geschaffenen, homogenen Diskursraum auszutreten, werden mit steigender Professionalisierung der Medienarbeit immer weniger. Dazu kommt die wohlwollende Berichterstattung von »Compact« »PI-News«, der deutschen Sparte von »Russia Today«, »Junge Freiheit« und vielen AfD-freundlichen BloggerInnen, die inzwischen flächendeckend eine alternative Medienlandschaft im Internet bilden. Vom Rest des gesellschaftlichen Meinungsklimas bekommt man da wenig mit und kann auch Widersprüche und Zynismus schwerer entschlüsseln. Die AfD inszeniert sich seit jeher als Korrektiv einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft, und das zunehmend noch offensiver und selbstbewusster, seitdem sie im Bundestag sitzt. Alexander Gauland lässt sich beispielsweise in einem Post vom 16. Juli wie folgt zitieren: »Ich bin entsetzt über die Verrohung der Sprache und den Hass, der der Zeit-Autorin Mariam Lau für ihren Artikel zur Seenotrettung in den Sozialen Netzwerken entgegenschlägt.« Dass Alexander Gauland, der sich beim Grenzendichtmachen nicht »von Kinderaugen erpressen lassen« will, das »Dritte Reich« einen »Vogelschiss« nennt und eine ihm missliebige Politikerin mit türkischen Wurzeln nach Anatolien »entsorgen« möchte, zu eben diesen Hass-Produzenten gehört die er kritisiert, dürfte im AfD-Kosmos den Wenigsten auffallen.

Im Informationskrieg
Einen nicht unerheblichen Teil der ihr zur Verfügung stehenden Mittel plant die AfD also für den Ausbau der Gegenöffentlichkeit zu verwenden, um den »Informationskrieg« für sich zu entscheiden. Als Vorbild dafür dienen die Medienstrategien der »Freiheitlichen Partei Österreich« oder die US-amerikanische Seite »Breitbart«. In diesem abgeschotteten Diskursraum existieren gegenläufige Meinungen höchstens noch als Untermauerung der eigenen Thesen. Und auch außerhalb ihrer eigenen Medien hat die AfD eine Diskursverschiebung weit nach rechts erreicht und teilweise die Übernahme ihrer Begrifflichkeiten erzwungen. Innerhalb ihrer Echokammer hat sie schon einiges erreicht auf dem Weg, den Diskurs abzuschaffen und durch Propaganda zu ersetzen.

 

Uum Thema social media, AfD und facebook:

»»» Politik als »Informationskrieg«

das Interview mit Johannes Hillje führte Felix M. Steiner
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 – September / Oktober 2018

#Interview

 

»»» Ein Monat mit der AfD

von Frida Westrick
Magazin “der rechte rand” Ausgabe 167 – Juli 2017