Kampf gegen die offene Gesellschaft

von Werner Golze
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 - September / Oktober 2018

#Rollback

Kultur-, Bildungs- und Medienpolitik: Die kulturpolitische Agenda der Partei »Alternative für Deutschland« will den Marsch in die völkisch-autoritäre Gesellschaft.

Magazin der rechte rand

Hans-Thomas Tillschneider auf der Buchmesse in Leipzig am Stand des IfS zusammen mit Mitgliedern der »Identitären Bewegung« © Mark Mühlhaus / attenzione

Mitten im Sommer brachte der bayerische Landesverband der Partei »Alternative für Deutschland« (AfD) in einem Social-Media-Post das Wesen seiner gesellschaftspolitischen Vorstellungen auf die griffige Formel: »Heimatlieder statt Pimmelpuppen im Kindergarten«. Dieser Satz beinhaltet, was die gesellschaftspolitischen Positionen der Partei ausmacht: Nationalismus und eine klare Feinderklärung. Der Anlass der Wortmeldung des bayerischen Landesverbandes war die Ankündigung der rechten ungarischen Regierung, die Erziehung zum Patriotismus in Kindergärten und Schulen zur Pflicht zu machen. Patriotismus ist der Schlüsselbegriff zum Verständnis der Positionen der Partei im Feld der Gesellschaftspolitik.

Kultur- und Bildungspolitik
Wer nach programmatischen Aussagen der AfD zu kulturpolitischen Themen sucht, findet sie bei den AfD-Parteiintellektuellen Marc Jongen und Hans-Thomas Tillschneider. Sie agieren als Stichwortgeber und Verstärker rechter Ideologie in der AfD. Tillschneider, promovierter Islamwissenschaftler, AfD-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt und neben Björn Höcke bekannter Protagonist des völkischen »Flügel«, versteht sich als Bildungspolitiker. In dieser Eigenschaft zieht er im Landtag gegen emanzipatorische Pädagogik zu Felde. Unter Bildung versteht Tillschneider »die bewusste Vermittlung von Kultur auf der Grundlage von Autorität und Tradition«. Was nicht auf dieser Linie liegt, wird als »Kuschelpädagogik« denunziert. Tillschneider möchte in der Schule zu »einer Kultur des pädagogischen Strafens zurückfinden«. Dass er das dreigliedrige Schulsystem favorisiert, geht mit dem pädagogischen Leitbild des konservativen Philologen-Verbands konform. Seine Idee, Flüchtlingskinder getrennt von allen anderen SchülerInnen zu unterrichten, liegt weit rechts davon.
Ebenso dezidierte Auffassungen vertrat Tillschneider in Bezug auf die Spielpläne der Theater: »Die Aufgabe des deutschen Theaters war von Beginn an die Vermittlung von nationaler Identität (…). Wenn wir eine starke Theaterkultur wollen, brauchen wir also zuerst eine starke Nationalkultur.« Er kritisierte, dass in den Theatern »linksliberale Vielfaltsideologien« zu viel Raum einnähmen. Tillschneiders Forum für seine Vorstellungen ist aber nicht nur das Landesparlament. Als Redner bei PEGIDA, beim sogenannten »Kyffhäusertreffen« des »Flügels« der AfD oder bei der Akademie des neu-rechten »Institut für Staatspolitik« (IfS) in Schnellroda ist er als ideologischer Stichwortgeber aktiv.
Als kulturpolitischer Lautsprecher der AfD ist auf Bundesebene auch Marc Jongen zu vernehmen. Der promovierte Philosoph und vormalige Assistent des Philosophie-Professors Peter Sloterdijk sitzt für die rechte Partei im Bundestag. Nach eigenem Bekunden ist es ihm »eine Freude (…), die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff zu nehmen«. Im Bundestagsplenum bedient Jongen die Schlüsselwörter des neurechten Kulturkampfes. Förderprogramme der Bundesregierung zur Kultur dienten dazu, so meint er, »Kunst und Kultur auf eine globalistische und migrationsfreundliche Linie zu bringen.« Jongens Reden im Bundestag singen das Loblied auf die Kulturnation Deutschland.

Feindbild Gleichstellung und Gender
Auf dem Feld der Gesellschaftspolitik verfolgt die AfD kein Thema mit solcher Leidenschaft wie die Gleichstellungs- und Genderpolitik. Im Anschluss an rechte und konservative, antifeministische Diskurse, bekämpft die AfD alle Ansätze zur Geschlechtergerechtigkeit als angeblichen Versuch, Kinder und Jugendliche umzuerziehen und sie in ihrer »natürlichen« geschlechtlichen Identität zu verwirren. Familienpolitisches Leitbild der AfD ist die heterosexuelle Familie aus Vater, Mutter und im Idealfall drei Kindern. Hier soll eine spezifische Familienförderung aus steuerlicher Begünstigung und einem Müttergehalt ansetzen.

Medienpolitik
Auf die öffentlich-rechtlichen Medien ist die AfD nicht gut zu sprechen. Bereits zu Zeiten der Parteivorsitzenden Frauke Petry fiel das Wort von der »Pinocchio-Presse«. Insbesondere die von allen Haushalten zu entrichtende Mediengebühr (»GEZ«) ist der Partei ein Dorn im Auge. Die heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch agitierte 2016 gegen die GEZ und ließ es zur Kontopfändung kommen. In der AfD wird gern vom »Staatsfunk« gesprochen, wenn es gilt, kritische Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Sender zu diskreditieren. Medienpolitisch favorisiert die AfD einen Umbau der Finanzierung der Sender. An die Stelle einer von allen BürgerInnen zu zahlenden Gebühr und frei zu empfangender Sender, soll nach Vorstellungen der AfD eine Art Senderabonnement treten, wonach die NutzerInnen nur bezahlen, was sie konsumieren. Wie der Umbau des Systems öffentlich-rechtlicher Sender erfolgen soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Weitgehend einig ist man sich in der Partei jedoch in der Kritik an der Ausrichtung des Informationsangebots der Sender. Durch sie sieht sich die AfD diskriminiert und in ein schlechtes Licht gerückt. Generell glaubt die Partei, dass in den Medien eine linksliberale Elite am Werk sei, deren politische Ausrichtung die Berichterstattung dominiere, und das Meinungsbild in der Bevölkerung verzerrt wiedergebe. Dass sich ein Teil der Gefolgschaft der AfD dies mit Vokabeln wie »Lügenpresse« oder »Systempresse« übersetzt, kann nicht überraschen. Demgegenüber setzt die AfD auf ihre eigenen Medienstrategien. Reichweitestärker als andere Parteien bedient sie Kanäle sozialer Netzwerke und machte zuletzt mit der Ankündigung von sich reden, einen eigenen Nachrichtenkanal aufbauen zu wollen. Die im Umfeld der AfD tätige Initiative »Ein-Prozent« ist schon einen Schritt weiter. Deren AktivistInnen erproben Kampagnenformate der Mobilisierung gegen die kritische Berichterstattung im Format der Gegenöffentlichkeit.

Kulturbegriff
Aus zahlreichen Statements von AfD-Funktions- und MandatsträgerInnen wird deutlich, dass in der Partei Kultur als Instrument nationaler Sinnstiftung und Identitätsvergewisserung verstanden wird. Diesem Ziel sollen sich alle vom Staat geförderten kulturellen Aktivitäten unterordnen. In einem Landtagswahlprogramm wurde es konkret: »Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern.« Übersetzt: An die Stelle eines diskursorientierten Regietheaters soll offenbar die Inszenierung volkstümlicher Stoffe aus der Heimatgeschichte treten. Da ist es nur konsequent, wenn die AfD die Praxis regionalen Brauchtums und die Erforschung der Heimatgeschichte stärken will.

Biedermeier
In der Summe ergibt die kultur- und gesellschaftspolitische Konzeption der AfD das Bild einer biedermeierlichen Nation, in der Hierarchie, Tradition und Disziplin verbunden mit einem kräftigen Schuss Romantik das Maß aller Dinge sind. Für die Grundlagen ihrer Kultur- und Gesellschaftspolitik bedient sich die AfD der Leitbilder des wilhelminischen Nationalismus vor dem ersten Weltkrieg ebenso wie der »Konservativen Revolution«. Wo es aber um die praktische Politik geht, nimmt sie Bezug auf die Debatten um einen neuen Konservatismus und die von dem rechten Schriftsteller und Philosophen Gerd-Klaus Kaltenbrunner zu Beginn der 1980er Jahre entworfenen Konzepte für eine »Tendenzwende«. Gegen Liberalität, Moderne und Diversität hingegen hat die AfD einen Kulturkampf ausgerufen, in dem alle zu GegnerInnen werden, die nicht den Wertevorstellungen der Heiligen Dreifaltigkeit der AfD von Volk, Nation und Identität folgen mögen, gleichgültig, ob sie sich ihrem Selbstverständnis nach in einem politischen Kontext bewegen oder nicht. Die AfD hat der offenen Gesellschaft den Kampf angesagt.