Geld, Einfluss, Möglichkeiten

von Kai Budler
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 - September / Oktober 2018

#Jobmaschine

Nach einem Jahr im Bundestag haben die Abgeordneten der »Alternative für Deutschland« einen großen Stellenpool geschaffen und bieten Rechten Jobs und die Möglichkeit, rechte Ideologie zu verankern.

»Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.«

Alexander Gauland

 

Erst Anfang Juni 2018 hatte Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der »Alternative für Deutschland« (AfD) im Bundestag, wieder einmal für Aufsehen gesorgt. Auf dem Bundeskongress der AfD-Nachwuchsorganisation »Junge Alternative« (JA) sagte der Jurist unter Beifall: »Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.« Nachdem er bereits 2017 auf dem Kyffhäusertreffen der AfD-internen Strömung »Der Flügel« gefordert hatte, »stolz auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen« zu sein, verharmloste Gauland einmal mehr die Verbrechen des Nationalsozialismus. Diese Verrohung gehört zu den Nachwirkungen der »Zäsur«, wie die Redaktion des Magazins »der rechte rand« den Einzug der AfD in den Bundestag bezeichnete (s. drr Nr. 167). Seitdem kann die Partei auf eine 92-köpfige Bundestagsfraktion sowie unzählige MitarbeiterInnen in Berlin und den Wahlkreisen bauen. Die Abgeordneten sind kein Spiegelbild der Gesellschaft – auch wenn sie es sein möchten. Besonders die weibliche Repräsentanz in der Fraktion ist kaum vorhanden. Nur zehn AfD-Abgeordnete sind weiblich (10,6 %). Zum Vergleich: der Anteil weiblicher Abgeordneter im Bundestag insgesamt beträgt 30,7 Prozent.

Geldquelle
Die stark akademische Prägung eines Großteils der AfD-Fraktion fällt auf: Etwa drei Viertel der Fraktionsmitglieder haben ein Studium absolviert, besonders oft Rechtswissenschaften und Jura. Das Aufstocken der monatlichen Mandatsbezüge durch Nebeneinkünfte ist auch für AfD-Abgeordnete attraktiv. Soweit ihre Angaben transparent sind, stockten sie im April 2018 die Mandatsbezüge um insgesamt 882.514 Euro auf, im Juni 2018 war die Summe um 203.000 Euro gestiegen. Nur die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP erzielten noch höhere Summen. Der Bundestag ist für die selbsternannte »Anti-Establishment-Partei« AfD eine wichtige Geldquelle. Dazu gehört das monatliche Budget pro Person in Höhe von 20.870 Euro für persönliche MitarbeiterInnen im Bundestag und den Wahlkreisbüros. Manche Abgeordnete, wie Steffen Kotré aus Brandenburg, nennen gleich neun MitarbeiterInnen. Bei anderen fehlen Angaben zum Personal.

»Identitäre« und Burschenschafter
Besonders Burschenschafts- und Verbindungskreise profitieren von der Jobmaschine AfD. Deutlich wird das am Beispiel des Abgeordneten Frank Pasemann aus Sachsen-Anhalt. Er gehört zur »Patriotischen Plattform« (PP) und gilt als einer der Verbindungsleute in die »Identitäre Bewegung« (IB). Über seine Mailadesse erfolgten die Anmeldungen für den Vortrag »Linke Förderstrukturen und der neue ‹Kampf gegen Rechts›« Anfang Juli 2018 in einem Gebäude des Bundestages. Als Referent trat der völkische Autor und Verleger Philip Stein auf, der zu den Gründern des extrem rechten Netzwerks »Ein Prozent« gehört. Gegenüber der Zeitung »Die Welt« rechtfertigte Pasemanns Mitarbeiter John Hoewer die Einladung von Stein. Der Burschenschafter mit Kontakten ins extrem rechte Milieu war bei der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt als Referent für Inneres und Europaangelegenheiten angestellt und wird auf deren Homepage als Referent für »Demokratie und Grundwerte, Europa« geführt. Bis Juni 2018 nennt ihn außerdem der AfD-Bundestagsabgeordnete Andreas Mrosek Leiter seines Berliner Büros, noch im Juli 2018 arbeitete Hoewer in Berlin für Pasemann. Mit Stein verbindet Hoewer der Besuch einer Tagung der faschistischen Bewegung »Casa Pound« Ende April 2018 in Rom. Neben Stein auf dem Podium war im Publikum Hoewer zu sehen, der mehrfach als Redner für »Ein Prozent« aufgetreten war. Der Rest der deutschen Reisegruppe bestand aus Philip Thaler von der identitären »Kontrakultur Halle«, Steins Praktikant Martin Bader aus Dresden und Michael Schäfer. Der ehemalige Bundesvorsitzende der »Jungen Nationaldemokraten« (JN) war bei einer Kundgebung der IB im Harz gesehen worden, mit Thaler hat er die Mitgliedschaft in der Halle-Leobener »Burschenschaft Germania« gemeinsam, deren Domizil in Halle als Treffpunkt für AktivistInnen von »Ein Prozent« und »Kontrakultur Halle« gilt. Mit Hoewer posierte Schäfer Mitte Juli 2017 vor der extrem rechten Immobilie in der Hallenser Adam-Kuckhoff-Straße.

Auch Hoewers Bürokollege Joel Bußmann von der »Burschenschaft Gothia« hat gute Kontakte zu den extrem rechten Hipstern. Er nahm schon im Juni 2016 an einem IB-Aufmarsch in Berlin teil. Begleitet wurde er unter anderem von Jörg Sobolewski, dem Bundesvorsitzenden des Dachverbandes »Deutsche Burschenschaft«, Vorstandsmitglied der »Jungen Alternative« (JA) Berlin und Chef des AfD-Ordnerdienstes, der inzwischen im Büro des bayerischen AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka arbeitet. Ebenfalls bei dem Aufmarsch anwesend war das Vorstandsmitglied der JA Berlin, The-Hao Ha (»Er hat vietnamesische Wurzeln und ist deutscher Patriot«). Die Verabredungen mit Sobolewski dürften für ihn inzwischen leichter sein, denn er arbeitet ebenfalls in Protschkas Berliner Büro, wie auch Vadim Derksen. Der Russlanddeutsche aus Regensburg hatte im Januar 2016 an einem IB-Aufmarsch im bayerischen Freilassing teilgenommen.

Magazin der rechte rand

»Neue Rechte« wie Erik Lehnert arbeiten nun im Bundestag (hier auf einem Stand der »Jungen Freiheit« auf der Frankfurter Buchmesse).

HDJ und »Neue Rechte«
Auch im Berliner Büro von Fraktionschef Gauland finden sich Mitarbeiter mit extrem rechten Hintergrund. Felix Willer etwa gehörte lange Jahre der 2009 wegen Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus verbotenen »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ) an und avancierte dort zum Leiter der Abteilung »Heimattreue Ausrüstung und Lagertechnik«. Willer war vor seiner Beschäftigung in Berlin verkehrs- und europapolitischer Referent in der Brandenburger AfD-Fraktion, auch der dortige AfD-Landeschef Andreas Kalbitz hatte an einem HDJ-Zeltlager teilgenommen. Willers Ausscheiden aus Gaulands Büro nach vier Monaten habe aber nichts mit seiner Biografie zu tun, erklärte der AfD-Fraktionsvorsitzende, er habe lediglich eine andere Stelle angetreten. Nicht ausgeschieden ist hingegen Martin Midinet, der zum »Flügel« der AfD gehört und aus der Berliner Neonazi-Szene stammt.

Das neu-rechte »Institut für Staatspolitik« (IfS) um Götz Kubitschek kann ebenfalls seine Inhalte in der Bundestagsfraktion direkt verankern – mit Erik Lehnert arbeitet der IfS-Geschäftsführer im Büro des AfD-Abgeordneten Harald Weyel aus dem rheinisch-bergischen Kreis in Nordrhein-Westfalen. Der Multifunktionär Lehnert ist unter anderem Kuratoriumsmitglied der neu-rechten »Titurel-Stiftung«, die seit ihrer Gründung 2007 vor allem als Förderinstrument des IfS fungiert. Ihr Gründer Helmut Engelmann aus Bayern erwarb 2016 einen vierstöckigen Altbau in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 in Halle, mittlerweile der Stammsitz von »Kontrakultur Halle«. Nach Lehnerts Anstellung befragt, antwortet sein Arbeitgeber Weyel der »tageszeitung«: »Herr Dr. Lehnerts private und berufliche Vita hat mich überzeugt (…) Auch sämtliche mir vorliegenden Artikel und Arbeiten, soweit mir bekannt, überzeugten mich davon, dass wir die gleiche Sprache sprechen«.

Von der Presse zur AfD
Es liegt auf der Hand, dass auch extrem rechte und neu-rechte Publikationen einen möglichst direkten Draht zur AfD-Bundestagsfraktion installieren. Im Büro des bayerischen Abgeordneten Petr Bystron arbeitet Jan-Andres Schulze, Autor beim »Kopp-Verlag« und Kubitscheks »Sezession«. Sein Kollege ist Eric Weber, der vorher für das NPD-Parteiblatt »Deutsche Stimme« arbeitete und Mitarbeiter eines sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten war. Heiko Luge, der jetzt für den thüringischen Abgeordneten Jürgen Pohl in Berlin tätig ist, schrieb für das Querfont-Magazin »Sleipnir« und die »Junge Freiheit« (JF). Aus dem Team der neu-rechten Wochenzeitung dürfte er auch den früheren JF-Redakteur Henning Hoffgaard kennen, der nun als Büroleiter für den Abgeordneten Leif Erik Holm arbeitet.

Aus dem rechten Magazin »Compact« von Jürgen Elsässer sitzen gleich drei Vertreterinnen im Stab der Bundestagsfraktion. Seit Mai 2018 arbeitet Marc Dassen für den bayerischen Abgeordneten Petr Bystron. Der 1989 geborene Dassen schreibt seit mehr als drei Jahren für das Elsässer-Blatt. Für Martin Reichardt (Sachsen-Anhalt) arbeitet die »Compact«-Hauptstadt-Korrespondentin Salwa Amin mit Schwerpunkt Sicherheitspolitik. Für Johannes Huber aus Bayern ist seit 2017 Linn Deborah Kuppitz als Büroleiterin tätig, die beim Videokanal von »Compact« die Sendung »Die Woche Compact« moderiert. Sie geriet kürzlich in den Fokus der Öffentlichkeit, weil sie bei Facebook ein Bild mit »Gefällt mir« markiert hatte, das zwei Vorstandsmitglieder von Hubers AfD-Kreisverband mit Hitlergruß zeigt. Doch es war offenbar nur ein Like von mehreren – denn ihr gefällt unter anderem das klassische Neonazi-Motiv eines Mädchens mit blonden Zöpfen, das von einem Gewehr bedroht wird, darunter der Spruch »8. Mai – Wir feiern nicht«. Ein Like setzt Kuppitz auch für ein Bild von Wehrmachtsoldaten, die eine Tür eintreten. Versehen ist das Motiv mit Reichsadler und dem Spruch »Kommt gut rein 2017«. Auch Kuppitz’ Bürokollege in Berlin, Tobias Teich, gefielen bei Facebook entsprechende Motive. Erst jüngst mutmaßte er bei Facebook, die Fußball-WM sei als »Brot und Spiele Phase« für die Regierung eine günstige Gelegenheit, »das Fundament für den vollständigen Bevölkerungsaustausch zu schaffen«. Für Tattoos und Pullover aus dem Sortiment des prominenten Neonazis Tommy Frenck findet Teich lobende Worte. Gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« spricht Arbeitgeber Huber von einer »breit angelegten Kampagne gegen die AfD, die schon seit Monaten und Jahren läuft«.

Terror-Helfer?
Selten sorgte eine Personalentscheidungen der AfD für so viel Empörung wie die Einstellung von Maximilian T. als Referent des hessischen Abgeordneten Jan Nolte. Ausgerechnet das Mitglied des Verteidigungsausschusses im Bundestag beschäftigte einen Mitarbeiter, gegen den der Generalbundesanwalt wegen des Vorwurfs ermittelt, eine »schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben« (s. drr Nr. 173). Er gilt als möglicher Komplize des Terrorverdächtigen Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben und unter dieser Tarnung Anschläge vorbereitet haben soll. In diesem Fall lehnte die Bundestagsverwaltung den Antrag auf einen Hausausweis für den Mitarbeiter ab.

»»»Der Schwamm #JobbörseAfD

von Nina Juliane Rink
Magazin “der rechte rand” Ausgabe 172 – Mai 2018