Frauke Petry und »Die blaue Partei«

von Kai Budler
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 - September / Oktober 2018

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Nach dem Austritt aus der »Alternative für Deutschland« von Frauke Petry und Marcus Pretzell, Europaabgeordneter und ehemaliger Fraktionsvorsitzender im Landtag von Nordrhein-Westfalen, wollen beide mit dem Projekt »Blaue Wende« punkten. Die Erfolge der Partei sind überschaubar.

Magazin der rechte rand

Frauke Petry mit ihrem Ehemann und ehem. Spitzenkandidaten für NRW, Marcus Pretzell in Düsseldorf am 14.05.2017
bei der Wahlparty der Alternative für Deutschland.
© Roland Geisheimer / attenzione

»Die AfD vor dem Durchbruch. Die bessere Kanzlerin ist Frauke Petry« war das Motto einer Veranstaltung in Magdeburg, zu der die rechte Zeitschrift »Compact« eingeladen hatte. Das war kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März 2016, als die damalige Bundesvorsitzende der »Alternative für Deutschland« (AfD) auch das Cover des Magazins von Jürgen Elsässer schmückte. Nur eineinhalb Jahre später prangte das Bild der amtierenden Vorsitzenden Alice Weidel auf dem Cover. Zu diesem Zeitpunkt war Petry bereits aus der AfD ausgetreten und sitzt seitdem mit dem ebenfalls aus der AfD ausgetretenen Mario Mieruch als fraktionslose Abgeordnete im Bundestag. Drei Einsprüche wegen Wählertäuschung und Wahlbetrugs wies der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages als unzulässig zurück. Petry sitzt im Innenausschuss, Mieruch im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Parlaments. Rederecht haben sie dort nicht. Aufgrund der fehlenden Fraktion sind sie nur beratende Mitglieder.

Arbeit im Parlament
Anders als die Bundestagsfraktionen können diese keine Anfragen stellen, die im Plenum beantwortet werden. Sie müssen sich mit schriftlichen Fragen begnügen, die thematisch breit variieren. Allein in der Sammlung der schriftlichen Antworten in der Drucksache vom 11. Mai 2018 finden sich acht Antworten auf Fragen von Petry und Mieruch. Diese drehen sich unter anderem um alternative Fahrzeugantriebskonzepte, Dienstgruppen in einer Bundespolizeiinspektion, eine Risikobewertung an der Grenze zur Tschechischen Republik und den Dienstleistungsvertrag »Initiative Bürgerdialog Stromnetz«. In der Öffentlichkeit bleiben diese Fragen meist unberücksichtigt. Dennoch zeigte sich Petry gegenüber der »Tagesschau« hochzufrieden, denn sie und Mieruch redeten zu nahezu allen Themen. Was sie nicht erwähnt: Ihre Redezeit beträgt jeweils immer nur zwei oder drei Minuten. Und statt Gesetzesentwürfen dürfen sie höchstens Änderungsanträge einbringen.

Betrug und Meineid
Im Februar 2018 hob der Bundestag Petrys Immunität auf, um den Weg für ein Strafverfahren unter anderem wegen Subventionsbetrugs frei zu machen. Wegen eines Meineid-Verdachts war bereits 2017 ihre Immunität im sächsischen Landtag aufgehoben worden. Weiteren juristischen Ärger bereitet ihr ihre ehemalige Partei. Weil sie verhindern möchte, dass »Nachahmer oder politische Trittbrettfahrer sich über uns profilieren«, hat die AfD ihre ehemalige Vorsitzende auf Löschung der von ihr angemeldeten Marke »Die blaue Partei« verklagt. Nach der Anmeldung im Oktober 2017 ist die Marke seit dem 19. Januar 2018 beim Patent- und Markenamt in München registriert.

»Bürgerforum«
»Die Blauen« unter dem Vorsitz von Michael Muster wollen keine Partei sein, sondern ein »Bürgerforum« für »freiheitsliebende Bürger mit und ohne Parteizugehörigkeit, die konservative Politik diskutieren und gestalten möchten« – sie selbst nenne sich »Blaue Wende«. Öffentlich tritt »Die blaue Partei« nahezu nicht auf. Die Werbung um SympathisantInnen wird an »Das Bürgerforum Blaue Wende« delegiert. Neben den zwei Bundestagsmandaten hält »Die blaue Partei« durch Übertritte ehemaliger AfD-Abgeordneter ein Mandat im EU-Parlament, fünf Sitze im Sächsischen Landtag, drei Mandate im Landtag von Nordrhein-Westfalen und einen Sitz in Sachsen-Anhalt. Auf der eigenen Homepage verzeichnet »Das Bürgerforum Blaue Wende« bislang Ansprechpartner für neun Bundesländer, doch ein genauer Blick zeigt: allein sechs Bundesländer haben mit Uwe Wurlitzer in Leipzig denselben Ansprechpartner. In Baden-Württemberg ist der aus der CDU ausgetretene Eckhard Mackh zuständig, in Sachsen-Anhalt ist es der Unternehmer Kay Watermann, ehemaliger Vize-Vorsitzender der »Partei Rechtsstaatlicher Offensive« (»Schill-Partei«) in Sachsen-Anhalt. In Nordrhein-Westfalen ist der Ansprechpartner Alexander Langguth, der als ehemaliger AfD-Fraktionsvorsitzender in Iserlohn und Landtagsmitglied im September 2017 die Partei verließ. In Mecklenburg-Vorpommern soll Björn Schulz die Geschicke leiten, doch unter der angegebenen Telefonnummer erreicht man nur die Bundesgeschäftsstelle der Partei in Dresden.

Koalition in Sachsen?
Während Petry und ihre »Blaue Partei« von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet bleiben, sieht es in Sachsen anders aus. Dort hat die Partei nach Petrys Angaben inzwischen 80 Mitglieder, weitere 500 Personen sind in der »Blauen Wende« organisiert. Laut einer Meinungsumfrage unter rund 1.000 Personen in Sachsen konnten sich neun Prozent vorstellen, bei der Landtagswahl 2019 Petrys »Blaue Partei« zu wählen. Von befragten AfD-WählerInnen gaben gar 29 Prozent an, möglicherweise für Petry zu stimmen. Doch die Umfrage wurde vom Institut INSA durchgeführt, an dessen Umfragen »Zweifel angebracht« seien, wie es das NDR-Medienmagazin »ZAPP« ausdrückte. Nichtsdestotrotz buhlte Petry sogleich um die Gunst der sächsischen CDU und bietet ihre Partei als »echtes freiheitlich-bürgerliches Korrektiv im Parlament« an. Die Landtagswahl in Petrys Stammland wird darüber entscheiden, ob die Vorsitzende und ihre Partei eine Zukunft haben werden.

 

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