Der Schwamm
von Nina Juliane Rink
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai 2018
#JobbörseAfD
Die »Alternative für Deutschland« im Bundestag zieht Rechte aus allen Milieus an. Das wird von ExpertInnen und auch vom Verfassungsschutz unterschätzt.
Bereits unmittelbar nach der Bundestagswahl im September 2017 hat Charles Paresse an dieser Stelle festgestellt: der Einzug der »Alternative für Deutschland« (AfD) in den Bundestag ist eine Zäsur. Im Bundestag existiert nun eine Fraktion, in der offener Rassismus, völkischer Nationalismus und Antifeminismus integraler Bestandteil der programmatischen Ausrichtung sind. Eine Zäsur. Dies war absehbar – seit Gründung der Partei ist die Annäherung diverser rechter Spektren an die AfD zu beobachten und die Verschmelzung der Milieus spätestens mit dem Einzug in die Landesparlamente offensichtlich. Parteiausschluss-Versuche oder formale Kooperationsverbote in der Vergangenheit können nicht darüber hinwegtäuschen: Die AfD bietet unterschiedlichen AkteurInnen der extremen Rechten ein kuscheliges Nest. Nun erhalten einige von ihnen als MitarbeiterInnen von Abgeordneten und der Fraktion ein finanzielles Auskommen, berufliche Reputation und freien Zugang zum Bundestag. Die »Die Tageszeitung« (taz), das »Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum« (apabiz) und »der rechte rand« haben im Rechercheprojekt »Netzwerk AfD« den Hintergrund von mehr als 350 MitarbeiterInnen der AfD recherchiert. Wir trafen auf alte Bekannte und neue Gesichter. Es zeigte sich, dass die AfD im Bundestag eine Scharnierfunktion zwischen extremer Rechter und bürgerlicher Mitte einnimmt. Die Fraktion wirkt wie ein brauner Schwamm, der Rechte aus allen Milieus aufsaugt – vom rechten Flügel der Union bis zu Neonazis.
Derweil urteilen die Verfassungsschutzbehörden: »Auch im Falle der AfD werden offene Indizien wie Aktivitäten, Aussagen oder potenzielle Zusammenarbeit mit extremistischen Gruppierungen gesichtet und bewertet, ob es sich um Einzelmeinungen oder um eine parteipolitische Linie handelt. Derzeit sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Beobachtung der AfD als Partei (…) begründen würden.«
Fakt ist: unter Mitgliedern und MitarbeiterInnen finden sich extrem Rechte aller Couleur, von (Ex-)Mitgliedern der verbotenen »Heimattreuen deutschen Jugend« (HDJ) bis zur »Identitären Bewegung« (IB). Ein Sammelbecken für Rechte war die AfD bereits, jetzt ist sie auch ihre Jobbörse.
Was werden sie zukünftig tun? Das, was sie immer getan haben, nur (besser) bezahlt: Als hauptberufliche MitarbeiterInnen können sie jeden Tag Politik machen. In den Wahlkreisen, Berliner Büros und in den Fraktionsbüros sitzen nun die AktivistInnen der »Jungen Alternative«, rechte Burschenschafter und »neu-rechte« PublizistInnen, politische Irrlichter und OrganisatorInnen ‹rechtspopulistischer› Demos. Mit Hilfe von Millionen Euro aus Steuergeldern, Zugang zu exklusiven Informationen und der Bühne der medialen Öffentlichkeit können sie ihre Propaganda verbreiten und die Grenzen des Sag- und Machbaren immer weiter und weiter nach rechts verschieben.
Der Extremismusexperte Eckhard Jesse schrieb 2016: »(D)as Aufkommen einer Partei wie der Alternative für Deutschland (…) ist ein Zeichen der Normalisierung, keines der Gefahr, wie es mitunter alarmistisch heißt.« Das kann man natürlich so sehen: Unter den AkteurInnen der AfD sind immer welche zu finden, die moderat konservativ oder einfach nur etwas patriotisch sind. Und nur, weil sich wiederholt in »Einzelfällen« zeigt, dass antisemitisches, geschichtsrevisionistisches, rassistisches, zutiefst menschenverachtendes Gedankengut zum Standardrepertoire ihrer Mitglieder zählt, muss das doch nicht gleich heißen, dass die AfD eine extrem rechte Partei ist. Doch liegt nicht vielmehr der Schluss nahe, dass sich alles, was rechts ist, in der AfD versammelt und die wenigen Konservativen das legale Deckmäntelchen der extremen Rechten sind? Ob nationalkonservativ, rechtspopulistisch, völkisch, identitär, ultrarechts – nichts davon beschreibt die AfD in Gänze. Aber alle diese Strömungen kommen in ihr vor.
Jeder Rehabilitierungsversuch seitens des Verfassungsschutzes und Teilen der Extremismusforschung stellt eine Verharmlosung der politischen Absichten der extrem rechten AkteurInnen dar. Das Personal der AfD wird seine Wirkung entfalten und die Auftritte der Partei prägen. In Ausschüssen, Kontrollgremien, Beiräten, parlamentarischen Reden und Anfragen, aber auch in TV-Shows oder in den Kommunen wird man ihrer Ideologie, ihrem Vokabular und ihrem Hass begegnen. Die Grenzen zwischen den rechten Milieus werden weiter erodieren und noch mehr Rechte mit unterschiedlichen Biografien ermuntern, aus ihren Nischen zu kriechen. Die AfD wird sie sicher mit offenen Armen empfangen – frühere Abgrenzungstendenzen sucht man mittlerweile vergebens. Trotzdem ist der Normalisierungsprozess gegenüber der AfD im vollen Gange. Es ist schockierend, mit welcher Selbstverständlichkeit der Ex-NPD-Aktivist mit der ehemaligen FDP-Funktionärin Tisch an Tisch sitzt und wie wenig Skandalpotenzial das noch zu haben scheint. Rechercheprojekte werden weiterhin notwendig sein, um darzulegen, wer die AfD ist und was sie tut. Denn die AfD ist keine »ganz normale Partei«.
Die »taz«, »der rechte rand« und das Antifa-Archiv »apabiz« haben seit
Dezember 2017 die Hintergründe der MitarbeiterInnen und Abgeordneten der AfD im Bundestag recherchiert. Die Texte und eine interaktive Dokumentation findet sich unter: www.taz.de/netzwerkafd. Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln der Otto-Brenner-Stiftung.