Macht

von Rechtsanwalt Alexander Hoffmann
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 203 Juli | August 203

#AfDVerbot

Warum die antifaschistische Bewegung um ein Verbot der »Alternative für Deutschland« kämpfen muss und warum dies jetzt sofort erfolgen muss.

Antifa Magazin der rechte rand
AfD Verbot jetzt! © Roland Geiheimer / attenzione

 

Die Diskussion über ein Verbot der »Alternative für Deutschland« (AfD) ist kaum eröffnet, da wird bereits von allen Seiten versucht, sie abzuwürgen: Die AfD sei für ein Verbot bereits zu groß. Die AfD sei bundesweit keineswegs verbotswürdig. Ein Verbotsverfahren würde ihr erst recht Zulauf geben. Das Verbot als repressiver Akt sei nicht das richtige Mittel, die AfD zu bekämpfen, stattdessen müsse diese »politisch« bekämpft werden.


Gleichzeitig verankert die Partei nicht nur ihre politische Position, insbesondere in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen, zum Beispiel mit dem ersten AfD-Landrat in Sonneberg, sondern richtet sich politisch immer stärker nach den inhaltlichen Vorgaben des »Höcke-Flügels« aus. Die Partei versucht nicht einmal mehr, ihre völkisch-rassistischen Inhalte, ihre aggressive, gegen Andersdenkende und »Nichtdeutsche« gerichtete Propaganda zu tarnen. Im Gegenteil: personell findet selbst in den Parlamenten eine Einbindung von Neonazis und ehemaligen Mitgliedern von faschistischen Gruppierungen wie der NPD statt. In Bündnissen vor Ort bestehen praktisch gar keine Hemmungen mehr, mit allen rechts der AfD zusammenzuarbeiten. Selbst auf Gewalttätigkeiten und Terrorismus gerichtete Aktivitäten von AfD-Mitgliedern, wie die angebliche Beteiligung der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann an einer terroristischen Vereinigung, werden im Wesentlichen verharmlost.

Logische Konsequenz aus der Vergangenheit
Ob die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot der AfD vollständig vorliegen, soll hier nicht vertieft untersucht werden – entsprechende Gutachten liegen bereits vor. Außerdem wird letztlich ein Verbot eben immer erst im Verbotsverfahren entschieden, wenn alle verfügbaren Informationen beim Bundesverfassungsgericht vorgelegt wurden. Bereits in beiden Entscheidungen zum Verbot der NPD hat das Bundesverfassungsgericht gezeigt, dass es durchaus in der Lage ist, unter großem politischen Druck Entscheidungen klar und nachvollziehbar zu treffen.


Die zentralen Vorgaben aus der zweiten NPD-Entscheidung sprechen allerdings ziemlich eindeutig für ein Verbot der AfD. Das Bundesverfassungsgericht führte in seinem Urteil vom Januar 2017 aus, dass die rechte Partei eine ethnische, auf einen autoritären »Nationalstaat« ausgerichtete »Volksgemeinschaft« anstrebe, der die Menschenwürde aller missachte, der dieser nicht angehöre. »[Die NPD] ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar [und strebt damit] nicht nur eine Beeinträchtigung, sondern eine Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung an«, schlussfolgerte das Gericht. Angesichts der Entwicklung der AfD nach der offiziellen Auflösung des »Flügels«, aus der sich schließlich die Übernahme der gesamten Partei durch die hierin versammelten Personen und Netzwerke ergab, wäre eine ähnliche Schlussfolgerung in einem Urteil für ein Verbot wahrscheinlich.


Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen der AfD macht deutlich, dass die Führungspersonen und -netzwerke gerade solche völkisch-rassistischen Positionen zum Kern der Ideologie der Partei und zur Leitidee der praktischen Arbeit entwickelt haben. Sie bestimmt das gesamte Auftreten und Agieren der Partei auf allen Gliederungsebenen und überdeckt alle anderen politischen Fragen.

Letzer Ausweg: Staat?
Die aufkeimende Diskussion über ein AfD-Verbot geht allerdings immer wieder am eigentlichen Thema vorbei, weil sie sich nur auf die repressiven Möglichkeiten des Staates gegenüber der AfD nach einem Verbot beschränkt. Sie verbleibt in den Fragestellungen, ob ein solches Verbot überhaupt durchsetzbar wäre, welche Konsequenzen die durch ein Verbot ihrer Einflussmöglichkeit beraubten Wähler*innen möglicherweise ziehen würden und wie sich die Folgen einer solchen Spaltung der Gesellschaft auswirken könnten. Es wird daher oftmals vorgeschlagen, »politisch« gegen die Partei und die von ihr verbreiteten Inhalte vorzugehen, ohne jedoch jemals bisher eine solche Strategie auch nur probeweise umgesetzt zu haben.


Antifaschist*innen müssen aber begreifen, dass bereits die öffentliche Debatte über ein mögliches Verbot Diskussionsräume eröffnet, die im Kampf gegen Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Antifeminismus hilfreich sein können. In der Realität befinden sich nämlich in jenen Gebieten, in denen die AfD mit 20 Prozent und mehr der Stimmen Zuspruch erfährt, diejenigen auf dem Rückzug und im Rechtfertigungszwang, die sich gegen solche Positionen wehren – die demokratische Werte, wie die Menschenwürde und demokratische Grundrechte verteidigen.


Den aggressiven Parolen der AfD-Politiker*innen und ihrer Anhän­ger*innenschaft, die im Zweifel ihre Gegner*innen niederbrüllen und bedrohen, sei es auf der Straße, sei es im Netz, können diese Verteidiger*innen der demokratischen Werte kaum mehr etwas entgegensetzen. Der Staat, die Institutionen, die Parteien lassen sie schlichtweg im Stich. Das Argument, die AfD sei eben demokratisch gewählt und daher seien auch ihre inhaltlichen Positionen und ihr Auftreten demokratisch legitimiert, schützt die Partei sowohl politisch als auch praktisch.


Tatsächlich werden beispielsweise eher Menschen, die sich gegen Rassismus und Ausgrenzung stark machen von der Polizei als »Störer« angesehen, die die »demokratischen Rechte einer im Parlament befindlichen Partei« einschränken wollen. Ein »politischer Kampf« des »demokratischen Rechtsstaates«, der Landes- und Bundesbehörden oder der sich als demokratisch verstehenden Parteien ist in der Realität des Alltags in den AfD-Hochburgen nicht zu erkennen.


Im Gegenteil: die viel beschworene Brandmauer gegen Rechts ist bereits in etlichen Länderparlamenten kaum noch vorhanden – in Rathäusern und Kreistagen bestand sie teilweise nie. Im Alltagsleben hat sie nie eine Bedeutung entwickelt. Nicht umsonst haben zahlreiche Menschen, die die Auswirkungen der AfD-Politik auf die gesellschaftliche Stimmung in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen hautnah erleben, angekündigt, sie würden im Falle einer AfD-Regierungsbeteiligung ihr Bundesland oder sogar Deutschland verlassen. Die Mehrheitsgesellschaft ignoriert diese Stimmen bislang. Vor dem Hintergrund der Erfahrung mit dem deutschen Faschismus ist diese Ignoranz kaum auszuhalten.

Chancen ergreifen
Der öffentlich zu führende Kampf um ein Verbot der AfD würde stärker als bislang deutlich machen, dass wir es hier mit einer politischen Kraft zu tun haben, die die Grundregeln unseres Zusammenlebens abschaffen will und die dieses Ziel aggressiv-kämpferisch erreichen will. Im Kampf für ein Verbot der AfD könnte es gelingen, die politischen Positionen dieser Partei und die von ihr eingesetzten Mittel einer breiten Öffentlichkeit deutlich zu machen. Eine entsprechende Kampagne müsste ja darauf gerichtet sein, Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, also all diejenigen Institutionen, die einen Verbotsantrag stellen können, zu einer Auseinandersetzung mit diesen Positionen zu zwingen. Die hierdurch entstehende Debatte könnte auch dazu genutzt werden, die Parteien dazu zu bewegen, inhaltlich klar Position zu beziehen.

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Letztlich müsste eine antifaschistische Kampagne für ein AfD-Verbot die staatlichen Institutionen, aber auch die Parteien dazu bringen, ihre immer wieder beschworene Bereitschaft, das Grundgesetz kämpferisch gegen seine Feinde zu verteidigen, inhaltlich zu füllen. Dabei müssten diese auch gezwungen werden, ihre eigenen Positionen zu Nationalstaat, völkischem Rassismus, Volksgemeinschaft, Asyl, Migration, Versammlungsfreiheit und vielen anderen durch das Grundgesetz gesicherten Rechten klar zu machen. Zu lange wurde einerseits ein kontinuierlicher Abbau dieser Grundrechte vorangetrieben, soweit dies den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Vorstellungen entsprach. Andererseits wurden politische Gegner*innen unter Verweis auf die »Freiheitlich demokratische Grundordnung« delegitimiert, ohne je die Nagelprobe abliefern zu müssen, wie wichtig diese Grundrechte wirklich sind. Jetzt müssen Institutionen und Parteien erklären und deutlich machen, inwiefern sie bereit sind, die im Grundgesetz niedergeschriebenen Rechte gegen eine wachsende Bedrohung durch die in der AfD versammelten populistischen, völkisch-rassistischen Kräfte ernsthaft zu verteidigen.


Eine öffentliche Debatte über ein AfD-Verbot, die an den Inhalten der Partei ausgerichtet ist, kann dazu führen, dass nicht nur Parteien, sondern auch andere staatliche Institutionen sich damit auseinandersetzen müssen, wenn Menschen Inhalte vertreten, die kämpferisch gegen die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte gerichtet sind. Die Richter*innen am Verwaltungsgericht müssten dann erklären, wie sie mit ihrem offen rassistisch agierenden Kollegen umgehen, die Lehrer*innen im Schulkollegium ebenso. Und eine Partei müsste erklären, warum sie eine*n Politiker*in oder einen ganzen Landesverband nicht ausschließt, wenn dieser mit der AfD zusammenarbeitet.
Eine Kampagne für ein AfD-Verbot wäre geeignet, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ein solches Verbot später auch durchgesetzt werden kann. Und nicht zuletzt wäre sie notwendig, damit mögliche staatliche Maßnahmen gegen die AfD nicht lediglich formal repressiv und damit letztlich inhaltsleer, sondern tatsächlich im antifaschistischen Sinne, und zur Stärkung eines demokratischen, gleichberechtigten, würdevollen Zusammenlebens ausgerichtet werden. Vielleicht wäre das Ergebnis sogar dauerhaft eine Ausweitung demokratischer Rechte, weil die zu führende Diskussion weit über die AfD hinausgehen müsste.