Expansionsfantasien im Ländle

von Kian Blume
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 203 Juli | August 203

Das »Königreich Deutschland« ist auf Expansionskurs – so zumindest die Vorstellung des selbst ernannten »Königs« und seiner Gefolgschaft. Verschiedene Ortsgruppen in Baden-Württemberg träumen vom eigenen Anwesen fernab von Strukturen der Bundesrepublik. Eine Gruppe aus der Region Ulm hat bereits sehr konkrete Pläne, eine weitere Gruppe in Freiburg ist von ihrem Ziel noch weit entfernt.

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Peter Fitzek verkauft sich und seine Projekte aktuell auch über YouTube wie hier im Interview mit Bewusstseinstrainer Bruno Würtenberger, der über sich selbst sagt: »Meine Vision ist es, Dir zu helfen das Leben Deiner Träume zu verwirklichen.« © @derrechterand Archiv Screenshot

Wenn es nach den Vorstellungen des selbst ernannten »Königs« Peter Fitzek (s. ddr Nr. 165) und seinem Kernteam geht, soll das »Königreich Deutschland« (KRD) durch die Gründung von Dorfprojekten deutschlandweit wachsen. Auf ihrer Website werben sie für das Leben im »Gemeinwohldorf« mit einem »selbstbestimmte(n) Leben – ohne Impfpass, Maske und Zentralbankkonto«. Nach außen tritt das KRD gezielt harmlos, ökologisch, freiheitsliebend und gemeinwohlorientiert auf. Antisemitische Verschwörungsideologie gehört jedoch genauso zum Programm wie Kontakte zu bekannten »Reichsbürgern« und zur extremen Rechten. So ist auch der selbst ernannte »Volkslehrer« und wegen Volksverhetzung verurteilte Neonazi Nikolai Nehrling ein gern gesehener Gast des »Königreichs«. Dessen selbst erklärtes Ziel ist ein »komplette(r) Neuanfang des deutschen Staates«.

Das KRD unterhält unter anderem eine Immobilie in Wolfsgrün im Erzgebirgskreis. Eine Jugendstilvilla im Stadtteil Eibenstock soll als Seminarhaus dienen. In Bärwalde, in der sächsischen Oberlausitz, hat sich Mitte letzten Jahres ein »Gemeinwohldorf« gegründet. Eine weitere Immobilie befindet sich in der Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt), wo im Juni dieses Jahres ein Tag der offenen Tür stattfand. Im Vorfeld warb Fitzek dafür in einem Video mit seinem Kommen und kündigte an, über geplante Projekte zu berichten, die noch nicht öffentlich seien.

Große Ambitionen im Ländle
Mit dieser Ankündigung spielt Fitzek vermutlich auch auf das »Dorfprojekt Süd« an. In der Gemeinde Obersontheim im baden-württembergischen Landkreis Schwäbisch-Hall verfolgen Angehörige des KRD aktuell das Ziel, ein Hofgrundstück zu erwerben und es dem »Königreich« zu stiften. Federführend am Projekt beteiligt ist eine Heilpraktikerin aus dem Raum Ulm. Für das »Dorfprojekt Süd« hat sie mit rund neun weiteren Personen große Ambitionen: Zielobjekt der Gruppe ist eine Immobilie in der Gemeinde Obersontheim. Das Gehöft in Alleinlage für 1,5 Millionen Euro Kaufpreis umfasst 18 Hektar Land inklusive eigenem Waldstück und Wasserquelle. Inzwischen kam es auch zu Gesprächen mit dem KRD, in denen die geplante Stiftung und anschließende Nutzung des Grundstücks besprochen wurden. Im Videocall empfiehlt ein William vom KRD-Kernteam, der für die Gründung von »Gemeinwohldörfern« zuständig sein soll, vor dem Kauf einer Immobilie nicht als KRD aufzutreten. Im Süden rechne er noch mit weniger Zuspruch aus der Bevölkerung als im Osten Deutschlands. Finanziell könne sich das »Königreichs« nicht an dem Kauf beteiligen. Dies könnte an der schlechten Finanzlage liegen, auf die ein Artikel der kritischen Plattform Sonnenstaatland im März dieses Jahres hinwies.
Eine Anfrage gegenüber dem zuständigen Polizeipräsidium Aalen ergab, dass die Aktivitäten der Gruppe bisher scheinbar unter dem Radar der Behörden verliefen. Man wisse nur von »vereinzelten Aktivitäten des KRD«, heißt es in der Antwort des Präsidiums – gleiches gilt für das Landesamt für Verfassungsschutz.

Unter dem Radar
Baden-Württemberg gilt inzwischen als Hotspot für die Szene der Reichsbewegten aller Couleur. Der Verfassungsschutz rechnet im Ländle rund 3.800 Personen dem Spektrum zu. Auch in Freiburg gibt es seit Februar letzten Jahres eine KRD-Gruppe, die sich bisher unter dem Radar der Öffentlichkeit bewegen konnte. Zur Ortsgruppe gehört Niclas Dreier, der für das KRD Imagefilme produziert. Laut eigenem LinkedIn-Profil ist er Leiter des KRD-eigenen Filmstudios, auf Instagram gibt er sich selbst den royalen Titel »Videoherzog«. Die Telegramgruppe der Freiburger Ortsgruppe zählte zuletzt rund 50 Mitglieder.

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Frappierend dabei ist: Die Ortsgruppe hat scheinbar unbemerkt regelmäßig Treffen in Räumlichkeiten des Stadtteilzentrums Vauban veranstaltet. Das Quartier Vauban gilt als grüner Vorzeigestadtteil und ist ein Paradies für die »Bio-Bohème«. Im alternativen Öko-Milieu versucht das »Königreich« anzuschließen und fällt dabei mancherorts gar nicht auf. Es geht ihnen dabei nicht nur um ein friedliches Leben im Exil: Im Telegram-Kanal der Gruppe »Dorfprojekt Süd« zweifelt ein Mitglied unkommentiert an der medialen Darstellung zu den Razzien gegen die »Patriotische Union« und ihre »angeblichen« Putschpläne. Ein anderer gibt eine Leseempfehlung zu dem Buch »Was heißt Deutsch sein?« des völkischen Esoterikers Herman Wirths.

Das betroffene Stadtteilzentrum reagierte auf die Treffen unmittelbar und sperrte den Zugang für die beteiligten Personen. Nun soll ein Kodex über die Vergabe der Räume im Haus abgestimmt werden. Solche Reaktionen aus der Zivilgesellschaft machen Hoffnung.