Auf unsicherem Fundament

von Lucius Teidelbaum
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 203 Juli | August 203

Die Anfangseuphorie scheint vorüber zu sein. Die aus der »Querdenken«-Bewegung entstandene Kleinstpartei »dieBasis« versucht weiterhin, das Potenzial der Corona-Proteste an der Wahlurne zu bündeln – aktuell mit dem Thema Frieden.

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Wahlkampf in Sachsen-Anhalt @ Mark Mühlhaus / attenzione

Vom 30. März bis 2. April 2023 führte »dieBasis« in Braunschweig mit 600 Mitgliedern unter Gegenprotest ihren Bundesparteitag durch. Dieser war auch nötig geworden, um die Löcher im Bundesvorstand zu stopfen. Streitereien unter anderem zwischen den beiden Vorsitzenden Reiner Fuellmich und Viviane Fischer über den Missbrauch von Geldern für den außerparlamentarischen »Corona-Untersuchungsausschuss«, in dem beide aktiv waren, hatten zu Fuell­michs Rücktritt als Co-Vorsitzender im Oktober 2022 geführt.

Allerdings konnten nur drei von elf Posten im Vorstand neu besetzt werden. Neu gewählter erster Vorsitzender wurde der Diplom-Ingenieur Sven Lingreen aus Oberhavel (Brandenburg). Zweite Vorsitzende wurde Skadi Helmert aus Ilsenburg (Sachsen-Anhalt). Die landwirtschaftlich-technische Assistentin ist auch Mitglied im Landesvorstand Sachsen-Anhalt. Der Steuerberater Bernd Bremer aus Berlin wurde neuer Schatzmeister im Bundesvorstand. Alle weiteren Posten blieben jedoch unbesetzt. Außerdem entschieden die Delegierten, dass ihre Partei an der Europawahl 2024 teilnehmen soll. Mitte Mai bestätigte ein offener Brief des neuen Vorstandes die im Vorfeld vom extrem rechten »Compact Magazin« gestreute Information: »dieBasis« lädt das »Team Todenhöfer« von Jürgen Todenhöfer, unter anderem ein Apologet des iranischen Regimes, zur Kooperation ein. Die Schnittmenge liege beim Einsatz »für direkte Demokratie und die aktive Teilhabe der Bürger«. Die Zusammenarbeit wäre eine Möglichkeit, das wahre Potenzial derjenigen, die »medial verschwiegen werden«, zu entfalten. Doch die Partei möchte mehr und andere »prominente Akteure« einbinden. »Ein solches Szenario könnte beispielsweise die Einbindung von Sahra Wagenknecht, einer prominenten Politikerin und ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linken, beinhalten.«

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Johanna Findeisen, Kandidatin von »dieBasis« und unter anderem Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Potenzialentfaltung: »Manchmal stösst man mit seinem Denken, mit seinem Tun, privat oder beruflich, an gewisse Grenzen, bewegt sich im ‹Leerlauf›, wie in einem Hamsterrad«, steht auf ihrer Internetseite. Seit Ende Mai 2023 befindet sie sich in Untersuchungshaft. @ @derrechterand Archiv Screenshot

Reichsbürger mit Partei-Ausweis?
Bundesweite Razzien am 7. Dezember 2022 und 22. Mai 2023 im Milieu der »Reichsbürger« offenbarten mutmaßliche Verbindungen zwischen dem Rechtsterror-Netzwerk »Patriotische Union« und »dieBasis«. Unter den Anfang Dezember Verhafteten waren auch zwei hochrangige Parteimitglieder. Zum einen war der ehemalige Polizeikommissar Michael Fritsch aus Hannover betroffen, der zur Bundestagswahl 2021 »dieBasis«-Spitzenkandidat des Landesverbands Niedersachsen war. Zum anderen war auch Johanna Findeisen vom Überlinger Ortsverband von der Razzia betroffen, die seit Anfang April 2022 als Säulenbeauftragte im Landesverband Baden-Württemberg fungierte. Die Indizien reichten damals nicht für einen Haftbefehl. Das hat sich offensichtlich geändert, denn seit der Durchsuchung Ende Mai 2023 befindet sich Findeisen in Untersuchungshaft.

Im Dezember sprang der baden-württembergische Landesverband in einer Pressemitteilung Findeisen bei: »Dass in Medienberichten ihr Name im Zusammenhang mit einer sogenannten ›Reichsbürger-Szene‹ und sonstigen extremistischen oder verfassungsfeindlichen Bestrebungen aufgeführt wird, ist in unseren Augen eine grobe Falschdarstellung ihrer tatsächlichen Überzeugungen und eine wahrheitswidrige Darstellung ihrer Handlungen. (…) Bis zum Beweis des Gegenteils können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass im Fall Johanna Findeisen das Produzieren negativer und die betroffene Person schädigender Schlagzeilen das eigentliche Ziel der Hausdurchsuchung war.«

Am 25. Mai 2023 stellte sich der Landesverband in einer Pressemitteilung erneut vor Findeisen: »Wir können sie als Mensch aufgrund unserer persönlichen Erfahrungen, ihres entschiedenen Auftretens und ihres Einsatzes für die Erhaltung unserer Grundrechte nicht mit extremistischen Ideen in Zusammenhang bringen. Wir sehen ihr stetiges Bestreben, Achtsamkeit und Menschlichkeit im Sinne der Werte in unserer Partei zu leben.

Friedensbewegung auf neuer Basis?
Der Protest-Partei-Charakter ist wichtig für das Überleben der Partei. Sie benötigt Aufregerthemen, um zumindest ihr Kernklientel bei der Stange zu halten und zu den Urnen zu mobilisieren. Allerdings hat die bremische Bürgerschaftswahl im Mai gezeigt, dass gerade mal 0,8 Prozent der Wähler*innen ihr Kreuz bei »dieBasis« machten. Derzeit fokussiert man sich verstärkt auf das Thema Ukraine-Krieg und vertritt Positionen, mit denen versucht wird, einem Nationalneutralismus, einer naiven Friedensbestrebung und einer kaum verhohlenen Pro-Putin-Position eine parteipolitische Heimat zu geben. Ob das Thema viele an der Wahlurne mobilisieren wird, bleibt jedoch ungewiss. Schon eher schließt man über das Thema zu Teilen der traditionellen Friedensbewegung auf und engagiert sich in der neuen Friedensbewegung, die 2014 entstand und von der Bewegung der Pandemie-Leugner*innen reaktiviert wurde. Es handelt sich aber um keine Unterwanderung, da ihnen zum Teil die Tür von innen geöffnet wurde. Für die Partei traten immer wieder bekanntere Gesichter der traditionellen Friedensbewegung auf. Etwa Florian Pfaff, Major a. D. und aktuell Sprecher des militarismuskritischen »Arbeitskreis Darmstädter Signal«, oder Jürgen Rose, Oberstleutnant a. D. und ehemaliger Sprecher des »Darmstädter Signals«.

Die Kritik an einer Zusammenarbeit mit Organisationen wie »die­Basis« führte zu Zerwürfnissen, in Folge derer in mehreren Städten zu Ostern 2023 Ostermärsche stattfanden – einerseits ein rechtsoffener und Russland verharmlosender und andererseits einer, der sich um eine inhaltliche und organisatorische Abgrenzung bemühte. Sinnbildlich dafür steht die Friedensdemonstration am 25. März 2023 in Düsseldorf, bei der Diether Dehm (Die Linke), Meyra (»Bonn zeigt Gesicht), Özenc Arslan (»Team Todenhöfer«) und Michael Aggelidis (»dieBasis« – AG Frieden) sprachen. Ein Hauptkritikpunkt an der Partei ist ihre mangelnde Abgrenzung nach rechts. Dieser Kritikpunkt wurde noch einmal bestätigt, als im März 2023 die AfD Lüneburg auf Twitter mitteilte, dass sie zusammen mit »dieBasis« eine Gruppe im Lüneburger Kreistag gebildet habe.

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Die Partei scheint sich recht umstandslos die gesamte verschwörungsideologische Agenda anzueignen. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen titelte am 11. April 2023 »Klimawandel ist etwas ganz Normales«, leugnet den anthropogenen Klimawandel und versucht dessen Folgen zu verniedlichen. »In den warmen Phasen, in denen es bis zu zwei Grad wärmer war als gegenwärtig, blühten die Kulturen auf (Bronzezeit, Antike, Hochmittelalter, Jetztzeit). Alles völlig normal. Und in ein paar Tausend Jahren wird wieder eine Eiszeit folgen. Auch völlig normal. Ursache sind periodische Verschiebungen der Erdbahn.« Der Landesverband gibt Entwarnung. »Die Menschheit hat bisher alles überstanden. Aber was ist heute: Klimapanik.« Auch der Auftritt des Psychiaters und Psychoanalytikers Dr. Hans-Joachim Maaz aus Halle als Gastredner auf dem Bundesparteitag zeigt die Richtung auf. Maaz war Mitglied im Beirat des Newsportals »Rubikon«, auf dem Pandemie-Leugner*innen und Verschwörungserzähler*innen publizieren. Er selber brachte in der Vergangenheit auch viel Verständnis für PEGIDA auf. In seiner Rede in Braunschweig beklagte er das Fehlen einer »innerseelischen Demokratie«, zu der die meisten Menschen nicht fähig seien. Außerdem attestierte er allen Politiker*innen in seiner Rede einen krankhaften Narzissmus und nannte die Grünen »die gestörteste, die extremistischste Partei«. Viel Applaus bekam er auch für folgende Aussage: »Ich persönlich bekenne mich immer zu den Verschwörungstheoretikern, [Applaus] weil ich sicher bin, dass ein Verschwörungstheoretiker eine Wahrheit, eine Teilwahrheit (…) vertritt, die von der Mehrheit der anderen nicht (…) akzeptiert werden will.«

Überschaubare Wahlerfolge und ungewisse Zukunft
Zeitweise hatte »dieBasis« eigenen Angaben nach über 30.000 Mitglieder und damit fast so viele wie die AfD. Damit verbunden war der Aufbau von Strukturen wie Kreisverbänden, die personell oft starke Überschneidungen zu den Straßenprotesten der Pandemieleugner*innen aufwiesen. Die Partei versucht eine esoterisch-verschwörungsideologische Lücke neben der AfD zu besetzen. Extrem rechte Wähler*innen dürften allerdings der AfD den Vorzug geben. Das reicht nicht zum Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde, aber manchmal zum Überspringen der Ein-Prozent-Hürde zur Wahlkampfkostenerstattung. Ob die Partei langfristig Bestand haben wird, ist ungewiss. Das Thema Corona scheint erschöpft und der Ukraine-Krieg nur bedingt ein Ersatzthema darzustellen.

Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 8. Mai 2022 erhielt »dieBasis« 1,1 Prozent, bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai 2022 0,8 Prozent und bei der Landtagswahl in Niedersachsen am 9. Oktober 2022 1,0 Prozent der Zweitstimmen. Bei den wiederholten Wahlen in Berlin – immerhin einer der Geburtsorte der Bewegung der Pandemieleugner*innen – am 12. Februar 2023 erhielt sie dagegen nur 0,5 Prozent der Zweitstimmen. Es ist unklar, ob die Partei in Zukunft noch größere Erfolge verzeichnen kann.