Alternatives Kulturgut in Mainz

von Alex Wißmann
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 200 - Januar / Februar 2023

#Immobilie

Das Zentrum der »Alternative für Deutschland« in Rheinhessen hat vor einem guten halben Jahr seine Tore geöffnet. Vor Ort bedeutet das nun eine weitere Institution der extremen Rechten, mit der sie ihren Einflussbereich ausbaut und die Parteiarbeit intern absichert. Werfen wir einen Blick auf die Strukturen im Hintergrund.

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AfD Zentrum Rheinhessen – Mainz

Was müssen sich damals die Mainzer Abgeordneten gedacht haben, als sie zum Videodreh in eine der nördlichsten Städte im Flächenland Rheinland-Pfalz gefahren sind, um im Corona-Wahlkampf etwas liefern zu können, nur damit sie sich dabei nicht von Demonstrierenden beschimpfen lassen müssen. Wohl einer der Gründe, dass ein Jahr nach der Landtagswahl dann im Mainzer Stadtteil Hechtsheim zum 30. April 2022 das »Zentrum Rheinhessen« offiziell seine Tore als »Bürgerbüro« eröffnete. Auf dem Sharepic laden neben den AfD Kreisverbänden Mainz und Mainz-Bingen auch der Landtagsabgeordnete Damian Lohr und der Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier ein, die beide auch ihre Wahlkreisbüros in das »Zentrum Rheinhessen« verlegt haben. Die nüchterne gewerbliche Immobilie in der Athener Allee war wohl eine strategische Wahl. Mainz-Hechtsheim bildet die Stadtgrenze von Mainz. In dem Stadtteil, der im Wohn- und Gewerbegebiet und direkt an der Autobahn liegt, kommt niemand zufällig vorbei. Wer nicht weiß, dass es dort ist, muss danach suchen.
Und das liegt nicht daran, dass sich die AfD mit ihrem Zentrum bedeckt gehalten hätte. Schon eine Woche nach der Eröffnung referierte Lohr mit dem Europaabgeordneten Maximilian Krah »über die Zukunft Europas und seine Gespräche mit den US-Republikanern in New York.« Am 13. Mai besuchte der Bundestagsabgeordnete Bernd Schattner den Stammtisch der »Jungen Alternative« (JA), als würde dieser dort regelmäßig stattfinden.


Es folgten Themenabende, Bürgerdialoge, Konferenzen und Stammtische. Zu einem der letzteren referierte Schattner zusammen mit dem Bundestagsabgeordneten Steffen Janich. Der ehemalige Polizeiobermeister wurde aus dem Polizeidienst suspendiert, nachdem er sich für eine Demonstration gegen die Coronamaßnahmen als Versammlungsleiter zur Verfügung gestellt hatte. Zuletzt forderte er im Bundestag eine »Abschiebeoffensive«.

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Am 25. August durfte Jonas Schick seine Ansichten zur »Ökologie von rechts« im Zentrum vortragen. Schick hatte 2017 nach seinem Austritt aus der AfD das Onlinegesprächsformat »90 Grad« gegründet, in dem er lokale Größen aus JA und »Identitärer Bewegung« (IB) interviewte. Drei Tage später veranstaltete die AfD Rheinland-Pfalz dort ihr Sommerfest inklusive Hüpfburg. Zuletzt berichtete am 8. Dezember die AfD-Landesgruppe, also zwei der rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten, von »Neuigkeiten aus dem Bundestag und beantworteten zahlreiche Fragen aus dem Publikum«.

Kulturerbe in Rheinhessen
Bis zuletzt mussten sich Interessierte vorab per Mail bei den jeweiligen Veranstalter*innen anmelden, um die genaue Adresse zu erfahren. Zu der Veranstaltung mit Jonas Schick ging die Interessenbekundung direkt an die Mailadresse des »Zentrum Rheinhessen«. Veranstalter war »Deutsches Kulturerbe in Rheinhessen e. V.«. Es ist unklar, in welchem Zusammenhang dieser Verein mit dem AfD-Zentrum genau steht. Dem Verein sitzen aber mit Carsten Propp und Stephan Stritter zwei bekannte Parteimitglieder vor. Als Sitz des Vereins ist die Adresse in der Athener Allee eingetragen – die Adresse des Zentrums in Rheinhessen. Es wäre also denkbar, dass ein Verein und nicht eine Person die Räume des Zentrums anmietet.


Zwar lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren, wo der Verein 2018 gegründet wurde. Doch Datensammler wie meinestadt.de geben noch heute eine ältere Adresse in der Stahlbergstraße 33 in der Mainzer Oberstadt aus – die Adresse der neonazistischen Burschenschaft »Germania Halle zu Mainz«, einer schlagenden Verbindung des schwarz-weiß-roten Kartells und Mitglied im Dachverband »Deutsche Burschenschaft« (DB). Die »Germania Halle zu Mainz« hatte sich schon in der Vergangenheit wiederholt AfD-Abgeordnete als Redner*innen eingeladen. Wegen Krankheit musste eine Veranstaltung mit dem damaligen IB-Chef Martin Sellner ausfallen, als dieser 2017 von seiner Reise mit der C-Star berichten wollte. Deutlich weiter zurückliegend lud die Mainzer Burschenschaft 2009 mit Hans-Joachim Herrmann einen Ritterkreuzträger ein, der als Anwalt auch nach 1945 Neonazis und Holocaustleugner verteidigte.


Da überrascht es auch nicht mehr, dass zur Vereinsgründung Damian Lohr, Lothar Mehlhose und Philip Stein dem Verein vorsaßen. Alle drei sind Mitglieder in der DB. Lothar Mehlhose sitzt außerdem dem Altherrenverband der »Germania Halle zu Mainz« vor. Philip Stein gehörte bereits der »Marburger Burschenschaft Germania« an, verantwortete zu der Zeit den »Jungeuropa Verlag« in Dresden und leitete »Ein Prozent« – ein Knotenpunkt zwischen pseudointellektuellen Rechten und Straßenaktivismus. Stein verließ den Vorstand von »Deutsches Kulturerbe in Rheinhessen e. V.« im August 2018. Ihm folgte Alexander Jungbluth. Jungbluth ist kein »Germane«, allerdings gehört er der »Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn« an. Die »Raczeks«, ebenfalls Mitglied in der DB, spalteten 2011 ihren Dachverband, als sie die Einführung eines »Ariernachweises« in der DB forderten.

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AfD Zentrum Rheinhessen – Mainz

Hinter der Fassade
Das AfD-Zentrum Rheinhessen wirkt nach außen hin mit Familienfesten und Bürgerdialogen unter seinem Weintraubenlogo in der Weinstadt Mainz geradezu leutselig. Ein Blick hinter die Kulissen verdeutlicht schnell die Strukturen, die nicht nur in dem Zentrum, sondern auch in der rheinland-pfälzischen AfD tonangebend sind. Es sind auch hier nicht die Galionsfiguren wie der Landesvorsitzende Jan Bollinger oder der Fraktionsvorsitzende Michael Frisch, die Entscheidungen tragen. Aus der zweiten Reihe haben Sebastian Münzenmaier, Damian Lohr oder Alexander Jungbluth Strukturen geschaffen, mit denen sie sich – auch durch das Verteilen von Ressourcen – profilieren können. Diese Strukturen zeigen aber auch, dass die bisherigen Veranstaltungen nur die Spitze des Eisbergs sind – die hier beschriebenen sind nur die, die im ersten halben Jahr extern wahrnehmbar waren. Es kann nur spekuliert werden, welche internen Events darüber hinaus stattgefunden haben. Die Hintergründe der Akteure des Zentrums lassen vermuten, dass extrem rechte Netzwerker*innen ihre Strukturen weiter ausbauen, Mitglieder akquirieren und versuchen werden, sich gesellschaftlich zu etablieren.