Blau und Olivgrün

von Lucius Teidelbaum
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 200 - Januar / Februar 2023

#Bundeswehr

Die »Alternative für Deutschland« (AfD) präsentiert sich gerne als »Bundeswehr-Partei« und damit vor allem als Ersatz für die CDU/CSU, die traditionell als die Parteien der Bundeswehr gelten. Tatsächlich sind ehemalige Militärs bei der AfD keine Mangelware. Schätzungen zufolge waren 2019 wohl 2.100 der damals 35.000 AfD-Mitglieder aktive oder ehemalige Berufssoldat*innen, also 6 Prozent und damit weit mehr als ihr Anteil an der Bevölkerung.

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Der vom Dienst freigestellte Bundeswehrsoldat und AfD-MdB Hannes Gnauck ist seit Oktober 2022 auch Vorsitzender der »Jungen Alternative« – hier im Bundestag. © Christian Ditsch


Diese dürften nur der sichtbare Teil der radikalisierten Konservativen in Uniform sein, die sich neben genuin extrem rechten Militärangehörigen der AfD zugewandt haben. Die Abwendung von der Union beklagt auch kein Geringerer als Friedrich Merz in einem Interview 2019: »Wir verlieren offenbar Teile der Bundeswehr an die AfD.«


Der höchstrangige Offizier in der AfD dürfte Joachim Wundrak aus Niedersachsen sein. Der ehemalige 3-Sterne-General der Luftwaffe diente ab 1974 bei der Bundeswehr. Im September 2018 trat Wundrak nach 44 Jahren in den Ruhestand. Bis 2014 war er noch CDU-Mitglied, seit Januar 2018 ist er bei der AfD. Wundrak ist mit Gerald Otten zusammen Herausgeber sowie Mitautor des schmalen Sammelbands »Warum Soldaten die AfD wählen«, der 2021 im Gerhard-Hess-Verlag erschienen ist. Es ist ein häufiger zu beobachtendes Phänomen, dass sich hochrangige Bundeswehroffiziere erst nach dem Ende ihrer Armeezeit politisch engagieren. Offenbar will man Karriereprobleme oder gar eine Entlassung verhindern.


Die Beobachtung von Teilen der AfD und der gesamten »Jungen Alternative« (JA) durch den Inlandsgeheimdienst dürfte zu Berufsverlust­ängsten bei vielen und zur Zurückhaltung bei anderen führen. Einigen AfD-Berufspolitiker*innen aus dem Militär dürfte klar sein, dass mittlerweile eine Rückkehr in die Bundeswehr schwierig sein könnte.


Für andere, vor allem jüngere Soldat*innen, scheint das keine Rolle zu spielen. Johannes Gnauck sitzt nicht nur für die AfD seit 2021 im Bundestag und im Verteidigungsausschuss. Er wurde auch im Oktober 2022 zum Bundesvorsitzenden der JA gewählt. Der Oberfeldwebel war seit 2014 Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Im Juni 2021 wurde offenkundig: Er ist vom Bundeswehrgeheimdienst MAD als »Extremist« kategorisiert, wurde aufgrund des laufenden Verfahrens vom Dienst freigestellt und ihm ist untersagt, die Uniform zu tragen. Unter den derzeitigen politischen Verhältnissen ist eine Rückkehr in die Bundeswehr unwahrscheinlich.


Die Rechtsradikalisierung einiger scheint so weit fortgeschritten zu sein, dass der Journalist Luca Heyer in einem Artikel beim Online-Magazin Heise die Frage aufwirft, ob die AfD der »parlamentarische Arm des rechten Terrorismus« sei. Heyer verweist darauf, dass der hessische AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte, ein ehemaliger Berufssoldat und Oberbootsmann a. D., Maximilian Tischer als seinen Mitarbeiter eingestellt hat. Dieser ist nicht nur der stellvertretende Vorsitzende der »Jungen Alternative« Sachsen-Anhalt, sondern auch eine Kontaktperson von Franco Albrecht, einem verurteilten Rechtsterroristen. Laut Heyer hatte Maximilian Tischer auch Kontakt zu Tobias L., einem ehemaligen Bundeswehrsoldaten, der bei den »Identitären« aktiv war. Er wurde im Mai 2017 aus der Bundeswehr entlassen, weil befürchtet wurde, er könne einen Anschlag auf die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geplant haben.

Vertreterin eines militärischen Traditionalismus
Die AfD-Bundestagsfraktion legt sich für die Bundeswehr ins Zeug. Dabei steht neben der Forderung nach mehr Geld und einer Aufrüstung der Truppe vor allem die Traditionspflege im Mittelpunkt. Im Bundestagswahlprogramm von 2021 heißt es unter der Überschrift »Wiederherstellung der Wehrfähigkeit Deutschlands«: »Damit dem Hauptauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung wieder Rechnung getragen werden kann, muss unsere Bundeswehr nicht nur finanziell gut ausgestattet sein, ihr muss die Eigenständigkeit insbesondere bei Material und Personal zurückgegeben werden.« Weiter heißt es: »Die Bundeswehr muss die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte leben. Sie helfen, soldatische Haltung und Tugenden – auch in der Öffentlichkeit – zu manifestieren. Militärisches Liedgut und Brauchtum sind Teil davon.«

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Allein in den ersten 18 Monaten stellte die AfD 40 Anfragen mit Bezug zur Bundeswehr. Auch in ihren Redebeiträgen wird reichlich belobhudelt, wenn es um die deutsche Armee geht. So porträtierte der Bundestagsabgeordnete Jens Kestner, von 1996 bis 2004 Berufssoldat bei der Panzertruppe, im Dezember 2019 die Bundeswehr als wünschenswerte gesellschaftsprägende Kraft: »›Die Armee ist die vornehmste aller Institutionen in jedem Lande; denn sie allein ermöglicht das Bestehen aller übrigen Einrichtungen. Alle politische und bürgerliche Freiheit, alle Schöpfungen der Kultur, der Finanzen stehen und fallen mit dem Heere.‹ Das sagte zu seiner Zeit Otto Fürst von Bismarck. Ersetzen Sie in der heutigen Zeit die Begrifflichkeit ›Heer‹ mit der Bundeswehr.«

Konzepte
AfD und Teile der Union einerseits sowie die etablierten Parteien andererseits vertreten zwei unterschiedliche Konzepte in Bezug auf die Bundeswehr. Die einen wollen eine Armee in langer Tradition, die auch der autoritären Erziehung eines Teils der Bevölkerung dienen soll. Die anderen wollen eine modernisierte und vor allem effiziente Armee ohne unnötigen Traditionsballast. Die Klage der AfD über Traditionsverlust bei der Bundeswehr ist eine weitere Strophe im Klagelied der Partei und ihres Umfelds über einen vorgeblichen Werteverfall und Traditionsverlust in der gesamten bundesrepublikanischen Gesellschaft. Ähnliches gilt für die angeblich bewusste Zerstörung Deutschlands durch die etablierten Parteien. Analog dazu wird eine Zerstörung der Bundeswehr angeprangert. Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Oberst i. G. Rüdiger Lucassen war 34 Jahre bei der Bundeswehr und arbeitete danach in einer Firma, die Militärgeschäfte mit Saudi-Arabien gemacht haben soll. Lucassen schreibt in dem bereits erwähnten Sammelband: »So ist es kein Zufall, wenn Soldaten eine politische Partei unterstützen, die sich dem linksgrünen Zeitgeist der Beliebigkeit entgegenstellt und sich der Restauration der nationalstaatlichen Rechtsordnung verpflichtet fühlt.«

Bedenkliche Nähe
Die AfD inszeniert sich nicht nur als Bundeswehrpartei, sie ist es auch. Mit Armeen teilt sie doch gewisse Ähnlichkeiten: wenig innere Demokratie, männliche Dominanz, traditionelle Geschlechterbilder und eine nationalistische Identität abgeleitet aus der Vergangenheit. Der hohe Anteil von Militärs in den Reihen der AfD dürfte für eine entsprechende militärpolitische Expertise sorgen. Ihre Forderungen für die Bundeswehr sind nicht nur eine Instrumentalisierung oder der Versuch, Soldat*innen als Wähler*innen zu gewinnen. Immerhin hatte die Bundeswehr 2019 insgesamt 182.649 Berufs- und Zeitsoldat*innen sowie 81.814 zivile Beschäftigte. Hinzu kommen deren Familien und – nicht zu vernachlässigen – Lieferanten und Dienstleister. Offenbar gibt es trotz der in Folge des Russland-­Ukraine-Kriegs zusätzlichen 100 Milliarden Euro durch die Bundesregierung Unmut in Teilen der Truppe. Dabei spielen der Traditionserlass und andere Reformen wie die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 eine Rolle. Die AfD versucht aus diesem Unmut Kapital in Form von Wähler*innen oder neuen Mitgliedern zu schlagen. Es geht unter anderem auch um Anerkennung der Bundeswehr in einer nicht mehr besonders militärisch geprägten Zivilgesellschaft. Anders als zum Beispiel bei sozialen Kämpfen oder der Umweltpolitik ist die Bundeswehr für linke Parteien und eine antimilitaristische Zivilgesellschaft fremdes Terrain. Das erkannte auch der Ex-Wehrbeauftragte und General a. D. Wolfgang Schneiderhan als er zum Thema »AfD und Bundeswehr« im Januar 2020 schrieb: »Andererseits verfolgt die AfD in Bezug auf die Bundeswehr eine Politik der gesellschaftlichen Anerkennung für die Soldaten. Das ist natürlich verlockend, denn da setzt die AfD einen Punkt. Da gibt es tatsächlich ein Vakuum.« Das Zitat »schmückt« auch nicht ohne Grund den Sammelband »Warum Soldaten die AfD wählen«.