Rollback

von Carl Kinsky
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020

#USA

Die US-Regierung unter Präsident Trump setzt sich für die Aberkennung der Rechte von Frauen, nicht-heterosexuellen und trans* Menschen ein. Es wird die politische Agenda der christlichen Rechten umgesetzt, die auf die Erhaltung einer patriarchalen und heteronormativen Gesellschaftsordnung abzielt.

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Trump sucht sein Herz vergeblich.

»Der Präsident ist stolz, der erste Präsidentschaftskandidat der Republikaner gewesen zu sein, der in seiner Dankesrede nach seiner Nominierung die LGBTQ-Community erwähnte und versprach, diese vor Gewalt und Unterdrückung zu schützen.« Mit diesen Worten gelobte Donald Trump im Januar 2017, ein Präsidialdekret aus der Amtszeit von Barack Obama aufrechtzuerhalten, das die Diskriminierung von trans* und nicht-heterosexuellen Mitarbeiter*innen der Bundesregierung verbietet. Drei Wochen später jedoch hob das Justizministerium eine Schutzrichtlinie für Transgender-Personen an öffentlichen Schulen und Universitäten auf: das Recht, eine Toilette zu benutzen, die der eigenen geschlechtlichen Identität entspricht. Hiermit begann eine Reihe von politischen Entscheidungen der Trump-Regierung, die letztlich auf die Abschaffung der Bürgerrechte von Frauen, trans* und nicht-heterosexuellen Menschen insgesamt abzielen. Diese Entwicklung lässt sich auf den starken Einfluss der christlichen Rechten innerhalb dieser Regierung zurückführen.

»Religionsfreiheit« als Legitimation für Diskriminierung
Während es Trump primär um die Hofierung einer verlässlich reaktionären Wähler*innenbasis geht, unterstützt die christliche Rechte seine Präsidentschaft, um ihre eigenen politischen Visionen auf Bundesebene durchzusetzen. Als wichtigste Ziele stechen die Abschaffung des Abtreibungsrechts und die Aberkennung der Bürgerrechte von nicht-heterosexuellen und trans* Menschen hervor.
Trumps Regierungskabinett ist gefüllt mit Vertreter*innen der christlichen Rechten, darunter Vizepräsident Mike Pence, der ehemalige CIA-Direktor und jetzige Außenminister Mike Pompeo, die Bildungsministerin Betsy DeVos, der Minister für Wohnungsbau und urbane Entwicklung Ben Carson, der ehemalige Justizminister Jeff Sessions sowie Richard Grenell, kommissarischer Direktor der Geheimdienste und Botschafter in Deutschland.
Von Anfang an sah die Regierung eine ihrer Prioritäten in der vermeintlichen Bewahrung der religiösen Freiheiten von Christ*innen. Unter diesem Deckmantel versuchen rechte Christ*innen verstärkt, seit der Amtszeit der Obama-Regierung Sonderrechte einzufordern, die ihnen die Diskriminierung von nicht-heterosexuellen und trans* Menschen ermöglichen. Hierbei fordern sie für sich unter anderem das Recht, nicht-heterosexuelle und trans* Menschen in Geschäften und Restaurants nicht zu bedienen, sie als Arbeitnehmer*innen nicht anzustellen sowie ihnen medizinische Leistungen zu verweigern. Grund hierfür ist die Ausweitung der Rechte von Nicht-Heterosexuellen und trans* Personen durch die Obama-Regierung sowie die 2015 beschlossene bundesweite Legalisierung der gleichgeschlecht­lichen Ehe.
Die christliche Rechte war bereits erfolgreich darin, die Verpflichtung von privaten Arbeitgeber*innen gemäß dem Affordable Care Act aufzuheben, Verhütungsmittel als Teil der Krankenversicherung ihrer Mitarbeiter*innen abzudecken. Im Juni 2014 entschied der Oberste Gerichtshof im Sinne der christlichen Handelskette Hobby Lobby Stores, die gegen diese Verpflichtung geklagt hatte.

Schutzpatron des »ungeborenen Lebens«
Beim »March for Life« (»Marsch für das Leben«) in Washington D.C. pries sich Donald Trump selbst im Januar 2020 vor zehntausenden Abtreibungsgegner*innen als »stärkster Beschützer« des »ungeborenen Lebens« in der Geschichte des Landes. Er trat als erster Präsident persönlich bei der größten jährlichen Demonstration der christlichen Rechten auf, ein Zeichen der überaus engen Verbindung zwischen seiner Regierung und der selbsternannten »Lebensschutzbewegung« sowie der Bedeutung rechter Christ*innen als Wähler*innenbasis für Trump. Tatsächlich hat die Regierung in ihrer Amtszeit keine Mühen gescheut, um das Abtreibungsrecht kurzfristig zu schwächen und längerfristig komplett abzuschaffen.
Eine der ersten Maßnahmen war die Wiedereinführung der »Mexico City Policy« der Reagan-Regierung. Sie verbietet ausländischen Organisationen, die Finanzmittel der US-Regierung erhalten, die Aufklärung über Weitervermittlung zu oder Durchführung von Abtreibungen. Der wichtigste Erfolg der Regierung war allerdings die Berufung der konservativen Richter Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh zum Obersten Gerichtshof, die bereits in der Vergangenheit im Sinne der christlichen Rechten entschieden hatten. Wegen der Altersstruktur der amtierenden Richter*innen ist hiermit eine konservative Mehrheit für die kommenden Jahre nahezu garantiert. Da das Abtreibungsrecht auf einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 1973 beruht, ist es das Ziel der christlichen Rechten, diese Rechtsprechung durch Berufungsprozesse anzufechten und aufzuheben.
Ein geeignetes Gesetz für eine solche Anfechtung glaubt Terri Collins, republikanische Landtagsabgeordnete in Alabama, mit dem von dem christlichen Lobbyisten Eric Johnston verfassten »Human Life Protection Act« vorgeschlagen zu haben. Das im Mai 2019 verabschiedete Gesetz stellt das Durchführen von Abtreibungen für Ärzt*innen, außer in wenigen Ausnahmefällen, unter Strafe. Es wurde zwar im Oktober 2019 von einem Bundesgericht für verfassungswidrig erklärt, der Berufungsprozess hat damit jedoch erst begonnen. Vizepräsident Mike Pence lobte das Gesetz als »lebensbejahend«.
Pence selbst ist ein politischer Vorreiter der Strategie zur Einschränkung des Abtreibungsrechts durch direkte Angriffe auf die Anbieter*innen dieser medizinischen Leistung. Seit 2007 forciert er die Streichung von Bundesfinanzmitteln für medizinische Dienstleister wie die nicht-gewinnorientierte Organisation »Planned Parenthood« (PP), da diese auch über Abtreibungen aufklärt. Seit August 2019 verzichtet PP auf Bundesgelder für die Beratung von einkommensschwachen Personen gemäß dem »Title X« Programm. Grund ist eine neue Richtlinie der Bundesregierung, welche die Beratung von Frauen über Abtreibungen bei Erhalt dieser Gelder untersagt. Bis zu diesem Zeitpunkt versorgte PP nach eigenen Angaben 41 Prozent der mehr als vier Millionen Leistungsberechtigten – diese Arbeit muss nun durch Spenden finanziert werden.

»Pray the gay away«
Obwohl sich Trump offiziell als Unterstützer von LGBTQ-Rechten ausgibt, war dies nie mehr als eine Ablenkungsstrategie. Die Angriffe seiner Regierung konzentrieren sich bisher vor allem auf die Aberkennung der Bürgerrechte von Transgender-Personen, um längerfristig die Rechte von Nicht-Heterosexuellen zurückzudrängen. Neben der Aufhebung des Rechtsschutzes eine Toilette aufzusuchen, die der eigenen geschlechtlichen Identität entspricht, forciert Trump persönlich den Ausschluss von Transgender-Personen aus dem Militär. Diese Maßnahme stößt aber auch auf Widerstand und wird nicht flächendeckend umgesetzt. Zivilgesellschaftliche Initiativen klagen gegen viele weitere diskriminierende Richtlinien wie die Erlaubnis für medizinische Dienstleister, aus Glaubensgründen Informationen und Behandlung von Patient*innen abzulehnen, oder die Aufhebung des Schutzes vor Diskriminierung wegen sexueller Orientierung.
Zum religiösen Beratungszirkel der Trump-Regierung wurden rechte Evangelikale wie Tony Perkins, Vorsitzender des reak­tionären »Family Research Council«, ernannt. Er gehörte zu den Erstunterzeichner*innen des »Nashville Statement« von 2017 (s. drr Nr. 170), eines weitreichenden Positionspapiers rechter Evangelikaler, das nicht-heterosexuelle Sexualität und Sexualität außerhalb einer patriarchalen Ehe als »sündhaft« brandmarkt. Perkins wurde im Mai 2018 zum Mitglied der Kommission für internationale religiöse Freiheit der Bundesregierung berufen.

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Feigenblätter
Zur Selbstdarstellung werden die diskriminierenden Maßnahmen der Trump-Regierung mit Feigenblättern umhüllt. Mit Richard Grenell ist ein schwuler Mann innerhalb der Regierung prominent vertreten. So durfte er die Initiative der Regierung anführen, die weltweite Entkriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Sexualverkehr voranzutreiben. Da Grenell und die Regierung allerdings keinerlei Interesse für dieses Anliegen zeigten, sofern es nicht zur Dämonisierung von Muslim*innen taugt, folgte bisher einzig Botswana diesem Aufruf.
Als Ausdruck von Trumps frauenfeindlicher Politik im Inland sind beispielsweise lediglich vier Frauen in seinem Kabinett vertreten, außerdem wurden Entwicklungsgelder gestrichen, die vor allem Projekte für ärmere Frauen förderten. Um davon abzulenken, schickte Donald Trump im Februar 2020 seine Tochter Ivanka Trump vor, um die als Frauenförderung getarnte neoliberale Gesetzesinitiative »Women’s Global Development and Prosperity Initiative« vorzustellen. Von dieser halbherzigen Initiative aber dürfte ebenso wenig eine ernsthafte Verbesserung der weltweiten Lebenslage von Frauen zu erwarten sein.