Streit um »Atlantiker«
von Ernst Kovahl
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020 - online only
#Compact ..
Sind in der AfD Pro-NATO-Positionen und »Atlantiker« auf dem Vormarsch? Das Verhalten einiger Abgeordneter im Bundestag hat eine Debatte in der radikalen Rechten ausgelöst – sie gehen auf Distanz.
Im Januar 2020 »steppte der Bär« an der Basis der AfD. Mitglieder der rechtsradikalen Partei seien mit einigen ihrer Bundestagsabgeordneten »unzufrieden« gewesen, schrieb Federico Bischoff in dem rechten Verschwörungsblatt »Compact« (03/2020). Und auch Götz Kubitschek, Autor und Kleinverleger, kritisierte auf dem Blog »Sezession« namentlich einige Politiker der AfD. Sie würden sich an die »Spitze einer bedingungslos israelfreundlichen Politik« setzen wollen. Hintergrund des Streits war eine Abstimmung im Januar 2020 im Deutschen Bundestag. DIE LINKE und die Grünen hatten Anträge eingebracht, vom deutschen Militärstützpunkt Ramstein ausgehende internationale Militäraktionen der US-Armee abzulehnen. Der Antrag der Linksfraktion, den Stützpunkt zu schließen, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt – auch von Abgeordneten der AfD. Sie folgten einer Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses, der ebenfalls mit den Stimmen der AfD die Ablehnung des Antrags der LINKEN beschlossen hatte. Das Verhalten der AfD-Politiker sorgt nun für heftigen Streit in der radikalen Rechten. Denn die Partei fordert in ihrem Grundsatzprogramm eigentlich »den Abzug aller auf deutschem Boden stationierten alliierten Truppen«.
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»Compact« berichtete, unter anderem hätten die Abgeordneten Armin-Paul Hampel (Niedersachsen) und Enrico Komning (Mecklenburg-Vorpommern) gegen den Antrag auf Schließung von Ramstein gestimmt. Zudem habe sich in der Plenardebatte auch Petr Bystron (Bayern) für die Ablehnung ausgesprochen. Er sagte unter anderem: »Das (…) ist das Gebot der Stunde: an der Seite der Amerikaner dem iranischen Volk zu helfen.« Für »Compact« ist nun klar: Die »Atlantiker« – im Denken der radikalen Rechten also die willfährigen Helfer des Imperialismus der USA – seien in der Partei «auf dem Vormarsch« – die »AfD schlingert« in dieser für die radikale Rechte so symbolhaften Haltung, heißt es in dem Blatt.
»Tabubrecher« Gauland
Das Abstimmungsverhalten der in »Compact« genannten Abgeordneten stehe klar »im Widerspruch zum Grundsatzprogramm«. Die Position der Partei sei Ergebnis einer Debatte gegen den früheren Parteivorsitzenden Bernd Lucke, der mit seiner Unterstützung für Sanktionen gegen Russland einen »Kotau vor Washington« gemacht habe, erinnert »Compact«. Zudem sei es ausgerechnet der heutige AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland gewesen, der als »Tabubrecher« gegen das Programm 2018 seine Partei darauf eingeschworen habe, an der Seite Israels »zu kämpfen und zu sterben«. Auch im Bundestagswahlprogramm seien die USA als »wichtigster Bündnispartner Deutschlands« genannt worden, kritisiert »Compact«. Zudem sei darin die NATO als Verteidigerin und »Garant für die äußere Sicherheit Europas« gelobt worden. Die Erinnerung an die damalige Kritik an Lucke und den Widerspruch zum Parteiprogramm dürfte Absicht haben – als unverhohlene Drohung, erneut Abwahlen oder Ausschlüsse wegen Verstöße gegen das Parteiprogramm anzugehen. Denn ein Streitpunkt vor Luckes Abwahl als Parteivorsitzender war die außenpolitische Orientierung der damals noch jungen Partei: Westbindung – also Orientierung an den USA, Westeuropa und der NATO – oder Kurs auf Russland und Ablehnung des verfemten »Westens«.
»Peinliche Musterschüler«
Die »Compact« steht nicht allein mit ihrer entsprechenden Kritik und verweist auf eine Stellungnahme des völkischen Ziegenhirten aus Schnellroda, Götz Kubitschek, auf dessen Website »Sezession«. Er hatte bereits Ende Januar 2020 auf seinem Blog die AfD-Abgeordneten, die gegen die Anträge gestimmt hatten, als »peinliche Musterschüler« kritisiert. Vor allem Bystron nimmt sich Kubitschek in seinem langatmigen Blogpost zur Brust, an dessen Ende er auch noch einmal die Werbetrommel für ein Büchlein aus seinem Verlag rührt.
Kubitschek ordnet die Abstimmung in einen grundsätzlichen Streit um die Ausrichtung der Partei und ein ganz anderes Feld ein, nämlich das Verhältnis zu Israel und den Antisemitismus der deutschen Rechten: »Bystrons Auftritt vor dem Bundestag nun ist Teil einer Agenda, mit der er versucht, eine innenpolitische Front zu schließen: Seit Monaten wirft er der Bundesregierung Antisemitismus vor und erklärt die AfD zur eigentlich israelfreundlichen Partei und zum eigentlich verlässlichen Partner der Juden in Deutschland«. Darin stecke »eine gespiegelte Form jener Instrumentalisierung des Holocausts zu politischen Zwecken, die in Deutschland seit Jahrzehnten Diskussionen über ganz andere Themen verzerrt, zerstört oder sogar verhindert: Identität, Geschichtspolitik, Grenzsicherung sind nur drei Beispiele. Jedwede Verteidigung des Eigenen kann mit moralpolitischen Verweisen auf die ‘deutsche Schuld’ zu einer Auseinandersetzung mit ungleichen Mitteln gedreht werden«. Deutschland solle sich, so meint Kubitschek, in diesen Auseinandersetzungen nicht als »Lehre aus der Geschichte« auf die »Seite der Sieger« schlagen und sich »wiederum (nur diesmal auf Seiten der Zivilisation) an einer blutigen Neuordnung« beteiligen. Er kritisiert: »Bystron und Meuthen wiederholen nun leider, was wiederum seit Jahrzehnten rechte, konservative Politiker für einen Königsweg halten: auf die richtige Seite zu wechseln, die vielleicht nur deshalb die richtige ist, weil sie die mächtige ist. Die Instrumentalisierung des Holocausts gegen nationale, rechte Positionen dadurch zu drehen, daß man sich an die Spitze einer bedingungslos israelfreundlichen Politik setzt und Auschwitz als Argument für den ‘Regime Change’ in anderen Ländern verwendet, knüpft vor allem dieses Gängelband fester.« Der neu-rechte Autor Kubitschek urteilt: »Die unoriginelle Strategie Bystrons und Meuthens hofft auf jene Ruhe, die der Lehrer dem Musterschüler gewähren mag.« Ihr »Vorstoß aber sind diejenigen peinlichen Musterschüler, die als Hilfslehrer auf denselben Nachahmungszwang setzen, den ihr alt gewordener Lehrer vorexerziert«.
Mit einer »Instrumentalisierung der Geschichte« – Kubitschek dürfte hier ausschließlich die Shoa im Blick haben – komme »Deutschland nicht weiter«. Die AfD müsse, so meint das frühere Mitglied der elitären und völkisch geprägten Studentenverbindung »Deutsche Gildenschaft«, »alternative Verhaltenslehren auf entscheidenden Feldern« zeigen – auch in der Außenpolitik, wo ein grundlegender Wandel angestrebt wird. Die Forderungen nach Abzug von ausländischen Truppen, nach Neutralität oder dem Ende der »Westbindung«, die als verhasster Liberalismus und abgelehnte Moderne verstanden wird, sind am Ende vor allem funktionale Schritte hin zu einer angestrebten deutschen Vorherrschaft, die Europa und Teile der Welt zum deutschen Nutzen dominieren soll.