Keine Störung im Männerbetrieb

von Stephanie Heide
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020

#IfS

Der Kubitschek‘sche Ziegenhof in Schnellroda – mit seinem »Institut für Staatspolitik« (IfS), dem »Verlag Antaios« und der Zeitschrift »Sezession« – war immer wieder Schauplatz von Reportagen, die Götz Kubitschek und Ellen Kositza, selbstbewusst und auf Augenhöhe, als die Gesichter der »neuen« und »intellektuellen« Rechten inszenierten. Das IfS ist jedoch keineswegs ein Raum, der von Frauen intellektuell mitgestaltet wird, darüber darf weder die Anwesenheit noch ein gewisses Prestige von Frauen wie Kositza hinwegtäuschen. Deren Zuständigkeit sind Kinder und Küche, die von Kubitschek sind Geschäft und Politik. Er steht für das Intellektuelle, sie liefert die Glossen.

Antifa Magazin der rechte rand
Sommerfeld, Kositza und Kubitschek auf der Leipziger Buchmesse 2018
© Mark Mühlhaus / attenzione


Kositza ist das weibliche Werbegesicht von Schnellroda, ihr Metier sind Buchrezensionen, in Textform und als Videos. In jungen Jahren wurde sie für die »Junge Freiheit« entdeckt, studierte, heiratete, bekam zwei Töchter, lernte Götz Kubitschek kennen und bekam fünf weitere Kinder. Währenddessen schrieb sie für die »Sezession«, erhielt 2008 den »Gerhard-Löwenthal-Preis« für rechte Publizistik und ist seither auch redaktionell für die »Sezession« tätig. Im Hauptberuf ist sie Mutter und Ehefrau. Seit 2016 bewirbt sie unter dem Titel »Ellen Kositza empfiehlt Literatur« auf YouTube Neuerscheinungen (nicht nur) des »Antaios«-Verlags. In »Aufgeblättert. Zugeschlagen. Mit Rechten lesen«, einem weiteren Videoformat, tritt sie seit 2018 zusammen mit der Dresdnerin Susanne Dagen auf, der Inhaberin des »Buchhaus Loschwitz« und Mitinitiatorin der »Charta 2017«. Hier besprechen die beiden mit jeweils einem Gast ausgewählte Lieblingsbücher.


Die zweite Frau im Schnellroda-Betrieb ist die promovierte Philosophin Caroline Sommerfeld aus Wien. Sie ist mit dem als links geltenden Wissenschaftler Helmut Lethen verheiratet und hat drei Kinder. Im Jahr 2015 konvertierte sie im Zuge der rassistischen Massenhysterien von der »Linksliberalen« zur »Neuen Rechten« und fiel den Machern von »Sezession« als Kommentatorin auf. Aufgrund ihrer neuen Karriere als extrem rechte Publizistin verlor sie ihre Tätigkeit als Köchin an einer Waldorfschule. Mittlerweile gehört sie zum festen Autor*innen- und Referent*innenstamm von Schnellroda. Beide, Kositza und Sommerfeld, haben für »Antaios« mehrere Bücher verfasst.

Klare Rollen, klassische Verteilung
Im Theoriebetrieb des IfS spielen Frauen keine Rolle. Dieses hat seine wichtigsten ideengeschichtlichen Grundlagen in dem mehrbändigen »Staatspolitischen Handbuch« veröffentlicht. »Band 2 – Schlüsselwerke« berücksichtigt dabei zu einem verschwindend geringen Anteil von drei Prozent Werke von Frauen, in »Band 3 – Vordenker« sind sie zu fünf Prozent vertreten. Bei den halbjährlich stattfindenden »Akademien« des IfS trat, soweit bekannt, zwischen 2000 und 2018 mit Ellen Kositza nur eine einzige Referentin auf. Ihr Thema bei der » 1. Sommerakademie« im Jahr 2000 war die »Geschlechterkrise«. Im Jahr 2019 standen zwar innerhalb kurzer Zeit fünf referierende Frauen im Programm: Angelika Barbe, Barbara Rosenkranz, Alice Weidel und zweimal Caroline Sommerfeld. Dem gegenüber standen jedoch immer noch viermal so viele von Männern gehaltene Vorträge und eine rein männlich besetzte »Winterakademie« 2020. Im publizistischen Betrieb ist die Frauenquote geringfügig höher. Beim »Verlag Antaios« beträgt der Anteil an Autorinnen ungefähr 8,5 Prozent, wobei zwei Drittel dieser Veröffentlichungen auf Kositza und Sommerfeld zurückgehen. In der Zeitschrift »Sezession« sowie bei »Sezession im Netz« liegt die Autorinnenquote bei etwa 16 Prozent, wobei auch daran Kositza und Sommerfeld einen Anteil von knapp 90 Prozent haben. Einzig in ihrem eigenen Format »Ellen Kositza empfiehlt Literatur« ist die Präsenz von Frauen höher: Ein Viertel der vorgestellten Bücher stammen von Autorinnen.


Die von Kositza und Sommerfeld verfassten und bei »Antaios« veröffentlichten Bücher sind weniger intellektuelle Abhandlungen, als Ratgeber und Trivialsammlungen für rechte Frauen und Mädchen, die sich gut verkaufen sollen. In diese Kategorie fällt auch das bei »Antaios« auf Deutsch erschienene »Jung, weiblich, rechts« der US-Amerikanerin Brittany Sellner. Deren Ehemann, der Österreicher Martin Sellner, ist Schnellroda als Autor für die »Sezession« und (Ex-)Aktivist der »Identitären Bewegung« (IB) eng verbunden. Schon allein durch ihre Themenwahl reproduzieren Kositza und Sommerfeld dezidiert rechte Frauen- und Geschlechterbilder. Caroline Sommerfeld veröffentlichte 2019 mit »Wir erziehen. Zehn Grundsätze« einen an rechtskonservativen Werten ausgerichteten Ratgeber für den elterlichen Umgang mit Kindern. Als wichtige Grundsätze der Erziehung postuliert sie unter anderem Hierarchie, Distanz, Gemeinschaft, Verwurzelung und Anderssein. Ausführungen macht sie auch zur »Erziehung zum Ethnopluralismus«. Ursprünglich wollte sie eine theoretische Abhandlung zur Reformpädagogik im 20. Jahrhundert schreiben, wie sie bei einem Vortrag in der »Bibliothek des Konservatismus« preisgab. Jedoch wurde sie von Kubitschek ausgebremst, dem eher eine praktische Anleitung für den Hausgebrauch vorschwebte. In dieselbe Kerbe schlägt auch der Titel »Vorlesen«. Hier haben Kositza und Sommerfeld gemeinsam eine umfangreiche Sammlung an Buchempfehlungen herausgegeben. Sie wollen damit Kinder und Jugendliche an das Lesen heranführen und ohne vordergründige politische Agitation eine Alternative zu den »Zumutungen« des Kinderbuchmarkts bieten. Die Autorinnen wollen zum Vor- und Selbstlesen animieren, ohne Themen wie »Gender-Erziehung«, »Holocaust« und »Vergangenheitsbewältigung« die in ihren Augen falschen Werte zu vermitteln. Neben den eigenen Lieblingsbüchern und Klassikern, wie Michael Ende und Astrid Lindgren, sind auch die Bestseller der neueren Popkultur wie »Harry Potter« und »Die Chroniken von Narnia« enthalten. 79 der empfohlenen Buchtitel hat »Antaios« in das eigene Verkaufsprogramm genommen, sodass die Edition »Vorlesen« auch eine lukrative Geschäftsidee gewesen sein dürfte.

Mehr zu Schnellroda und den Faschist*innen des IfS kann man in unserem Buch nachlesen.

antifa Magazin der rechte rand
Der rechte Rand. Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen des 21. Jahrhunderts Einblicke in 20 Jahre »Institut für Staatspolitik« 184 Seiten | zahlreiche Fotos | 2020 | EUR 12.80 ISBN 978-3-96488-074-1

Antifeministische Botschafterinnen
Die beiden Schnellroda-Protagonistinnen brechen trotz ihrer (begrenzten) öffentlichen Präsenz alte Rollenmodelle innerhalb der extremen Rechten nicht auf, sondern festigen sie. Wenn sie sich zu Genderfragen äußern, was sie oft tun, reden sie dem Vulgärmachismus rechter Männer genauso das Wort, wie der Geschlechterhierarchie im Allgemeinen. Im Jahr 2018 führte Sommerfeld mit Martin Sellner auf dessen YouTube-Kanal ein Gespräch über »rechten Feminismus«. Darin verglich sie Feminismus mit einem Krebsgeschwür. Als Rechte*r könne man darauf keinen positiven Bezug nehmen, unter anderem weil dessen Ziel die Auflösung der Geschlechter generell sei. Ohne nähere Ausführungen stellt Sommerfeld dort auch die Sinnhaftigkeit der Gleichberechtigung von Männern und Frauen grundsätzlich infrage. Für Sellner ist der Feminismus eine »universalistische und egalistische Ideologie« und »eine Spielart des Kulturmarxismus« und damit eine fundamental destruktive Strömung. Beide sind sich einig, dass der feministische Diskurs vor allem ein »subjektivierter Befindlichkeitsdiskurs« und sexuelle Belästigung ein »First World Problem« ist – natürlich nur, wenn sie nicht von »Fremden« an einheimischen Frauen begangen wird. Auch Ellen Kositza gibt in ihren Veröffentlichungen die Männerversteherin, sei es in ihrem Buch »Gender ohne Ende. Was vom Manne übrig blieb« oder in ihren Video-Rezensionen. Dort empfiehlt sie den US-Amerikaner Jack Donovan, welcher Kraft, Mut, Ehre und Kompetenz als dezidiert männliche Primärtugenden preist, und ihren »Lieblings-Deutschtürken« Akif Pirinçci, der das Milieu mit Büchern wie »Die große Verschwulung« und »Umvolkung« beglückte. Den ehemaligen Käpt‘n Blaubär-Autoren Bernd Lassahn, der in seiner Trilogie »Frau ohne Welt« den Feminismus als Krieg der Frauen gegen Männer und Kinder darstellt, lobt Kositza für seine Abrechnung damit.

ABO
Das Antifa Magazin

alle zwei Monate
nach Hause
oder ins Büro.


Mit ihrem geduldeten öffentlichen Sendungsbewusstsein ist Kositza in ihrem völkisch-konservativen Milieu die privilegierte Ausnahme. Als Mutter von sieben Kindern und Verlegergattin bietet sie keine Angriffsfläche und kann sich über ihre primäre Funktion hinaus zu einem gewissen Grad selbst verwirklichen. »Ganz und gar« selbstverwirklicht habe sie sich jedoch ohnehin in der Kindererziehung, wie sie anlässlich ihrer Preisverleihung 2008 sagte. Schnellroda überlässt es den eigenen Frauen, gegen den Feminismus zu Felde zu ziehen. Kositza und Sommerfeld bedienen dabei nicht nur den Männerbetrieb, sondern fungieren auch als Rollenvorbilder für junge Frauen, die – sei es aus intellektuellem Antrieb, sei es als »Freundin von« – mit Schnellroda in Kontakt kommen. Die IB diente Kubitschek auch zur Nachwuchsgewinnung und mittlerweile sind mehrere Aktivisten publizistisch für ihn tätig. Dagegen sind die Aktivistinnen nie Teil des Schnellroda-Betriebs geworden. Ihnen zeigen Kositza und Sommerfeld ihren ideologisch korrekten Platz in der Szene auf. Diese Rolle der im Idealfall materiell und emotional versorgten Ehefrau und Mutter mag dabei manch überforderten jungen Frauen verlockend und bequem erscheinen. Sie wirken politisch im Privaten und dem sozialen Nahraum, müssen dabei aber weder Verantwortung für das große Ganze, noch für das eigene selbstbestimmbare Leben übernehmen. Im theoretisch-intellektuellen Betrieb von Schnellroda sind sie jedoch nur Alibi, vielleicht ein Zugeständnis an den Zeitgeist, … und schlicht Deko.